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Dracula – Swing Of Death

‚Let me tell you, darling, I’m a pretty handsome man / willingly you come to me according to my plan / now let’s get down and dirty / come and lay down on my bed…‘ Was auf den ersten Blick wie eine Textzeile aus „50 Shades Of Grey“ oder ähnlicher Schundliteratur klingt, wird durch den nächsten Satz in eine neue, noch viel morbidere Richtung getrieben: ‚Tomorrow when you wake up you’ll be dead!‘

Ja, es geht um Vampire, Liebe, Tod und natürlich Musik. ‚Why can’t you see, my bride, that we belong together? Just die a little bit before you’ll live forever!‘ Vor uns liegt aber glücklicherweise nicht die neueste „Twilight“-Compilation, sondern klassischer Power-Metal aus Norwegen. Dracula, der wohl berühmteste Vampir der Literaturgeschichte, ist schon in unzähligen Büchern, Filmen, Comics, ja sogar Musicals in Erscheinung getreten. Tragische Liebesgeschichte und Horrorroman zugleich, fasziniert Bram Stokers Roman „Dracula“ immer noch seine Leser. So war es nur eine Frage der Zeit, bis Dracula auch im Metal Pate für ein Konzeptalbum stehen würde – so geschehen nun bei „Dracula – Swing Of Death“, der neuen „Rock Oper“ der beiden Norweger Jorn Lande (Vocals) und Trond Holter (Gitarre). Die Handlung des Albums wurde nach Aussage der Musiker durch die wahre Geschichte des Prinzen Vlad III. inspiriert, der wiederum auch Bram Stoker seinerzeit als Vorlage für seine Romanfigur gedient haben soll, wobei dieses Theorie von Historikern allerdings in Frage gestellt wird. Wie auch immer, „Dracula – Swing Of Death“ beschäftigt sich ohnehin mehr mit dem Vampir Dracula als mit dem historischen Prinzen, denn schnell drehen sich die Songs um die dunkle Seite des Grafen, seine Abkehr von Gott und um seinen Durst nach Blut.

Jorn Lande verkörpert bzw. singt den Grafen Dracula. Für die weiblichen Parts hat er sich die Unterstützung durch die Norwegerin Lena Fløitmoen Børresen geholt. Einen Erzähler, der durch die Handlung des Albums leiten würde, gibt es ebenso wenig wie ausufernde Instrumentalpassagen, ein klassisches Orchester oder einen Chor. Durch Verzicht auf all das, was man bei so einer Geschichte und der Bezeichnung „Rock Oper“ eigentlich erwarten würde, gelang es Jorn, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Die Songs sind kompakt und rockig ohne viel Schnickschnack, und das Wichtigste beim Power-Metal: Sie gehen richtig gut ab. Kaum einer der zehn Tracks auf dem Album, der nicht Ohrwurmqualitäten besäße, insbesondere die Refrains bestechen durch mitreißende Melodien, die sich schnell im Gehörgang festsetzen. Exemplarisch sei hier nur einmal die mittelschnelle Ballsaal-Nummer ‚Swing Of Death‘ genannt – grandioser Metal-Swing. Musikalisch ist das Album über jeden Zweifel erhaben. Zehn Kracher, die jedem Freund hymnischer melodiöser Metal-Songs gefallen dürften. Stilistisch irgendwo zwischen Power-Metal à la Savatage oder Rage und Hard-Rock im Alice Cooper Stil werden jede Menge Killer-Hooklines präsentiert. Die Songs treiben nach vorne, die Drums krachen (Schlagzeug: Per Morten Bergseth), Trond Holters Gitarren sorgen für die richtige Mischung aus harten Riffs und äußerst melodischen nie zu langen Soli.

Kein Symphonic Metal also mit klischeehaften Streicherlinien, kein einziges bittersüßes Liebeslied. So weit, so gut. Leider verzichtet Jorn Lande aber dennoch nicht auf die typischen Klischees. Da sind zunächst einmal eine Reihe von Soundeffekten wie Meeresrauschen, Donnergrollen, Regen, Schritte, heulende Wölfe oder das Schlagen der Turmuhr, die immer wieder einmal unter die Songs gemischt wurden. Sie sollen den Liedern wohl noch mehr Atmosphäre verleihen, wirken aber an den meisten Stellen eher albern bzw. schlicht unnötig. Ganz besonders an der dramatischen Stelle, als der Biss des Vampirs dargestellt werden soll, die Geräuscheffekte aber eher an das Auspressen eines nassen Schwamms erinnern. Die „überraschten“ Laute der Gebissenen rauben der Szene dann jede Ernsthaftigkeit, erinnern eher an ein „Huch, sind die Blutorangen aber teuer geworden!“ und lassen den großen Moment doch eher zu einer Witznummer verkommen. Schade drum, denn musikalisch bietet „Swing Of Death“ wie gesagt durchaus Hochkarätiges. Hin und wieder bewegen sich auch die Songstexte hart an der Grenze zur Albernheit, wie eingangs genannte Beispiele zeigen.

So bleibt unterm Strich ein musikalisch erstklassiges Album, das leider etwas unter seinem eigenen Konzept leidet und damit an der Höchstnote vorbei schrammt. Von daher: Nicht auf die Texte achten, die Soundeffekte gedanklich ausblenden und dann ein wunderbares abwechslungsreiches Album mit reichlich Power genießen. Vorsicht, bissig!

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