Soziale Medien, dieses Internet, die Netzwerke der modernen Musikindustrie - sie alle sorgen dafür, dass ein nicht versiegender Strom musikalischer Veröffentlichungen die Menschheit umspült. Die Spreu vom Weizen zu trennen, die Gesamtheit zu erfassen und ausreichend zu evaluieren, ist dem Einzelnen unmöglich, und doch schaffen es hin und wieder einige Interpreten, sich aus dem Mainstream zu erheben und einen Teil der kostbaren Aufmerksamkeit zu erhaschen. Durch Eigenschaften, die sonst kein Interpert bietet. In This Moment sind einer dieser Interpreten und Maria Brink ist die schillernde Frontfrau, die tief aus dem Einheitsgrau der vorbeischwimmenden Musikwelt schimmert und vor Allem live Maßstäbe setzt, wie auch am vergangenen Samstag in Berlin...

Doch was ist so besonders an In This Moment und Maria Brink? Es ist ihre Art, der einnehmende Charakter, der sich in den Liedtexten bis in tiefste emotionale Details offenbart und der Gegensatz zum Auftreten der etwas anderen Diva, die durch ihre offensichtliche Professionalität, durch ihr perfektes Schauspiel während der Shows eine unnahbare Distanz zum Publikum aufbaut. So nah und doch so fern.
Am vergangenen Samstag spielten In This Moment ein Konzert im Berliner C-Club, ein Fest der Gegensätze. Emotionaler Gesang in nach Empathie lechzenden Stimmlagen, erotisch aufreizende, fast burlesk wirkende Tanz-Choreografien und eine enorme Materialschlacht bestimmten den Abend. Kostümwechsel in Windeseile, von der schwarzen Witwe mit grausamen Krallen über die verführerische Krankenschwester im knappen Latexkittel bis hin zum verzweifelten Mädchen, das in unschuldigem Weiß ganz alleine auf der Bühne sitzt. Dazu eine aufwendige Kulisse mit diversen Lichteffekten, einer auf der Bühne installierten Umkleidekabine und zwei die Sängerin flankierenden Tänzerinnen. Ein Sperrfeuer der Sinneseindrücke, immer hart an der Grenze zum Massekurzschluss der Synapsen.
Die Setliste perfekt austariert zwischen verzweifelten Mitleid erregenden Klagegesängen und trotzig verführerischen Anschuldigungen der Gesellschaft und ihrer Moral. Das zentralistische Beleuchtungskonzept und die Energie Brinks lassen den Betrachter fast vergessen, dass noch vier andere Musiker auf der Bühne stehen – hätte man die Band durch ein Playback ersetzt, wäre es vermutlich kaum aufgefallen. Doch dies ist das Konzept der Band, die ihre Sängerin beim ersten Vorsprechen ablehnen wollte, weil Zweifel daran bestanden, ob Brinks Stimme der Dynamik der harten Musik gewachsen sei. Welch ironisch glückliche Fügung, dass die junge Mutter trotzdem im Proberaum erschien, vorsang und sofort akzeptiert wurde. Dass dies die Richtige Entscheidung war, belegen nicht nur die Plattenverkäufe und knapp neunhunderttausend Fans auf Facebook, sondern auch das Gefühl mit dem der Besucher an diesem Abend den C-Club verließ. Irgendwie chaotisch glücklich, fast ein wenig wie verliebt und definitiv noch lange Zeit nach Ende der Show am Verarbeiten von Eindrücken.
Setliste In This Moment:
The Infection
Sick Like Me
Black Widow
Adrenalize
Sex Metal Barbie
Burn
Into the Light
Beautiful Tragedy
Fallen Heroes
Drum Solo
Big Bad Wolf
Whore
—
Blood
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