VAINSTREAM ROCKFEST – Münster Rock City

In NRW gibt es kein wirklich großes Rockfestival – behaupten viele. Nach dem Ende des Area 4 vor mehr als zehn Jahren und dem erfolglosen Versuch, in der Schalke-Arena eins zu etablieren, stimmte diese Aussage lange Zeit, zumindest was zweitägige Veranstaltungen anging. Immer schon gegen diese These sprach aber das etwas kleinere, dafür umso feinere Vainstream Rockfest in Münster, das seit fast 20 Jahren hochkarätige Unterhaltung auf dem Gelände der Halle Münsterland und des Hawerkamp bietet. In diesem Jahr findet es aber einerseits auch erstmals am Freitag und Samstag statt, und ist andererseits durch nun geschaffene Camping-Möglichkeiten auch eine echte Alternative zum Ring oder dem Hurricane, was das komplette Festival-Feeling angeht.

Auf insgesamt vier Bühnen gibt es ab mittags durchgängige Unterhaltung, wobei die beiden Hauptbühnen direkt nebeneinanderstehen. Das Gute daran: Die dort spielenden Bands geben sich unmittelbar die Mikros in die Hand, so dass es für die Gäste kein Leerlauf durch die sonst so nervigen Umbaupausen gibt. Etwas schade an diesem Konzept ist allerdings, dass die beiden abseitsstehenden kleineren Bühnen so relativ wenig Laufpublikum abbekommen, was bei dem dort stattfinden Angebot ein wenig schade ist. Musikalisch gibt es immer ein buntes Feuerwerk an Gitarrenmusik der verschiedensten Härtegrade, von Metal über Punk bis Ska ist alles vertreten. Eine weitere Besonderheit: Selbst die Headliner am Abend spielen kaum länger als eine Stunde, was für eine kurzweilige Unterhaltung sorgt, und alle Truppen zwingt, sich auf ein Best-Of zu konzentrieren.

Der Freitag

Es weht ein angenehm frischer Wind durch Münster, was die sommerlichen Temperaturen erträglich macht. Nach dem Einlass geht es zunächst durch die große Kongresshalle, in der eine riesige Halfpipe von Titus steht, auf der zahlreiche Skater ihre Tricks zeigen, und eine voll ausgestattete Open Stage Hobby-Muckern die Möglichkeit gibt, zu Hause erzählen zu können, auch auf dem Vainstream gespielt zu haben.

Der Nachmittag auf der Murder Redrum- und EMP-Stage gehört mit Thy Art Is Murder, Bury Tomorrow und Erra dem härteren Metal-Sound, was insbesondere die vielen Kuttenträger*innen in der Menge erfreut. Beim Versuch auf das kleine Gelände der MoreCore-Bühne zu kommen, um die Rocker von Spanish Love Songs zu schauen, wird man freundlich von den Security-Kräften darauf hingewiesen, dass hier nur der Ausgang ist und der richtige Eingang wird einem ein paar Meter gezeigt. Überhaupt hier mal ein Wort an die Sicherheits-Crew: Die Jungs und Mädels machen einen Hammer-Job! Die unzähligen Surfer werden sicher in den Graben gezogen, auf die Beine gestellt und mit einem Lächeln(!) Richtung Ausgang gebeten. Wo andere Großveranstaltungen mitunter höchst fragwürdige Mitarbeitende haben, haben die Vainstream-Macher hier ein super Team gebucht!

Kurz nach 18.00 Uhr gibt es dann Nachhilfe in Sachen Ska Punk von der Sondaschule und hier wird dann das erste Mal ausgiebig, laut und flächendeckend mitgegrölt. Direkt weiter geht es mit den Interrupters, die nahtlos anknüpfen und deren Frontfrau Aimee die Menge aufmischt. Keine Sekunde steht die Dame still und animiert alle zum Singen und Tanzen. Bei den Hives im Anschluss ist alles wie immer, und die Kapelle liefert ihre Hits in ihren üblichen Blitz-Anzügen.

Das Problem bei Festivals ist ja immer: Was schaut man sich an, mit der Folge, was verpasst man. Nach etwa 20 Minuten verlieren die Hives diese Entscheidung gegen Adam Angst. Die Jungs um Frontmann Felix hauen in 50 Minuten alles raus, und das Drum-Pedal kaputt. Da zunächst kein Ersatz in Sicht ist, funktioniert Drummer Johannes die Stand-Tom um, was für großes Amüsement und Anerkennung nicht nur auf der Bühne führt, aber den Trommler körperlich auch sehr fordert. Ein Glück ist kurze Zeit später eine Leihgabe da. Da Adam Angst der letzte Act sind, können sie mit dem Die-Ärzte-Klassiker „Schrei nach Liebe“ sogar noch eine Zugabe spielen, und das „Arschloch“ wird vom gut gefüllten Hof so laut gebrüllt, dass es hoffentlich bis nach Sylt zu hören ist.

Noch einmal geht es zurück auf das Hauptgelände, um die letzten Töne von Parkway Drive mitzubekommen. Nur wenige Minuten nachdem die letzten Akkorde verklungen sind, werden die ersten Bierbuden zugemacht und die Leute so indirekt zum Gehen veranlasst.

