|

Meh Suff Festival 2015 – Nile, Abbath und Kataklysm rocken die Schweiz

suffocation.jpg „Zu Beginn des Festivals allerdings ist dem Reporter-Duo das Glück nicht hold. Der ohnehin wegen beruflicher Verplichtungen verspätet geplante Festivalantritt wird durch Stau auf der Anfahrt noch zusätzlich verkürzt. Deprimierendes Ergebnis: Die ersten vier Bands des Festivals haben wir komplett verpasst. Angesichts der guten Organisation und Technik vor Ort kann man aber überzeugt sein, daß die Brutal-Death-Metaller Bloodtruth aus Italien, die heimischen Doomer Blood Runs Deep, die Australier Truth Corroded und Griechenlands Rotting Christ das zu diesem Zeitpunkt ohnehin erst langsam eintrudelnde Publikum überzeugen konnten. Nach Ankunft an der naturnahen Location auf einer großen Waldlichtung geht es für unsere Männer vor Ort am frühen Abend mit dem Auftritt der New Yorker Brutal-Deather von Suffocation los. Und wie es los geht! Mit größtenteils ultraschnellen und technisch anspruchsvollen Songs zeigen die fünf Herren dem Publikum, was ordentlicher Death-Metal ist. Gitarrist Tarance Hobbes tritt ohne sein Markenzeichen, die 70er-Jahre-Brille mit Riesengläsern auf, trifft seine Saiten aber auch ohne Sehhilfe wie der Meister, der er zweifellos an seinem Instrument ist. Frontmann Frank Mullen komminiziert zwischen den Songs eher nüchtern mit dem Publikum, dafür lässt er alle Energie WÄHREND der Songs mit seinen mächtigen Growls raus. Und das ist ja das Wichtigste! Überhaupt ist die ganze Band voller Energie. Der Drummer hämmert sich hinter seiner Schießbude die Finger wund und Bassist Derek Boyer lässt seine blonden Haare beinahe im Dauermodus kreisen, während er seinen Bass senkrecht auf den Boden stellt und wie einen Kontrabass spielt.

finntroll.jpg „In der ersten Reihe verfolgt ein Metalhead im Kindergartenalter auf den Schultern seines Papas das explosive Treiben und so vergeht der erste gelungene Auftritt wie im Flug. Das Wetter zeigt sich allerdings von seiner eher zickigen Seite: Bedeckt und unter 20 Grad, allerdings trocken. Frieren muß ohnehin niemand, denn die New Yorker animieren mit ihrer Power nicht wenige Metalheads zum mitmachen. Nach einer Umbaupause stürmen sechs langhaarige Trolle aus Finnland die Bühne, um melodischer und ausgelassener, aber fast genauso hart dort weiterzumachen, wo Suffocation aufgehört haben. Bei aller gräulicher Themen von bösen Trollen, Blut und Krieg sind die sechs Herren von Finntroll ein Garant für gute Laune. Bei den Trollohren und den folkigen Humppa-Polka-Einflüssen muß man einfach Schmunzeln und Tanzen. Eine Stunde lang wird geflötet, gegrowlt, im Rhythmus klatschend das Publikum angeheizt und gefeiert. Das Bier und der Met fließen in Strömen und so machen am Rande der Party bereits die ersten Metalheads erschöpft den Schirm zu und verschlafen das wunderbare Sextett. Zum Ende setzt die Mitgröl-Hymne ‚Trollhammaren‘ ein beeindruckendes Ausrufezeichen.

Nile.jpg „Als nächste Band steht niemand geringerer als die Pharaonen-Todesmetaller von Nile auf der Bühne, die derzeit gemeinsam mit Suffocation auf Europatour zu ihrem neuen Album sind: Das gerade mal eine Woche alte neue Baby ‚What Should Not Be Unearthed‘. Das Sänger-Gitarristen-Duo Dallas Toler-Wade und Karl Sanders sind bestens aufgelegt, lächeln entspannt und feiern ihr neues Album mit dem Publikum ab. Wahnsinns-Drummer George Kollias wirkt etwas abwesend (und ist auch Backstage nicht zum Plaudern aufgelegt), legt aber mit seinem Sound und seiner Hammer-Technik nichts desto trotz ganz Profi die Basis für die fette Sound- und Bühnenpräsenz der gesamten Band. Mit dem neuen Album im Gepäck zerlegen die Herren Toler-Wade, Sanders, Kollias und der neue Basser Todd Ellis die Bühne zu Kleinholz. Kracher wie das eingänge ‚Call To Destruction‘ und ‚Evil To Cast Out Evil‘ oder das epische ‚In The Name Of Amun‘ zeigen die Band in Bestform und wieder deutlich zugängiger als auf den beiden letzten Alben.

