DONOTS – Der Domplatz wird zum Wohnzimmer
Die Donots feiern in diesem Jahr ihren 30. Geburtstag. Im Frühjahr mit einer Mini-Club-Tour (u.a. in der heimatlichen Scheune), im Herbst durch die (sehr) großen Clubs des Landes. Das Besondere: in jeder Stadt spielen sie zweimal auf, am ersten Abend steht der Schwerpunkt auf der ersten englischen Karrierehälfte, am Folgetag entsprechend auf der zweiten.
Am heutigen Samstag spielen sie in Münster, der Stadt, in der sie ihren Band-Sitz haben, ihr bislang größtes eigenes Konzert vor 12.000 Menschen im Rahmen des Stadtfestes auf dem Domplatz. Wie schon vor fünf Jahren in Ibbenbüren haben sie sich fabulöse Gäste eingeladen, machen aber bis zur letzten Minute ein Geheimnis daraus, wen die Leute erwarten dürfen.
Nachdem am Nachmittag noch eine Fotosession mit dem Circle Pit Club vorm Landesmuseum stattfand, begrüßen Ingo, Eike, Purgen, Alex und Guido die Masse um 18.30 Uhr zu ihrer Geburtstagsparty im Schatten des Doms. Die Geheimhaltung ist geglückt: Wirklich nichts ist durchgedrungen, wer denn nun gleich den Abend eröffnen wird.
Dann lässt Ingo die Katze aus dem Sack: „Liebe Leute, die vielleicht beste Deutsch-Punk-Band dieser Zeit: Pascow!“ Mehr als überzeugend und druckvoll legen die Dame und die Herren in ihrer etwas mehr als halben Stunde los, während der Donots-Shouter begeistert vom Bühnenrand zuschaut. Knapp eine Stunde später ist es dann Alex, der die Leoniden ansagt, die ebenfalls sofort den Platz in Beschlag nehmen, und auch ihre aktuelle Single aus dem in dieser Woche erscheinenden neuen Album „Sophisticated Lovesongs“ spielen. Tatsächlich ist der letzte Support kein echtes Geheimnis mehr, hat der Gute doch in seinem Podcast vor ein paar Wochen schon seinen Gig gespoilert: Olli Schulz und seine Band nehmen mit ihren insgesamt eher ruhigeren Liedern ein wenig das Tempo aus dem bisherigen Ablauf, was aber ebenso freudig goutiert wird. Besonders seine albernen Stories zu den Haupt-Akteuren („Jan-Dirk hat ’ne Cannabis-Farm!“) werden amüsiert aufgenommen.
Dann – endlich – um 22.00 Uhr ist es so weit, und die Herren Knollmann, Siedenbiedel, Herwig und Poggemann geben sich die Ehre. Nachdem Guido-Tochter Emmi den Weltuntergang als Intro besungen hat, stürmen sie direkt mit „Auf sie mit Gebrüll“, „Calling“ und Wake The Dogs“ los. Von Sekunde 1 ist die Hölle los, und 24.000 Hände sind oben, und die darunter befindlichen Körper werden satte zwei Stunden durchbewegt. In den Ansagen machen die Jungs immer wieder klar, wie dankbar sie für all die Jahre sind, die sie gemeinsam Musik und Quatsch machen dürfen, und insbesondere, dass heute so viele Menschen hier aufgetaucht sind. Apropos Quatsch: Nachdem sie vor ein paar Wochen beim Vainstream nur ein paar hundert Meter entfernt ein Dixi-Klo in die Menge zu „Kaputt“ getragen haben, ist es heute eine komplette Wohnzimmereinrichtung mit Sofa und Stehlampe, auf der Ingo erst das Circle-Pit-Auge gibt, um sich zur zweiten Strophe als Sofa-Surfer wieder zur Bühne transportieren zu lassen.
