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Restriction

Hoppla, ging das schnell! Ein Dreivierteljahr nach dem durchwachsenen Soundtrackalbum ‚Axiom‘ und dazugehörigem Kurzfilm schieben Archive nach und bringen einen zumindest vordergründig etwas handfesteren Longplayer unter die Leute. Die in ihrer britischen Heimat chronisch unter Wert gehandelten Stilshaker scheinen sich dabei in vornehmer Zurückhaltung zu üben, taufen ihn tiefstapelnd ‚Restriction‘. Von restriktiver Klangerzeugung allerdings ist hier weit und breit nichts zu hören, vielmehr hat die Band nun den Turbolader angeschmissen.

‚Restriction‘ macht keinen Hehl daraus, keine dramaturgischen Absichten zu verfolgen. Es kommt einem heillos verdrehten Zauberwürfel gleich, ist eher geflicktes Sammelsurium denn passgenauer Unibody-Album-Guss. Warum auch ins Museum gehen, wenn der Zirkus gerade in der Stadt ist? Und warum nicht einfach mal drei vollkommen unterschiedliche Singles zugleich auskoppeln?

Sicherlich trägt dieses stilwütige Album keinen Deut dazu bei, die eigenen Eindrücke von dieser Band zu festigen oder auch nur irgendwie zu ordnen. Allein die musikalische Rollenverteilung zwischen Pollard Berrier, Dave Pen, Maria Q und Holly Martin (Fan ist, wer sie alle (er)kennt!) ist nur mit Mühe zu übersehen. Auch stilistisch betrachtet starrt das Tatobjekt nur so vor Fingerabdrücken. Irgendwo zwischen Post-Rock, TripHop, Indie-Pop und Industrial beheimatet erzählt die Band um Darius Keeler und Danny Griffiths Anekdoten von der freien Liebe zur Musik und wohin diese so führen kann. Herausgekommen sind im Groben zwei Typen von Stücken: die windkanalartig durchbrausten, gesangsfokussierten Freiflächen (wie ‚End Of Our Days‘) auf der einen, die von angekratzten Synthies aller Art durchgekneteten Arrangier-Manöver (wie ‚Ride In Squares‘) auf der anderen Seite. Was innerhalb dieser Spannweite so alles passiert, lässt ‚Restriction‘ seinem Titel entgegen als regelrechtes Testlabor von einem Album erscheinen, eine Versuchskammer voller an- und eingerissener Soundscapes. Das Spektrum reicht von Sanftmut bis Aggression, ist mit allen Tempi per du und wann immer sich Kontinuität andeutet, beeilen sich Archive, die Muster zu zerschlagen, bevor der Lack sich härtet. Ein Bild, das man da deuten kann, wie man mag – Mut haben Archive allemal, den Hörer an ihrer Zerstreutheit teilhaben zu lassen.

Eine herrlich paradoxe, brainstormige Platte haben sie da gemacht, Keeler, Griffiths und Kompanie. Eine, die durch unbedingte Offenheit und nahezu manische Vielfalt der Zugänglichkeit den Weg abschneidet. Und die zu kapieren einiges an Zeit in Anspruch nehmen wird. Ob die trügerische ‚Restriction‘ als Flucht nach vorn gedacht war oder doch die endgültige Abkapselung besiegeln sollte, werden wir vermutlich nie erfahren. Eines aber muss hier umso mehr gelten: Wer sich nicht entscheiden kann, der nimmt einfach alles.

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