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The Best Of Everything 1976-2016

So richtig hat Tom Petty den Megastar-Status hierzulande nie erreicht. Außer den Hitsingles der Jeff Lynne-Phase blieb Petty in Deutschland immer ein wenig der Underdog: heiß geliebt von den Fans, aber von der Masse oft als „ein wenig sonderlich“ abgetan. Dabei hat er es den Fans eigentlich nie so schwer gemacht wie ein Bruce Springsteen, der immer wieder mit kargen, rudimentären Akustikalben polarisierte – und erst recht nicht so schwer wie die Väter aller Musik-Trolls, Neil Young und Bob Dylan.

Wie durchweg hochwertig der Petty-Katalog ist, kann man nun auf dem Doppelalbum „The Best Of Everything 1976-2016″ nachhören. Auf zwei CDs gibt es eine fast komplette Werkschau, mit den Heartbreakers, solo oder mit Mudcrutch – nur die Traveling Wilburys mussten, vermutlich wegen der bekannten lizenzrechtlichen Probleme mit dem Material der Allstar-Band, außen vor bleiben. Das ist aber das Einzige, was man hier bekritteln kann. Mit Schwerpunkt auf den Singles gibt es nämlich zweieinhalb Stunden lang allerfeinsten US-Rock ohne einen einzigen Durchhänger. Ob Hits wie ‚Learning To Fly‘, ‚Free Fallin“ und ‚Into The Great Wide Open‘ (nein, das singt nicht Johnny Depp!) oder zu Unrecht hierzulande von Radio und Mainstream-Hörern übersehene Geniestreiche wie ‚Walls‘ (mit adäquat kauzigen Backings von Lindsey Buckingham), ‚The Waiting‘, ‚Southern Accents‘ oder ‚Here Comes My Girl‘ – Petty war ohne Frage einer der größten Songschreiber der Rockgeschichte, und hier gibt’s quasi das „Muss-man-kennen“ auf einem Album. Natürlich, Raritäten-Freaks und langjährige Fans, die den kompletten Backkatalog bereits besitzen, werden hier kaum fündig, eine längere Version von ‚The Best Of Everything‘ und das unveröffentlichte 200er Outtake ‚For Real‘ bleiben die einzigen Unveröffentlichten. Für die Jäger-und-Sammler-Fraktion gab’s ja aber vor Kurzem erst das „An American Treasure“-Boxset, hier geht’s um was Anderes: ein perfektes Autofahr-Album, das als Einstieg für jeden Petty-Neuling kaum zu schlagen ist. Vom Byrds-beeinflussten Jangle-Pop, der zu Pettys Markenzeichen wurde, dem Country-Rock von Mudcrutch, ein paar relativ rüden Rhythm&Blues-Abfahrten im Animals-Stil wie ‚American Dream Plan B‘ bis zu herzergreifenden Balladen wie dem Titeltrack oder ‚Insider‘, dem Stevie Nicks-Duett ‚Stop Dragging My Heart Around‘, dazu noch leicht Abseitigeres wie das psychedelisch beeinflusste ‚Don’t Come Around Here No More‘ – für Abwechslung ist gesorgt, dank des jederzeit erkennbaren roten Faden, der Pettys Karriere durchzog, wird die Bandbreite des Musikers wunderbar greifbar.

Abgerundet wird das Album von einem ausführlichen Essay aus der Feder von Cameron Crowe, dem Regisseur von „Almost Famous“ und „Vanilla Sky“, das zwar langjährigen Fans auch nichts Neues bietet, die Karriere des Musikers und seine Arbeitsweise aber höchst unterhaltsam und kompakt zusammenfasst. Unterm Strich also schlicht eine perfekte Einsteigerdroge ins Pettysche Gesamtwerk, die die „Greatest Hits“ von 1993 und „Anthology“ von 2000 aufgrund ihrer labelübergreifenden Zusammenstellung mit sofortiger Wirkung ablöst. Für all die, die sich schon länger mal was von Petty kaufen wollten: ja, hier ist wirklich alles so gut wie ‚Free Fallin“. Nicht nachdenken, kaufen!

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