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The Other I

‚Sister of my soul, my second self‘

– inspirierende Worte, fanden auch Colette und Hannah Thurlow während der Entstehung ihres neuen Albums. Und so war es der romantische Literat Percy Shelley, der den zwei Schwestern aus der Seele sprach und ihnen dazu verhalf ‚The Other I‘ zu schaffen – eine Ode an das Schwesternsein, ihr anderes Ich – die Beziehung zueinander und große Inspirationsquelle für den Albumtitel. Eingeschlossen in ihre eigene Welt, die Zimmerböden in London und Paris als Schreibbühne, verbinden Hannah und Colette erneut ihre mal leichten, mal schweren Gitarrenklänge und großen Stimmen, ihre Gedanken und postmodernen Texte zentriert in alltäglicher Angst für das Neue, Unerreichbare und die Ungewissheit einer ganzen Generation. Musikalisch bleiben sie auf bekanntem Terrain, lassen es sich aber nicht nehmen einen Schritt nach vorn zu wagen. So klingt ‚The Other I‘ größer, schwerer, imposanter, ohne dabei die düstere, minimalistische Atmosphäre zu verlieren, die 2:54 schon auf dem selbstbetitelten Vorgänger kreierten.

Bereits der Opener ‚Orion‘ setzt einen fulminanten Auftakt, der Großes verspricht: ein schwerer Bass, akzentuiertes Gitarrenspiel und ein düsterer Synthie-Teppich tragen Colettes Stimme behutsam über viereinhalb Minuten, die anfangs an 80er Hymnen à la The Cure erinnern. Der Maßstab wird hoch gesetzt, so freut es umso mehr, dass jeder Titel nahtlos anzuknüpfen scheint.

Die schweren Bässe, treibende Drums, die Liebe zum Detail und die harmonischen Gesänge werden dabei das große Merkmal des zweiten Werks der Schwestern: Sowohl auf der bereits veröffentlichten Single ‚Blindfold‘ als auch auf dem aggressiven ‚Crest‘ ist es Drummer Alex Robins, der den Songs das gewisse Etwas verleiht – seine Rhythmen sind der Motor für die rennenden Bass – und die dazwischen stechenden Gitarrenläufe Hannah Thurlows. Sie zimmert den romantisch-schaurigen Werken eine unglaubliche Spannung und gibt ihrer Schwester Raum für die hypnotisierenden Gesänge. Wie ein Echo aus weiter Ferne säuselt Colette von der Angst und der Alienation, wirft Fragen unbeantwortet in den Raum:

‚Will it ever leave me alone?‘

‚No Better Prize‘ avanciert durch die harmonische Verbindung so vieler einzelner Rhythmen und Gitarrenkänge zum Highlight der einstündigen Platte – gerade dann wenn aggressive Riffs durch die Stille schlagen.

Zwei musikalische Ausnahmen entschleunigen von der Intensität des Gesamtwerkes. Leicht und zerbrechlich erklingen allein die süßen Stimmen auf ‚Tender Shoots‘ und stimmen fast im Kanon verloren ihre Melodie an. Ein ungewohnt kurzer Song für 2:54, der auf einer Kurzgeschichte Colettes basiert. ‚The Monaco‘ präsentiert sich als eine kleine erfrischende Pause im Düsterwald mit akustischen Gitarren, einem poppigerem Sound und der großen Sehnsucht für die Ferne.

Einzig zum Schluss verliert das Album ein wenig an Intensität. Auch wenn sich ‚South‘ und ‚Glory Days‘ in die Atmosphäre des Albums einbauen, entsteht eine unnötige Länge, die dem Longplayer einen kleinen Abbruch verleiht. Umso überraschender wird man durch das schaurige ‚Raptor‘ aus der Hypnose gerissen und mit den hallenden Rufen Colettes in den Sog der treibenden Rhythmusgruppe hineinkatapultiert.

‚Calling / I’m calling / I can hear it‘

Sie rufen uns, die Zwei, und ziehen uns noch tiefer in ihren Bann.

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