Abbath.jpg „Als Hauptact des Freitags konnten die Veranstalter die Black-Metal-Legende Abbath gewinnen – für einen seiner ersten Auftritte seit er nach einem Rechtsstreit mit seinen ehemaligen Kollegen von Immortal unter seinem Solo-Namen unterwegs ist. Trotz allem Gepose und grimmigem Getue macht der kultige Gründer der Black-Metal-Legende mit seiner neuen Band eine sehr gute Figur. Obwohl die Band zu Beginn mit einigen Sound-Problemen zu kämpfen hat, wissen sie ihren Kultstatus zu nutzen und schon bald mit kraftvollem Sound beim begeisterten Publikum anzubringen. Mit typischem Make-Up und Stachelarmbändern feuert der als Olve Eikemo geborene Musiker die Masse an und dirigiert sie mit Gesten und grimmigen Posen beliebig. Schlagzeuger „Creature“ mit Mantel und Teufelsmaske sieht kein Mensch – dafür kann man ihn hören. Die Songs von Immortal und I sind melodisch und Herr Abbath legt als Bonus noch eine schicke Feuerspuck-Einlage auf die Meh-Suff-Bretter. Feuer, Blut und Tod. Oder so ähnlich. Schade allerdings, daß kein ganz neuer Song präsentiert wird. Aber vielleicht ist es dafür schlicht zu früh – das erste Abbath-Album ist für Januar 2016 angekündigt. Der Applaus inklusive emporgereckter Fäuste und Metal-Hörner ist allerdings groß und als gegen Ende des Autritts der Regen einsetzt, scheint das Publikum zufrieden (oder betrunken) genug, um den Heimweg auf die naheliegende Campingfläche anzutreten. Das Nachsehen haben Female Nosebreaker aus dem nahe gelegenenen Winterthur. Nur zwei Handvoll besonders leidensfähiger Metalheads halten die gesamte Umbaupause über noch die Stellung, um die Brutal Deather mit dem moralisch fragwürdigen Bandnamen anzusehen. Auch Whiskey-Soda tritt den Heimweg nach einem schier schlagbaren ersten Festivaltag an. Der Samstag beginnt mit alkoholbedingtem Tod. Nein, wir sprechen nicht vom Gemütszustand der Festivalbesucher nach der durchfeierten Nacht. Wir meinen die Nachwuchs-Death-Thrasher Alcohol Related Death aus St. Gallen. Das frische Quartett aus der Ostschweiz ist mit eigener lokalpatrotischer Unterstützung angereist und natürlich gibt es passend zum Namen jede Menge Bier-Jokes. Die Schweizer Quasi-Death-Metal-Variante der Deutschen Gerstensaft-Metaller Tankard machen ihre Sache keineswegs schlecht und lassen die Riffs und Solos von Gitarrenmann Fritz ordentlich krachen. Der witzig-sympathische Sänger Hannes growlt im Keller herum, daß es die wahre Freude ist und so macht sich vor der Bühne in den Gesichtern der langhaarigen Anwesenden ein amüsiert-dümmliches Grinsen breit. Alkohol und Metal waren schon immer eine gute Kombination.

Die junge Thrash-Metal-Band Petrol Patrol aus Lausanne in der französischen Schweiz sorgt für die erste echte Überraschung am Festival. Wer zunächst nur die fünf Jungs in rosa und weißen Shirts, Surferhosen und weißen Turnschuhen sieht und müde lächelt, wird im Laufe der nächsten 45 Minuten eines besseren belehrt. Petrol Patrol gehören mit Support-Gigs im Dunstkreis bekannter Bands wie Nuclear Assault und einer vielgepriesenen EP zu den aufstrebenden Newcomern im Schweizer Metal-Untergrund. Und das hat einen schlichten Grund: Sie sind sehr gut! Die Rhythmus-Sektion sorgt für ordentlichen Groove, die Gitarren liefern Riff-Bretter und vor allem Sänger Sanders hat einiges auf dem Kasten. Hut ab, Monsieurs!