Im Set sind alle relevanten Klassiker, auch wenn auffällt, dass die englischen und deutschen Songs ziemlich paritätisch aufgeteilt sind, und nicht wie zuletzt eher die späteren Nummern den Großteil des Programms ausmachen. „Saccharine Smile“ wird den Freunden vom CPC gewidmet. Nach nur wenigen Takten wird die Nummer aber für eine längere Zeit unterbrochen, offensichtlich gibt es mehrere (kleinere) medizinische Notfälle in den vorderen Reihen. (Anmerkung: In zahlreichen Online-Kommentaren wird am Tag danach deutliche Kritik an der Organisation und dem teilweise aggressiven Verhalten im vorderen Bereich geübt, auch die Donots selbst melden sich zu Wort und entschuldigen sich; im hinteren Teil des Platzes war davon allerdings nichts zu merken). Kurz verschwindet die Freude aus den fünf Gesichtern und macht echter Sorge Platz. Aber nach wenigen Minuten gehen die Daumen hoch, und es wird in der zweiten Strophe wieder eingesetzt, nicht ohne Anmerkung von Ingo, dass man an den zwei angesetzten Probenachmittagen statt vier Stunden nur zu labern vielleicht wirklich hätte üben sollen.
Zu Guidos „Problem, kein Problem“ wird (wie schon auf ihrer Birthdays-Slams-Live-Scheibe) Sammy Amara von den Broilers auf der Bühne begrüßt, der den Co-Gesang gibt.
Der ist jedoch nicht alleine aus Düsseldorf angereist, sondern hat die Kollegen Vom und Kuddel von den Toten Hosen mitgebracht. Eine halbe Stunde später haben die beiden ihren Auftritt und spielen sich durch die Hosen- bzw. Ramones-Klassiker „Alex“ und „Blitzkrieg Bob“. Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt angelangt, und mit „Whatever Happened to the 80s“ wird das Finale eingeläutet. Natürlich was es das noch nicht, und eine gute Handvoll Zugeben werden noch nachgeliefert. Wie aus dem Nichts taucht Jakob von den Leoniden mit einem weißen Klavier vor der Bühne in der Menge auf, und gemeinsam intoniert er mit Ingo „Don’t Look Back in Anger“ von Oasis. Nicht wenige im Publikum denken vermutlich, dass die Knollmann-Brüder glücklicherweise nicht den Weg der Gallaghers genommen haben, und auch den nächsten 30 Jahren nichts im Weg stehen wird. Mit dem üblichen „So Long“ ist die Messe dann wirklich gelesen und zehn deutlich sichtbar feuchte Augen blicken ungläubig von der Bühne in die Massen runter. Leider ist es im wörtlichen Sinne bereits 5 nach 12, und der Lärmschutz der Stadt lässt keine weiteren Zugaben zu. Ganz ohne letzten Hinweis wollen die Donots aber dann doch nicht gehen, und weisen darauf hin, dass sie in etwas mehr als einem Jahr erneut einen Münster-Slam-Weekender planen und laden alle für den 21. und 22.11.2025 in die Halle Münsterland ein.
Nach dem heutigen Abend dürften wohl die allermeisten Zuschauer*innen sich Tickets für das noch weit entfernte Event kaufen, und gespannt den kommenden drei Dekaden entgegenfiebern.
SETLIST
Auf sie mit Gebrüll
Calling
Wake the Dogs
Dead Man Walking
Pick Up the Pieces
Apokalypse Stehplatz Innenraum
Problem kein Problem (mit Sammy Amara)
Hey Ralph
Saccharine Smile
Ich mach nicht mehr mit
Dann ohne mich
Augen sehen
Solid Gold
Stop the Clocks
Kaputt
Hunde los
Hier kommt Alex (mit Vom und Kuddel)
Blitzkrieg Bop (mit Vom und Kuddel)
Whatever Happened to the 80s
Keiner kommt hier lebend raus
Don’t Look Back in Anger (Ingo nur begleitet von Jakob (Leoniden) am Klavier im Publikum)
Eine letzte letzte Runde
We’re Not Gonna Take It
So Long
Fotocredit: Wollo@Whiskey-Soda