Der Samstag

Bereits am frühen Vormittag ist es mega warm in der Stadt, ein anstrengender Tag steht bevor. Gegen 14.00 starten ZSK und haben natürlich ihre Botschaft dabei, die aus 18.000 Kehlen mitgeschrien wird: Ganz Münster hasst die AFD! Sänger Joshi hat es sich vorm Gig nicht nehmen lassen, und war am Vormittag noch beim Parteitag der selbsternannten Alternative in Essen, um ihnen ein „Ständchen“ zu bringen. Ehrenmann!

Wo bereits gestern die Entscheidung, wen man sich anschaut, schwerfiel, ist es heute unerlässlich, sich immer mal wieder in den Schatten am abseitigen Gelände des Heaven-Beach zu begeben, und so leider den oder anderen Act zu verpassen. Dort taucht Joshi am Nachmittag dann noch ein weiters Mal auf, um mit Jan Müller von Tocotronic eine Folge dessen Reflektor-Podcasts aufzunehmen.

Tatsächlich sind heute die längsten Schlangen nicht vor den Toiletten und Bierbuden, sondern an den kostenlosen Wasserspendern. Es ist erstaunlich, dass trotz der Temperaturen keine Notfalleinsätze zu beobachten sind, aber die allermeisten Gäste sind hier sehr vernünftig in Sachen Gesundheit, deutlich weniger Becher sind mit Bier und stattdessen mit alkoholfreien Varianten gefüllt. Auf den Bühnen wechseln sich u.a. Gaslight Anthem und Ice Nine Kills ab, und begeistern ihren zahlreichen Fans, die jedes Wort mitsingen, auch wenn ob der dauerhaften Sonneneinstrahlung ein bisschen Zurückhaltung bei allen bemerkbar ist. Klare Ansagen gibt es wie zu erwarten auch von Feine Sahne Fischfilet, die zu reichlich Bengalos in der Menge jede Menge Freibier mitgebracht haben. Ein wenig schade ist dann bei Enter Shikari die noch frühe Tageszeit, denn deren aufwändige Licht-Show kommt so leider nur bedingt zur Geltung.

Dann ist es Zeit für die Lokalmatadoren von den Donots, die ihre Bandzentrale keine 500 Meter Luftlinie entfernt haben. Dass die Jungs gerne mal die ein oder andere schräge Idee haben, ist bekannt. Für den heutigen Tag haben sie per Instagram zwei Praktikanten gesucht, und ein angehendes Ehepaar hat den Job bekommen. Ihre Aufgabe ist es, während des Konzertes Glühwein(!) zu kochen und an die Meute zu verteilen. Als wäre das nicht schon schräg genug, wird zu „Kaputt“ ein Dixie-Klo von der Bühne in die Menge getragen, auf dem Ingo die Nummer zum Besten gibt. Dass in diesen Minuten Deutschland gegen Dänemark versucht, ins Viertelfinale einzuziehen, interessiert heute nur wenige, allerdings gibt es immer wieder bange Blicke in den dunkler werdenden Himmel. Leider ist nach einer dreiviertel Stunde schon wieder Schluss, und alles macht sich bereit, für den Headliner des Abends, die Dropkick Murphys.

Dann legen die Murphys fulminant los, Frontmann Al wirbelt wie ein Derwisch über die Bretter, während seine Mitstreiter den typischen Irish-Punk handwerklich gekonnt als Soundtrack liefern – aber nur kurz: Nach zehn Minuten ertönte eine Ansage des Veranstalters, der den sofortigen Abbruch der Veranstaltung erklärt, da es eine amtliche Unwetterwarnung gibt. Ein kurzes Pfeifkonzert ist die Folge, aber dann machen sich die Leute friedlich auf den Weg. Einzig die Kapelle will sich noch nicht geschlagen, und spielt – ein wenig an die Titanic erinnernd – noch bis zum anstehenden Untergang ein paar Minuten weiter, bis auch sie die Stecker ziehen muss.

Leider ein etwas abruptes Ende eines ansonsten rundum gelungenen Wochenendes.

Liebe Vainstream-Veranstalter:
Vielen Dank für dieses tolle Fest! Selten gibt es ein so unaufgeregtes und durchgehend entspanntes Groß-Event. Trotz der bunten Mischung an verschiedenen Genres, die auch ein entsprechend heterogenes Publikum anziehen, gab es zu keiner Zeit Stress, Ärger oder Pöbeleien, was auch ein Verdienst Eurer extrem freundlichen und hilfsbereiten Mitarbeitenden in allen Bereichen ist. Macht unbedingt genau so weiter.

Und hey: NRW hat spätestens seit diesem Jahr definitiv wieder ein großes Rock-Festival, und ab dem 01.07.gibt es hier direkt die Tickets für das kommende Jahr, wir empfehlen den frühzeitigen Kauf, denn in diesem Jahr waren beide Tage ausverkauft.

Fotocredit: Wollo@Whiskey-Soda

Ähnliche Beiträge