rottenness.jpg „Und „hola, cabrónes!“ Nein, wir sind jetzt nicht unverschämt geworden, sondern zitieren hier nur Rottenness-Gitarrist Jaleel Castillo, der mit seiner mexikanischen Metal-Lebensfreude alle anwesenden Metalheads grinsend und headbangend begeistert. „Prost, Leute! Das heißt doch „Meh Suff“ hier, oder? Also: Haut weg die Scheiße!“ Spricht’s und gibt nach einem ordentlichen Schluck aus der Tequila-Pulle und einer Nachspülung mit Red Bull mit dem nächsten Grindcore-Riffgewitter Vollgas. Und das ganz alleine, weder ein zweiter Gitarrist noch ein Bassist steht auf der Bühne am Waldrand. Der Mexikaner mit dem ausgewachsenen Irokesenschnitt ist das Energiebündel des Tages und die nur dreiköpfige Band eines der unumstrittenen Highlights des Tages. Reinrassiger Grindcore, dem der junge und eher zierliche Sänger Matthias eine ultra-brutale Stimme gibt. Nicht-musikalisches Highlight des Auftritts, vor allen Dingen in den vordersten Reihen: Die Hombres verteilen Tequila-Shots an ihre begeisterten Zuhörer, um am Ende die restliche Flasche in vertrauensvolle Hände zu geben. Das ist Heavy Metal!

artillery.jpg „Wo Rottenness sprühende Metal-Lebensfreude verbreiten, sind die dänischen Thrash-Veteranen von Artillery eher mit routinierter Gelassenheit am Start. Kein Wunder: Die Band hat abgesehen von Sänger Michael Dahl (seit 2013) mit Unterbrechungen weit mehr als 30 Jahre Bandgeschichte und sieben Alben auf dem Buckel. Inzwischen in Verehrung ergraut verbreiten die Herren um Gründer-Bruderpaar Stützer packende Metal-Vibes und punkten mit ihrem Untergrund-Kult-Status und dem jungen Sänger, der den Thrash-Riffs mit seiner Powermetal-Stimme einen frischen Dreh gibt. Obwohl um 17 Uhr auf dem Festival noch nicht sehr viel los ist, ist nach dem Auftritt bei Fans und Presse ehrfürchtige Begeisterung zu hören. Bei God Dethroned aus den Niederlanden wissen wohl nur echte Hardcore-Fans, wie der jeweils aktuelle, offizielle Bandstatus ist. Zweimal aufgelöst und wieder reaktiviert haben die Black-Deather um Bandleader Henri Sattler eine eher bewegte Geschichte hinter sich. Vielleicht muss man deshalb mit zwei gigantischen Petruskreuzen an den Bühnenseiten die eigene Identität stabilisieren? So bleibt der Auftritt der Holländer mit ihrem melodischen Mix aus Death- und Blackmetal dann auch gelungen, aber auch irgendwie blass. Nichts, woran man sich auch noch beim Meh Suff 2016 erinnern wird.

Equilibrium aus dem Bayrischen lösen da schon mehr Begeisterung aus, auch wenn die Schweizer Metalheads zunächst noch etwas reserviert sind. Kein Wunder, nach dem hervorragenden und feucht-fröhlichen ersten Festivaltag mag beim ein oder anderen Besucher noch ein Kater zur teils zurückhaltenden Mentalität der Eidgenossen hinzukommen. Die deutschen Pagan-Metaller bemühen sich mehr als redlich, Stimmung zu machen und ihr folkiger Metal ist dazu bestens geeignet. Die genau richtige Mischung aus harten Gitarren und Melodien sorgen dafür, daß die Stimmung im Publikum nach dem Auftritt deutlich gestiegen ist. Umso bedauerlicher, daß der gerade erst aufgeheizte Adrenalin-Spiegel der Meh-Suff-Metalheads direkt anschließend mit dem lahmsten Auftritt des Festivals unter den Gefrierpunkt gesenkt wird. Darkspace aus Bern wollen emotional berauschenden Ambient Black Metal liefern, der die Stimmung im Weltraum einfangen soll. Nun – im Weltall ist es arschkalt und todlangweilig, so viel steht fest. Und so gesehen passt das sphärische Riff-Geschwurbel, bei dem scheinbar jeder Ton unbedingt mindestens fünf Sekunden lang gehalten werden muss, zumindest ins Selbstkonzept der Band. An der überwiegenden Nicht- Reaktion des Publikums kann da auch die „gefährliche“ Black-Metal-Corpsepaint und der eine oder andere kaum als solcher erkennbare Growl nicht viel ändern. Bei Kerzen mit Kopfhörern auf dem heimischen Sofa mag das funktionieren. Auf einer Festivalbühne, auf der gerade noch die Post abging und auf der sich nun kaum etwas im blauen Nebel regt, ist es eine ziemlich lahme Nummer!

