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Dawn Of Eternity

Crystal Palace aus Berlin sind (nach knapp zwanzig Jahren Bandgeschichte durchaus verdient) endlich im direkten Blickfeld der Prog-Fans angekommen. Das letzte Album ‚The System Of Events‘ überraschte dabei mit einem härteren und düstereren Ansatz. Dieser wird, soviel vorweg, auf dem neuen Album nicht weiter ins Extrem getrieben, auch wenn der Opener ‚Confess Your Crime‘ (nach einem kurzen Intro) dies noch vermuten lässt. Obwohl die Gitarren gelegentlich immer noch braten dürfen, gehen Crystal Palace aber im Rest der Scheibe einen deutlichen Schritt zurück, wieder mehr zum entspannten, atmosphärischen, melodischen Neoprog britischer Prägung, mit starken Anleihen an mittlere Porcupine Tree und die neueren IQ-Sachen.

Die Schlagworte, die zu ‚Dawn of Eternity‘ einfallen, sind denn auch eher Genre-untypisch: Entspannt, atmosphärisch, melodisch und eingängig. Ja, Progrock, der ein durchweg positives Feeling ausstrahlt – das hatten wir schon lange nicht mehr. ‚Dawn of Eternity‘ wirkt für den harten Progger deshalb auf den ersten Blick womöglich sogar ein wenig unspektakulär. Crystal Palace verzichten hier konsequent auf jegliches Gefrickel, Düstergehabe oder gar übertriebenes Emo-Pathos. Der größte Pluspunkt dabei ist die Stimme von Basser/Frontmann Jenz Uwe Strutz, die ein wenig an Tim Bowness (no-man) erinnert und auch bei maximaler „Gefühligkeit“ nie in den Kitsch abdriftet.

Dazu gibt’s – ebenfalls an no-man erinnernde – perfekt eingesetzte elektronische Elemente, wunderschöne mehrstimmige Gesangsarrangements mit starken Anleihen an Porcupine Tree zu ‚Stupid Dream‘-Zeiten, getragene, elegische Soundflächen mit Gilmour-Ära-Floyd-Feeling und ein paar willkommene Pop-Anleihen an Bands wie U2 oder Tears for Fears (!).

Am besten bündelt die Stärken der Band der Albumhöhepunkt ‚Any Colour You Need‘, der in knapp über acht Minuten alles enthält, was an dieser Scheibe punktet und dessen Finale sich aufs erste Hören in den Hirnwindungen festbeißt. Aber auch das mit Robert- Fripp-Schüler und Crimson-ProjeKct-Gitarrist Markus Reuter eingespielte, getragene ‚Daylight After The Rain‘, das Coldplay-mäßige ‚Hearts On Sale‘ und den abschließenden Zweiteiler ‚Sky Without Stars’/’The Day That Never Ends‘ – komplett mit Gilmour-Gedächtnis-‚rigge-digge-rigge-digge‘-Gitarre – kann man als Anspieltipps festmachen.

Natürlich werden Crystal Palace mit diesem Album wohl nicht die Welt verändern, dafür mangelt es dann doch immer noch ein wenig an Alleinstellungsmerkmalen. Aber da die Songs und auch die Produktion durchaus mit denen der Genre-Größen mithalten können, ist das für Liebhaber melodischen Progs mit großen, oft auch poppigen Melodien eine empfehlenswerte Sache.

(geschrieben von Sascha Glück)

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