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Live In Atlantic City

Nach satten dreizehn Jahren wird nun das ausgiebig gebootleggte „VH 1 Decades Rock“-Special von Heart offiziell als CD/BluRay-Package veröffentlicht – wenn auch die Show immer noch nicht komplett präsentiert wird. Das Besondere daran ist, dass es sich nicht um ein reguläres Heart-Konzert handelte, sondern um eine Art Tribute an sich selbst mit Hilfe diverser Gaststars.

Als am Aufsehenerregendsten empfand man damals den ersten Auftritt von Alice In Chains nach dem Tod von Layne Staley, unterstützt von Duff McKagan, dem später als festes Bandmitglied beigetretenen William DuVall und Ex-Pantera-Kotztüte Phil Anselmo, der danach aber aus dem Bandumfeld wieder verschwand und lieber in White-Power-Fantasien neue Erfüllung suchte. Die beiden Alice In Chains-Songs ‚Would‘ (nur auf CD) und ‚Rooster‘ bilden aber fraglos die Fremdkörper dieser Veröffentlichung. Natürlich haben Heart und Alice In Chains diverse Querverbindungen, Layne Stayley sang auf Hearts „Desire Walks On“ mit, Ann Wilson revanchierte sich auf Alice In Chains‘ „Jar Of Flies“, und Langzeit-AIC-Basser Mike Inez war zur Zeit des Konzertes Tieftöner von Heart. Ungeachtet dessen haben die beiden Songs mit dem Heart-Sound aber eben musikalisch nur wenig gemeinsam und fallen somit ziemlich aus dem Rahmen.

Weitaus besser integrieren sich die restlichen Gäste, die mit der damaligen Heart-Stammbesetzung agierten. Dave Navarro lässt’s so richtig schön krachen und versprüht Glam-Feeling, Rufus Wainwright singt ein herzzerreisendes ‚Dog And Butterfly‘, und Country-Schnuckel Carrie Underwood darf beim in einer Akustikfassung dargebotenen ‚Alone‘ beweisen, dass sie stimmlich durchaus einiges auf der Pfanne hat. Ihre ebenfalls aus der Country-Ecke stammende Kollegin Gretchen Wilson hingegen stiehlt so ziemlich der kompletten Meute die Show, indem sie sich mit ihrer Les Paul bewaffnet als waschechte Rock’n’Roll-Rampensau entpuppt und bei ‚Even It Up‘ und Led Zeppelins ‚Rock And Roll‘ tatsächlich stimmlich kein Stück hinter Ann Wilson selbst zurückstecken muss. Chapeau! Ja, und besagte Ann lässt einmal mehr raushängen, dass sie über eine der besten und charismatischsten Stimmen des ganzen Rock’n’Roll-Zirkus verfügt.

Allerdings gibt es trotzdem ein paar Sachen, an denen man sich stören kann. Abgesehen von der erwähnten Alice In Chains-Session, die man vielleicht besser ins Bonusmaterial gepackt hätte, ist nämlich auch die Tracklist wieder relativ einseitig ausgefallen. Aus den Alben nach „Bebe Le Strange“ gibt’s wieder mal nichts außer dem erwähnten ‚Alone‘ und das aus dem damals aktuellen Album stammende ‚Lost Angel‘. Hammersongs wie ‚If Looks Could Kill‘, ‚Fallen From Grace‘, ‚How Can I Refuse‘ oder ‚Bad Animals‘ fallen also erneut durchs Raster, ebenso wie veritable Hits a la ‚These Dreams‘, ‚Never‘, ‚Who Will You Run To‘ und ‚All I Wanna Do Is Make Love To You‘. Von deep cuts wie ‚The Wolf‘, ‚Shell Shock‘ oder ‚The Night‘ will ich gar nicht erst anfangen…

Dafür gibt’s wieder zwei gute, aber letztlich überflüssige Led Zeppelin-Covers. Ja, die Band versucht sich seit den späten Neunzigern als „the female Led Zeppelin“ zu verkaufen, das ist aber heuer genauso doof wie damals. Denn Heart waren niemals „the female whatever“, sondern eben immer Heart. Zu dieser Band-Identität gehörte aber lange Jahre eben auch der weitestgehend unterschätzte Gitarrist Howard Leese, der den Sound der Band genauso prägte wie die Wilson-Schwestern und der hier musikalisch ganz enorm fehlt. Seiner eleganten, zwischen Blues, Folk und Hardrock pendelnden und hochmelodischen Gitarrenarbeit wird der eher rifforientiert arbeitende Craig Bartock zu keiner Sekunde gerecht, was viele der Songs zwar heavier klingen lässt, ihnen aber die musikalische Intensität, Verspieltheit und Atmosphäre nimmt – man nehme ‚Magic Man‘ als Beispiel. Aber, wie sagt man, vorbei ist vorbei, und dank der ehrfurchtgebietenden Stimme von Ann Wilson und der Tatsache, das Stücke wie das knuffelige ‚Dreamboat Annie‘ oder ‚Crazy On You‘ und ‚Barracuda‘ ziemlich unkaputtbar sind, dürfte sich trotzdem jeder Heart-Fan ziemlich ordentlich unterhalten fühlen. Die beiden den Fluss störenden Alice In Chains-Songs kann man dann ja einfach nach hinten programmieren.

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