ALICE COOPER und DORO – Zwei Headliner an einem Abend

Alice Copper spielt heute Abend in Lingen an der Ems. Mitgebracht hat der mittlerweile 76jährige Doro Pesch für das Vorprogramm, wobei der Begriff Support-Act hier nicht wirklich passend ist. Für emsländische Verhältnisse recht früh beginnt diese um Punkt 19.00 Uhr und hat die sehr volle, aber nicht ganz ausverkaufte Emslandarena direkt im Griff. Das Energiebündel spielt sich durch ihre 45 Minuten, als gäbe es kein Morgen. Dabei wird sie von nicht ganz 4.000 Zuschauer*innen schon wild abgefeiert, als wäre sie der Main-Act. Zahlreiche Shirts mit dem Konterfei von der Frontfrau sind in der Menge zu sehen, und insbesondere die Klassiker ihrer Ex-Band Warlock, die etwa die Hälfte des Sets ausmachen, werden bejubelt. Dass ein Opener bereits eine ganze Halle zum Mitsingen bekommt, wie beim abschließenden „All We Are“, kommt wohl eher selten vor.

Aber so sehr sich alle freuen, natürlich sind die Leute heute hier für Alice, der erst vor knapp einem Jahr sein aktuelles Werk „Road“ veröffentlicht hat, aus dem es allerdings mit „Welcome To The Show“ nur genau einen Song gibt. Ansonsten verlässt sich der Detroiter auf seine Hits. Gemeinsam mit seiner fünfköpfigen Band – einschließlich gleich drei Gitarren – macht er einen so dichten und perfekten Lärm, dass man kaum glauben mag, dass das alles gerade live passiert. Die Herren und die Dame verstehen ihr Handwerk und liefern den passgenauen Soundtrack für Mr. Cooper. Die Gäste feiern die Evergreens wie „No More Mr Nice Guy“ (bereits an dritter Stelle abgefeuert), „Hey Stoopid“ oder „Poison“, und das erstaunlich alterstechnisch sehr durchmischte Publikum singt jede Zeile mit.
In der Show (und genau das ist hier der richtige Begriff, es ist kein herkömmliches Konzert) ist alles durchgetimed, jeder Ton sitzt und der Sound in der Halle ist grandios. Wenig überraschend sind alle Einlagen, die seit Jahrzehnten funktionieren, dabei, ob die Zwangsjacke, die „Fotografin“, der vom „Man Behind The Mask“ die Kehle durchgeschnitten wird und natürlich auch die Guillotine („I Love The Dead“) kurz vor Schluss. Kaum eine Nummer wird auf mehr als vier Minuten gezogen, und zwischendrin bekommen alle Instrumentalisten (abgesehen vom Basser) einen Solo-Part (und Alice eine kurze Atempause). Auffällig ist, dass der Protagonist nicht ein Wort an das Publikum wendet, abgesehen von einem leisen „Thank You“ kurz vorm Finale, und der Vorstellung der Kapelle während des Rausschmeißers „Schools Out“. Dann ist nach 21 Songs in exakt 90 Minuten um kurz vor 22.00 Uhr ein mehr als unterhaltsamer und kurzweiliger Abend schon wieder zu Ende.
Den Begriff „Schockrocker“ haben wir uns bewusst bis ganz zum Schluss aufgehoben, denn schocken kann Cooper mit diesen Einlagen – im Gegensatz zu den Anfangsjahren, wo der Einlass ausschließlich Volljährigen erlaubt war – niemanden mehr, phasenweise wirkt es eher wie ein Hard-Rock-Musical. Aber hey, auch KISS haben vier Jahrzehnte immer wieder Blut und Feuer gespuckt, und wackelt Mick Jagger mit 80 nicht immer noch zu „Honky Tonk Woman“ mit dem Arsch und werden (bzw. wurden) sie nicht genau dafür geliebt? Genau! Heute Abend bekommen die Leute genau das, was sie bestellt haben (und zwar in erstklassiger Qualität!), und mit Doro einen gleichwertigen Co-Headliner zum Preis von einem mitgeliefert.
Man ist beim Rausgehen geneigt, den Kult-Film Wayne‘s World zu zitieren:
Wir sind unwürdig!


























Fotocredit: Wollo@Whiskey-Soda