What Should Not Be Unearthed

Wenn einem auf dem Plattencover eine pyramidenförmige, von Maden umringte und einem heiligen Skarabäus geschützte Grabtüre entgegen prangt, weiss der Kenner der Szene auch ohne auf das Bandlogo zu sehen, dass eine neue Platte der Todes-Ägyptologen von Nile ins Hause steht. Die hinter der Türe lauernde, rätselhafte Entität (das laut Albumtitel lieber nicht geweckt werden sollte) bietet metaphorisch durchaus die augenzwinkernde Analogie, was einen wohl an musikalischer Brutalität entgegen springen mag. Für ultra-derben Death Metal sind Nile schliesslich berühmt-berüchtigt. Dabei ist interessant, dass die vier Herren aus South Carolina ihren Sound im Gegensatz zum noch etwas progressiveren Vorgänger „At The Gate of Sethu“ auf „What Should Not Be Unearthed“ erneut variiert haben, ohne ihre Markenzeichen aus den Augen zu verlieren. Das Schlagwort zum neuesten Opus lautet nämlich „Groove“.

Nicht, dass das ein gänzlich neues Element beim Sound der Amerikaner wäre. Wobei natürlich noch die Frage wäre, was man unter „Groove“ genau zu verstehen hat. Im Bezug auf Album Nummer Acht sind damit immer wieder auftauchende langsamere, thrashige Elemente gemeint. Was absolut nicht bedeutet, dass Höllendrummer George Kollias seine Doublebass-Drum nicht schier bis zum Exitus mit seinen Rekord-Blastbeats malträtiert. Genau genommen beginnt das Album genau damit. ‚Call To Destruction‘ ist der pure Death-Metal-Irrsinn. Die Doppel-Gitarren schreddern die Gehörgänge blutig, rhythmisch ist der Song höchst anspruchsvoll mit etlichen Taktwechseln und zum Ende hin ist er da. Dieser groovige Beat, der inklusive einem jaulenden Gitarrensolo viel Thrash-Metal-Attitüde ausstrahlt, aber dem Song hervorragend zu Gesicht steht. Bei ‚Negotiating The Abominable Coils of Apep‘ rezitiert Frontmann Karl Sanders eine Beschwörungsformel aus dem ägyptischen Buch der Toten – und genau so klingt sein Sprechgesang in diesem Titel.

‚In The Name of Amun‘ stimmt mit seinen orientalischen Saitenklängen und sphärischem, weiblichen Gesang auf ein weiteres musikalisches Abenteuer ein. Der Song, der von Pharao Thutmosis grosser Schlacht von Meggido inspiriert ist, zeigt einmal mehr, wie innovativ die drei Herren sind. Hier wird nicht simpel ein Beat bis zum Ende durchgeknüppelt, die Riffs sind anspruchsvoll und liegen manch einem erst einmal quer. Die Klasse und der Varianentereichtum entfaltet sich bei dem beinahe sieben Minuten dauernden Song wie so häufig bei Nile erst mit der Zeit. Dann kommt das volle Breitseiten-Brett allerdings einer Offenbarung gleich. Das bereits vorab den Fans zugänglich gemachte ‚Evil To Cast Out Evil‘ ist in diesem Kontext ein Querschläger. Mit einer Eingängigkeit, die bei der Band nicht so häufig ist, hat der Song seinen ganz eigenen Charme und klingt so, als wären einige der bekanntesten Thrash-Metal-Bands auf einem Todestrip nach Ägypten von ein paar Mumien erschreckt worden. Also Klasse! ‚Age of Famine‘ fügt doomig-psychedelische Klänge zu den derben Growls hinzu, bevor ‚Ushabti Reanimator‘ das Adrenalin sinken lässt. Sanders zeigt hier routiniert, dass er auch die orientalische Laute beherrscht. Mit den Paukenschlägen von Kollias ist das Lied eine schaurige-schöne Anekdote darüber, eine Mumienstatuette zum Leben zu erwecken. Die beiden Titel am Ende, ‚Rape of the Black Earth‘ und ‚To Walk Forth From Flames Unscathed‘ schliessen Niles Opus Nummer 8 in punkto Zugänglichkeit versöhnlich ab. Keine Frage allerdings, dass auch hier wie auf allen Alben von Nile vollkommen eigenständiger Death-Metal auf hohem Niveau zelebriert wird.

DanielF

Harte Schale, weicher Kern. Chefredakteur und -metalhead in Personalunion und im "Nebenberuf" Sozialarbeiter, geht Daniels Geschmack von chilligem Americana (Cracker) bis zu kauzigem Indie-Rock (Eels), von klassischem Thrash (Metallica, Megadeth) bis modernem Death Metal (Deserted Fear), von opulent-schrägem Prog-Rock (Opeth, Gojira, Pervy Perkin) bis zu heftigstem Brutal Death Metal (Defeated Sanity, Wormed), von Bluesrock (Gary Moore, Anthony Gomes) bis Classic Rock (Alice Cooper, Queen) - um nur einen Teil zu nennen. Zudem hat er seit den frühen Neunziger Jahren ein leidenschafliches Faible für christliche Rockmusik in genau dieser stilistischen Bandbreite. 

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