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Shape Shift With Me

Against Me! sind alles andere als eine Band, die langweilig-verlässlich immer die gleichen Alben abliefert. Die ereignisreiche Bandgeschichte schlägt sich nieder in ihrer launigen bis launischen Diskografie, die den Fan schon vor so manche Herausforderungen gestellt hat. Nicht wirklich zu wissen, was man zu erwarten hat, ist freilich des Independent-Künstlers größte Wonne. Aber die Erfahrungen, dass die Band von absolut großartig bis ziemlich schlecht zu Allem in der Lage ist, macht den Fan etwas unruhig, wenn ein neues Album – im konkreten Falle namens ‚Shape Shift With Me‘ – angekündigt wird.

Wie um solche gemischten Gefühle oder auch jegliche Erwartungshaltung niederzuschmettern, eröffnen Against Me! ihr siebentes Album mit ‚ProVision L 3‘. Mit einem Song, der kompromisslos, laut, wütend und schnell in nicht ganz zwei Minuten alles bietet, was Punkrock zu sein hat. Nur leider scheint sich die Band damit auch schon komplett verausgabt zu haben, schaltet mit ’12:03′ sofort mehrere Gänge runter und bleibt da, für den ganzen langen Rest das Albums. Midtempo, gefällige bis uninspirierte Riffs, wenig Shouting – seit ‚Transgender Dysphoria Blues‘ (2014) scheint nichts passiert zu sein, was die vier Musiker zu besonderer musikalischer Aufregung veranlassen würde.

Das mag daran liegen, dass ‚Shape Shift With Me‘ eine thematisch sehr einseitige Platte geworden ist. Wird es uns doch vorgestellt als ein Album über die Liebe. Keine Politik, keine revolutionäre Gewalt oder post-revolutionäre Depression, nein, diesmal wird es persönlich. Der gediegene Charakter der meisten Songs könnte sich daher mit dem großen Sendebewusstsein erklären, das Laura Jane Grace mit der Veröffentlichung des Albums verbindet, wenn sie erklärend hinzufügt:

‚There’s been an infinite amount of records talking about what love means from a cisgender perspective. I wanted to present the trans perspective on sex, love and heartbreak.‘

Musikalisch wird das mit verschiedenen Einflüssen umgesetzt, wohl um zu zeigen, dass auch Love stories nicht immer nach dem gleichen Muster ablaufen. Da wird mit ‚Haunting, Haunted, Haunts‘ eine Rockabilly-Nummer eingeschoben, und für ‚Boyfriend‘ und ‚Norse Truth‘ wurde Cody Votolato (ja, der Bruder von Rocky) als Co-Songwriter hinzugezogen. Stimmlich geht Laura Jane Grace erst mit ‚Dead Rats‘ in die Vollen, aber das merklich angezogenen Tempo (‚Rebecca‘) hält nur drei Songs lang an. Nicht erst das abschließende ‚All This And More‘ entlässt den eingangs skeptischen Hörer mit der Bestätigung, dass die anfänglichen Bedenken leider berechtigt waren.

War ‚Transgender Dysphoria Blues‘ abwechslungsreich, wütend und mitunter rau, bewegen sich Against Me! mit ‚Shape Shift With Me‘ mal wieder auf einen gemainstreamten Rock zu. Die Lage ist noch nicht so dramatisch wie einst beim unseligen ‚White Crosses‘; da ist die Indie-Label-Heimat noch vor. Aber aufschreien um jeden Preis ist schon lange nicht mehr das Konzept der Band. Im Gegenteil: Laura Jane Grace nennt als ihre Inspiration die umfangreichen Lebenswerke von David Bowie (27 Alben) oder Prince (39 Alben). Und kündigt an, ebenfalls ihr Leben lang Alben zu produzieren und es anderen zu überlassen, sich über deren Einordnung den Kopf zu zerbrechen. Sicher, mit einem derart nivilliertem Punkrock, wie ihn ‚Shape Shift With Me‘ abliefert, lassen sich Dutzende Alben füllen. Nicht wenige Bands kommen mit diesem Konzept durch, die Massen wollen schließlich unterhalten werden.

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