Lioness
Als Sivert Hoyem vor nicht einmal zwei Jahren ‚Endless Love‘ veröffentlichte, lief eine relativ große Vermarktungsmaschinerie an, die das Album und besonders die Single ‚Inner Vision‘ in den Fokus rückte. Geholfen hat das nicht unbedingt, der ehemalige Sänger von Madrugada hatte vorher seine Jünger, und hinterher auch – ob es so wahnsinnig viele mehr geworden sind, darf man bezweifeln. Denn wer diese Art von Musik schätzt, kennt ihn ohnehin.
Das neue Album ‚Lioness‘ jedenfalls ist in dieser Hinsicht weit zurückhaltender, gerade in den sozialen Medien ist das Album nicht omnipräsent. Bei jedem Album behauptet ein Großteil der Presse, dass sich Sivert Hoyem jetzt von seiner Vergangenheit gelöst habe – wenn man das beim mittlerweile sechsten Soloalbum auch wieder sagt, fängt man langsam an, sich lächerlich zu machen. Mit Madrugada hat das hier schon lange nichts mehr zu tun.
Die rüpelhaften, häufig etwas inkohärenten Ausbrüche, die hier und da noch vorkamen, sind bei ‚Lioness‘ endgültig verschwunden, wir haben hier ein Storyteller-Album, das eher in die Richtung der 90er-Jahre-Alben von Nick Cave deutet. Die Musik und die Texte harmonieren in einer düster-traurig-wohligen Art, man trifft auf Bläser-Schick der 60er und Pop-Schick der 80er. Typisch klischeehafte Bilder von abgeranzten Hafenhotels mit sich im nassen Kopfsteinpflaster der Strassen spiegelnden Leuchtreklamen erwachen im Kopf, ‚Lioness‘ ist ein musikgewordener Film Noir.
Ein absolut überragender Track wie das eigentlich endgültige ‚Inner Vision‘ ist nicht vorhanden, dafür schwanken Stil und Qualität weniger als auf dem Vorgänger, so dass insgesamt ein homogenerer Eindruck entsteht.
Sivert Hoyem wird nach eigenen Worten ’niemals ein echter Pop-Musiker‘ werden – na ein Glück. Beim nächsten Mal darf dann aber bitte – auch wenn der Titeltrack jede Menge Anklänge daran hat – wieder ein an Melancholie kaum zu überbietender Über-Track wie ‚Inner Vision‘ im Gepäck ein.