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Transitus


Rund eineinhalb Stunden eintauchen in eine andere Welt. Arjen Anthony Lucassen macht es möglich mit „Transitus“ (Mascot), seinem neuen Ayreon-Release. Eine episch-bombastische Rockoper kann man nicht mal eben auf 40 Minuten zusammenpressen, und so ist „Transitus“ wieder ein Doppelalbum geworden, das im Gegensatz zu früheren Werken keine Science-Fiction-Geschichte erzählt, sondern im Bereich des gotischen Horrors auf den Spuren von Edgar Allan Poe wandelt. Es geht um das fiktive Paar Abby und Daniel. Er ist gefangen in einer Zwischenwelt, nicht mehr lebendig, noch nicht tot. Es geht um eine tragische, verbotene Liebe, um Verrat und natürlich den Tod. Genug Stoff also für 81 Minuten Musik.

Mit dabei sind natürlich jede Menge bekannter Gäste wie Tommy Karevik von Kamelot, der gemeinsam mit Cammie Gilbert (Oceans Of Slumber) das besagte Liebespaar verkörpert. Die Liste der weiteren Mitwirkenden liest sich wie ein Who-Is-Who des Rock und Metals, so sind Michael Mills von Toehider, Paul Manzi (Arena), Amanda Sommerville, Simone Simons und Dee Snider ebenso mit von der Partie wie Joe Satriani und Marty Friedman oder Threshold-Drummer Johanne James, hier als Sänger. Apropos Who: Der englische Schauspieler Tom Baker ist als Erzähler zu hören. Baker wurde in den 70er Jahren durch die kultige englische TV-Serie “Dr. Who” als vierter Doktor bekannt.

Doch Ayreon beziehungsweise Lucassen fahren nicht nur große Namen auf, sondern überrollen den Hörer auch erwartungsgemäß mit breiter, cinematischer Musik. „Transitus“ ist ein Rock-Musical und wird von Dialogen getrieben, die den musikalischen Fluss immer wieder unterbrechen. Tracks gehen ineinander über, und richtige einzelne Songs, die man aus dem Kontext der Geschichte lösen könnte, gibt es nur wenige. Man muss sich also auf die Geschichte und ihre Darbietung einlassen können, die – dem Genre und der Story geschuldet – teils sehr sperrig daher kommt. Wem das gelingt, den erwarten höchst spannende und teils atemberaubende zwei Silberlinge.

Musikalisch beschreitet Lucassen ähnliche Wege wie bisher mit teilweise überraschen heftigen Gitarrenriffs wie auf  dem von Dee Snider markig interpretierten ‚Get Out! Now!‘, in diesem Fall eingespielt von Joe Satriani.
Statt Ed Warby sitzt jetzt übrigens Juan van Emmerloot am Schlagzeug. Es gibt viele kurze Zwischenspiele und immer wieder die von Tom Baker gesprochenen Introtexte, starke Chöre des Ensembles „Hellscore“, Pianoballaden und folkloristische Parts mit Flöte und Drehleier. Die orchestralen Arrangements passen natürlich gut zu der morbiden Geschichte und erinnern mehrfach an Tim Burtons Lieblingskomponisten Danny Elfman. Das ist schon fast zu viel des Guten. Beim ersten Hören fühlt man sich nahezu erschlagen und braucht mindestens ein bis zwei weitere Durchgänge, um alle stilistischen Element, progressiven Parts und nicht zuletzt die Story des Albums richtig zu erfassen. Nicht alle Melodiebögen gehen sofort ins Ohr, manches wirkt sperrig, und manchmal wünscht man sich richtige, längere Songs statt immer wieder kurzen Lied-Fragmenten.  Ein großes Lob aber an Cammie Gilbert, die in der Rolle der Abby eine außerordentlich starke Performance abliefert. Es gibt viele wirklich großartige Momente wie ‚This Human Equation‘ oder ‚Talk Of The Town‘.

Man muss sich „Transitus“  daher wahrlich beim Hören selbst erarbeiten.  „Transitus“ ist großes Ohrenkino, unter dem Strich aber nicht ganz so zugängig wie der Vorgänger „The Source“. Es ist damit nicht das beste Ayreon-Album geworden, aber wer Bombast, Musical und tragische Geschichten mag, wir hier bestens unterhalten.

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