Immerhin stehen für den Countdown des Festivals noch drei völlig unterschiedliche potentielle Kracher in den Startlöchern. Nummer Eins sind Kataklysm aus Kanada, die ebenfalls ein neues Album mit in die Schweiz gebracht haben. „Of Ghosts And Gods“ heißt das 13. Studioalbum der Franko-Kanadier und zeigt auch auf der Bühne das, was die Band ausmacht. Überquellende Todesmetall-Energie, die sich über die Jahre in melodischere Gefilde bewegt hat, aber Kataklysm nach wie vor (oder gerade deshalb) zu den erfolgreichsten Death Metal Bands da draußen macht. Nächstes Jahr feiert man das 25. Jubiläum – welche Band dieses Genres schafft es da noch in die Top 30 der deutschen Albumcharts? So ist der Platz vor der Bühne beim Headliner des Samstags brechend voll – viele Metalfreunde scheinen alleine für Kataklysm ans Meh Suff gekommen zu sein. Neben ganz neuen Songs wie ‚The Black Sheep‘ oder ‚The Serpent’s Tongue‘ spielt die Bands eine ausgewogene Mischung von den Alben der letzten 15 Jahren. Ganz alte Klassiker finden sich nicht in der Setliste. Die Energie der Gruppe ist unbändig, ein echter Sound-Sturm entfesselt sich und das Publikum jubelt nach mehr. Zum Bedauern vieler gibt es leider keine Zugabe – immerhin stehen noch zwei weitere Bands auf dem Zeitplan.

alcest.jpg „Die erste davon ist Alcest um den 30-jährigen Stéphane Paut, der sich selbst nur Neige („Schnee“) nennt. Zumindest der Kunstname erinnert noch etwas an die Wurzeln im Blackmetal, die der Franzose spätestens mit dem letztjährigen Album „Shelter“ total abgelegt hat. Inzwischen ist der Multi-Instrumentalist mit seinem Mix aus Shoegaze und Post-Rock bei Publikum und Presse erfolgreich und beliebt, wie man an den erstaunlich zahlreich verbliebenen Besuchern eindrucksvoll erkennen kann. Im Gegensatz zu Darkspace passt hier das blaue Bühnenlicht zu den melodisch-melancholischen Klangvorträgen, die sich wie eine kunstvolle Perlenkette aneinander reihen. Eine Perlenkette aus unterschiedlichen Perlen wohlgemerkt, denn Neige spielt mit seiner Band insgesamt neun Songs aller vier Alben. So sind dann bei ‚Les Iris‘ vom Debütalbum noch deutlich mehr verzerrte Gitarren und Metal-Einflüsse zu erkennen als beim sieben Jahre jüngeren ‚Opale‘ von „Shelter“. Dennoch ist alles klar als Alcest zu erkennen und dem Publikum gefällts sehr. Neige kommt ruhig aber sympathisch rüber und der Applaus ist riesig und spricht für sich. Kein Wunder, die Setliste ist eine runde Sache mit viel Gefühl, Melodie und Einfallsreichtum.

Hideous_Divinity.jpg „Als Abschluss-Band hatten die Technical-Death-Metaller Hideous Divinity aus Rom eine anstrengende Anfahrt mit dem Bandbus auf sich genommen, um dennoch total begeistert vor dem Schweizer Publikum zu spielen. Wegen einem familiären Notfall nicht mit dem neuen Gitarristen Giovanni angereist, müssen die Signori zu viert ihren Mann stehen – womit sie nicht das kleinste Problem haben! Im Gegenteil: Sänger Enrico ist offensichtlich so richtig angepisst und entfesselt alleine die Power von drei Mann. Der studierte Phonologe hat nicht nur die Theorie zu seinem Fach, sondern auch die erforderliche Power, die auf der recht großen Bühne hervorragend zur Geltung kommt. Das mit rund 200 Mann zur fortgeschrittenen Stunde noch erstaunlich gut gefüllte Konzertgelände nimmt die authentische Leidenschaft der vier großartigen Musiker mit Begeisterung auf und so gibt’s um fast zwei Uhr nachts nochmal richtig Action auf UND vor der Bühne. Die vier Jungs präsentieren ihre technisch anspruchsvollen Songs mit vielen Taktwechseln und derben Riffs von ihren zwei Film-Konzept-Alben mit mehr Biss als die meisten Bands der beiden vergangenen Festivaltage. Und so liegt mit ‚As Fleshed Gospelled Pure Hate‘ sogar noch eine lautstark geforderte und mit symapthischer Bescheidenheit erfüllte Zugabe drin. Was für ein geiler Abschluß eines geilen und rundum gelungenen Festivals!

Fotos mit freundlicher Unterstützung von Raphael Schib.
Text und Fotos: Daniel Frick

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar