Schlagwort: Heavy Metal

The Book Of Souls

Ende dieses Jahres, genauer genommen am 25. Dezember, wird die Metal-Institution Iron Maiden ihr 40. Jubiläum feiern. Und eigentlich gäbe es jetzt Unmengen an Geschichten und Hintergrundwissen über dieses Phänomen zu berichten. Doch dafür empfehlen sich wärmstens die diversen DVDs wie z.B. der Film „Flight 666“. Ganze drei Dekaden haben die Herren die Metalwelt verblüfft, begeistert, geprägt und mit unsterblichen Songs beschenkt. Generationen von Bands berufen sich auf die Eisernen Jungfrauen als ihre grössten musikalischen Vorbilder und Maskottchen Eddie ziert nicht nur die Albumcover und ist während den Live-Shows ein wichtiger optischer Bestandteil, sondern genießt auf der ganzen Welt Kultstatus.

Gibt es eigentlich etwas, das über Iron Maiden noch nicht erzählt wurde? Richtig. Ein neues Album. Fünf Jahre liegen zwischen dem letzten Studio-Output „The Final Frontier“ und dem heiß erwarteten „The Book of Souls“. Fünf Jahre, während derer die mittlerweile an die 60 Lenze klopfenden Herren einerseits mit der „The Final Frontier“ Promo-Tour und zuletzt mit der beliebten und äußerst erfolgreichen Retro-Tour „Maiden England“ die ganze Welt bereisten. Die Welt hat noch nicht genug Eisen; Alt und Jung feiern die immer noch motivierten und spielfreudigen Mannen, bis anfangs 2015 eine Nachricht die Metal-Welt in Atem hält: Bei Frontmann Bruce Dickinson wird ein Tumor auf der Zunge diagnostiziert – er unterzieht sich einer entsprechenden Behandlung. Das Album ist zwar bereits im Kasten, doch die Band beschließt, den weiteren Prozess zu unterbrechen, bis über Dickinsons Zustand eine definitive Diagnose gegeben werden kann. Erst die erlösende Botschaft des besiegten Tumors führte die Herren wieder ins Studio, wo Opus Nummer 16 noch den letzten Schliff erhielt.

Das erste Studio-Doppelalbum der Bandgeschichte kündigte sich mit seinen monumentalen 92 Minuten und dem bisher längsten Stück (Das 18-minütige ‚Empire of the Clouds‘ löst den bisherigen Rekordhalter ‚Rime of the Ancient Mariner‘ mit 13 Minuten ab) als ein weiterer harter Brocken innerhalb der progressiven Soundevolution von Iron Maiden an. Nicht alle Maiden-Fans der ersten Stunde können gleich gut mit der Entwicklung der Post-Reunion-Alben leben. Doch ‚Speed of Light‘ donnert überraschend direkt, simpel und mitreißend aus den Boxen und man fühlt sich umgehend in die 80er-Ära versetzt. Aber das ist nur der Anfang. Wer bei den letzten beiden Alben „A Matter of Life and Death“ und „The Final Frontier“ schon fast verzweifelt versucht hat, sich durch den sperrigen Soundnebel zu kämpfen, um Maidens Schätze auch in den progressiven Strukturen zu entdecken oder sich schlicht die Scheiben nahezu „schön hören“ musste, der darf durchatmen: „The Book of Souls“ führt diesen Weg nicht fort.

Bereits der Opener ‚If Eternity Should Fail‘ bleibt sofort im Ohr hängen und besticht nebst großartigem Refrain durch die typische Instrumentierung und die zweistimmigen Gitarrenharmonien, die trotz ihrer Einfachheit Maiden zu dem gemacht haben, was sie heute sind und sie in einer eigenen Liga spielen lässt. Genau diese (wiedergewonnene) Zugänglichkeit zieht sich durch das gesamte Album, das zudem wieder mit etwas druckvollerer Produktion daherkommt und seine Trümpfe klar offenlegt: Bruce ist in Höchstform und man würde nie im Leben darauf kommen, dass der gute Mann bereits während der Aufnahme-Sessions einen Tumor auf der Zunge hatte. Das Gitarrentrio Murray/Smith/Gers liefert sich Riff- und Solobattles par excellence und zeigt wahrscheinlich zum ersten Mal so richtig, wie man drei Gitarren markant und optimal einsetzt. Über den Rhythmusteppich Harris/McBrain braucht man sowieso keine weiteren Worte verlieren. Einzig ein nicht unwesentliches Detail sei hierbei angefügt, welches vor allem das Songwriting betrifft: Mastermind Steve Harris hat sich auf „The Book of Souls“ erstaunlich zurückgenommen und fungiert zwar bei sechs Songs als Co-Writer, überlässt aber beim Großteil die Feder hauptsächlich Dickinson und Gitarrist Adrian Smith. ‚The Red and the Black‘ ist die einzige reine Harris-Komposition auf dem gesamten Doppelalbum. Ein 13-minütiger Marsch – den man durchaus als ‚Rime of the Ancient Mariner – Teil 2‘ bezeichnen könnte und der sich mit seinen Riffs, Solos und Mitsingparts nahtlos in die Reihe der ganz großen Hits der Bandgeschichte einreiht.

Im über zehn Minuten langen Titeltrack geht’s ebenfalls monumental, aber etwas sphärischer zu. Statt dem oft beanstandeten Recycling früherer Ideen spielen Iron Maiden hier herausragend in neuer Frische auf. Überhaupt erlebt man auf dem gesamten Album eine Spielfreude und Inspiration, die sich ohne progressive Umwege offenbart. Knackige Nummern wie ‚When The River Runs Deep‘, ‚Death Or Glory‘ oder das fantastische ‚Shadows Of The Valley‘ klingen beim ersten Anhören zunächst vielleicht austauschbar. Hört man einmal die großartige Instrumentalisierung und das einzigartige Zusammenspiel der Band heraus, wird schnell klar, auf welchem Niveau man sich befindet. Auch bei den etwas ruhigeren Stücken ‚The Great Unknown‘, ‚Tears Of A Clown‘ (eine Hommage an den verstorbenen Schauspieler Robin Williams) oder ‚The Man Of Sorrows‘ verliert man sich nicht in Langeweile, sondern baut auch dort gekonnt ein Emotionsgerüst auf. Und dann wäre da ja noch der Abschluss des Albums, ‚Empire Of The Clouds‘. Sowas hat man von Iron Maiden in dieser Form noch nie gehört: Piano, Violine und ein Einstieg, der wie aus einem Kinosoundtrack anmutet und dann eine Soundkulissenentwicklung, die einem während 18 Minuten nur noch Gänsehautfeeling verschafft. 18 Minuten mögen nach viel klingen, aber keine einzige Sekunde dieses Stückes, in dem das tragische Unglück des Verkehrsluftschiffs R101 musikalisch verarbeitet wird, ist zu viel. Schlicht meisterhaft!

Fazit? Die Erwartungen an eine Band wie Iron Maiden sind verständlicherweise groß. Doch daß die sechs Briten in ihrem Alter noch imstande sind, während 92 Minuten ein solches Feuerwerk abzuliefern, war ihnen nicht zuzutrauen. Besser als auf diesem Album kann Iron Maiden Anno 2015 wohl nicht klingen. Kann sich „The Book Of Souls“ also gar mit den Klassikern aus den 80ern messen? Schwer zu prognostizieren; das wird der Test der Zeit offenbaren. Aber eines steht bereits jetzt fest: „The Book of Souls“ ist zweifellos das stärkste Album der Post-Reunion-Ära.

geschrieben von Rosario Fazio

Accept – Profis machen Heavy Metal!

In puncto Live-Professionalität gibt es wohl kaum ein Genre, das es mit dem Oldschool-Heavy-Metal aufnehmen kann. Das ist zumindest der Eindruck, den man beim letzten Accept-Konzert im Berliner Huxleys bekommen konnte. Fernab von Star-Allüren, Technikpatzern oder merkbarem Security-Stress stellten die Solinger eine rundum runde Show auf die Beine, die das Fan-Herz höher schlagen ließ.

Of Light And Shade

Zwei Cousins gründen 1993 in einer Kirche in Norwegen eine Band. Eine Band, die ihrer Zeit weit voraus ist. In den folgenden 11 Jahren kämpfen Extol mit ihrem einflußreichen Progressive Death Metal gegen alle möglichen Widerstände an. Die sind groß, denn die talentierten und ambitionierten Musiker brechen ein Tabu: Sie spielen Death Metal, sind aber bekennende Christen und machen auch in ihrer Musik keinen Hehl daraus – im Gegenteil. Mehr Rebellion geht wohl kaum in einer Szene, die überwiegend mit anti-religiösen Inhalten in Verbindung gebracht wird, wie auch Hank von Helevete (Ex-Turbonegro) in der vorliegenden Dokumentation beinahe ehrfürchtig bekennt. So kämpfen Extol von Beginn an an zwei Fronten: Gegen die beinahe instinktive Ablehnung als christliche Metalband durch einen Großteil der Metalszene, in der einzelne schon einmal ein ganzes Konzert mit ausgestreckten Mittelfingern begleiten. Viel mehr aber noch gegen engstirnige christliche Leiter, die ihre Musik verteufeln und zu Boykott, Gebetsnächten gegen die „abtrünnigen“ Musiker und sogar CD-Verbrennungen (!) aufrufen.

Doch die jungen Künstler halten an ihrem Traum fest, mit ihrer Musik Menschen ein anderes Bild vom christlichen Glauben zu vermitteln. Der Idealismus wird belohnt, die Bekanntheit steigt, Kritiker und bekannte Musiker zeigen Bewunderung, die Fangemeinde wächst. 2004 kommt es dennoch zu einem ersten Bruch: Zwei Gründungsmitglieder verlassen die Band um sich ihren jungen Familien zu widmen. Die verbliebenen Bandmitglieder müssen beinahe bei Null beginnen, schaffen es aber nach eigener Aussage durch ein Wunder (Gottes) im darauffolgenden Jahr, das vierte Album „The Blueprint Dives“ zu veröffentlichen. Das Werk zeichnet sich durch einen signifikanten Stilwechsel aus und kostet die Band Fans der ersten Stunde, wird aber für den norwegischen Grammy nominiert. Es folgen Touren mit Mastodon und Opeth, der mehr als verdiente Durchbruch liegt spürbar in der Luft. Dann der Schock: Sänger und Bandleader Peter Espevoll erkrankt an einem Tinitus und Panikattacken – und steigt als Folge 2007 aus der Band aus. Die Freunde in der Band sind fassungslos, die Fans nehmen ohne größere Erklärungen und daher mit vielen Fragezeichen zur Kenntnis, daß die Band auf Eis liegt.

Fünf Jahre später beginnt die erfolgreiche auf Filmfestivals und im norwegischen Fernsehen aufgeführte Dokumentation mit einem intimen Einblick in den Alltag von Peter Espevoll, der sich von Frau und Kind verabschiedet, um mit seinen Freunden Ole Borud und David Husvik ein neues Extol-Album auzunehmen. Der Film begeitet während 70 Minuten die Band beim ersten Treffen seit langem von Songwriting-Sessions in Boruds Wohnzimmer und ersten Proben über die Produktion des Albums, beim Shooting von Pressefotos und dem Mix in Jens Bogrens bekannten Fascination Studios bis zur Album-Release-Party von Album Nummer fünf, schlicht aber tiefgründig „Extol“ betitelt. Dazwischen kommen musikalische und geistliche Bewunderer und Wegbegleiter genauso zu Wort wie ehemalige und aktuelle Bandmitglieder. Vor allem letzteren merkt man bei ihren ehrlichen und nicht immer einfachen Einblicken in die Geschichte der Band mit ihren Höhen und (vor allen Dingen) Tiefen an, daß Extol über eine „begeisterte Band aus Jugendfreunden“ weit hinausgeht.

Der Film ist nicht etwa deshalb stark, weil er die Geschichte einer Pionierband nachzeichnet, sondern weil er unverfälscht und beeindruckend die Persönlichkeiten hinter der Band porträtiert: Espevoll, Borud und Husvik sind Menschen wie Du und Ich. Metalheads, Väter und Ehemänner, die wie wir alle mit Lebenskrisen zu kämpfen haben, aber ihre eigene Art haben, mit diesen umzugehen. Nicht die Freundschaft, nicht der Humor und auch nicht das gemeinsame Musizieren sind das Fundament von Extol, sondern ihr authentischer Glaube an den christlichen Gott, der besonders in den verletzlichen Momenten der Interviews überdeutlich als tiefe, gelebte Überzeugung erkennbar wird. Auch wenn die Zukunft der Band und vor allem Live-Auftritte aufgrund Espevolls anhaltender Krankheit ungewiss sind – die Jungs von Extol werden ihren Weg gehen. Mit der Hilfe ihres Gottes. Fans innovativer Metalklänge dürfen hoffen oder beten, daß es als Band geschehen wird. Gereifte Persönlichkeiten, die ihre Überzeugungen in diese kaputte Welt tragen, braucht es mehr denn je.

Heavy Metal Thunder (Re-Release)

Glücks- oder Unglückstag? Dieser Freitag, der 13., ist auf jeden Fall Saxon-Tag. Denn gleich zwei alte Werk werden am 13. Februar erneut veröffentlicht. Neben der unterhaltsamen Doppel-DVD „The Saxon Chronicles“ mit Bonus-CD „Rock’n’Roll Gypsies“ erscheint auch die Neuaufnahmen-Compilation „Heavy Metal Thunder“ zum zweiten Mal, auch sie mit einer Bonus-CD. Darauf enthalten ist Saxon-Konzert beim Bloodstock Festival 2014.

Bei „Heavy Metal Thunder“ handelt es sich um ein Greatest-Hits-Album voller Neuaufnahmen. Man kennt das ja: „neue Energie“, „moderner Sound“ heißt es dann immer. Manchmal steckt auch eine rechtliche Geschichte dahinter. Die Neuaufnahmen sind nicht schlecht und das mit dem modernen Sound stimmt auch. Aber wer braucht sie, wenn die alten Songs schon grandios waren? Im großen Saxon-Katalog gehört „Heavy Metal Thunder“ eindeutig zu den entbehrlichen Werken.

Ein Teil des Materials auf „Heavy Metal Thunder“ erscheint jetzt übrigens schon zum dritten Mal. Ganze acht Songs waren nämlich schon 2001 als Bonus-Tracks erhältlich – auf der Limited Edition des Studioalbums „Killing Ground“. Nur ein Jahr später kam dann die neue Verpackung als Pseudo-Greatest-Hits-Scheibe. Zwölf Jahre später ist „Heavy Metal Thunder“ zwar immer noch entbehrlich, aber die neue Bonus-CD verdient zumindest ein Ohr.

Aufgenommen im englischen Walton-on-Trent, beim mittlerweile renommierten Metal-Festival „Bloodstock Open Air“ bietet die zweite CD die Standard-Saxon-Setlist mit zwei neueren Songs („Sacrifice“, „Battalions Of Steel“) und ganz vielen Klassikern, die der geneigte Fan bereits zahlreich im Schrank stehen hat. Das Konzert spielen Saxon gewohnt souverän runter. Der Sound könnte allerdings etwas druckvoller sein, Biff etwas präsenter. Es ist nicht das Live-Album, was man einem Saxon-Neuling zum Einstieg empfehlen würde.

Und so bleibt „Heavy Metal Thunder“ auch im neuen Gewand bzw. mit Ergänzung eine Randnotiz im umfangreichen und in weiten Teilen großartigen Saxon-Katalog. Eine Anschaffung lohnt sich in diesem Sinne nur für absolute Komplettisten. Von einem Unglückstag muss man deswegen aber nicht sprechen.

The Saxon Chronicles (Re-Release)

Saxon und kein Ende. Auch in 2015 veröffentlichen die Mannen um Biff Byford fleißig altes und neues Material. Den Anfang macht neben der erweiterten Neuauflage der Compilation „Heavy Metal Thunder“ die unterhaltsame DVD „The Saxon Chronicles“, eine umfangreich bestückte Doppel-DVD, die jetzt erstmals mit einer Bonus-CD veröffentlicht wird.

Auf der ersten DVD ist das Wacken-Konzert von 2001. Natürlich keine spektakuläre Neuentdeckung zeigt es Saxon aber von ihrer besten Seite, mit haufenweise Krachern wie „Heavy Metal Thunder“, „Solid Ball Of Rock“ oder „Princess Of The Night“. Als Bonusmaterial gibt es ein skurriles Interview mit Biff. In einer knappen Viertelstunde antwortet der Frontmann auf Fragen wie „Warum habt Ihr Saxon gegründet?“. (Biffs Antwort: „Um Musik zu machen, viel Sex und viel Spaß zu haben .“)

Die zweite DVD ist deutlich spannender. Sie beginnt mit einer Mischung aus Tour-Homevideo und Live-Show vom Esbjerg Rock Festival 1995, allerdings leider mit nur drei Tracks: „747“, „Princess Of The Night“ und „Wheels Of Steel“. Sei’s drum, Höhepunkt sind ohnehin die Musikvideos aus verschiedenen Stationen der Saxon-Karriere. Auch davon gibt es zu wenige, nämlich nur acht, aber die haben es in sich mit viel Metal-Nostalgie und ein bisschen unfreiwilliger Komik. Biff in seiner engen bunt gestreiften Spandex muss man gesehen haben. Obendrauf bietet „The Saxon Chronicles“ noch eine Sammlung von TV-Ausschnitten, Interviews, Show-Gigs und etlicher interessanter Dinge.

Brandneues Schmankerl ist aber die Bonus-CD „Rock’n’Roll Gypsies“. Es handelt sich um das Live-Album von 1989, das mittlerweile nicht mehr ganz so leicht zu bekommen ist. Die Setlist ist aus heutiger Sicht mit Raritäten gespickt, nachdem Saxon Mitte/Ende der 80er drei Alben mit (hervorragendem) kommerziellen Hardrock veröffentlicht hatten. „Broken Heroes“, „Northern Lady“ und „I Can’t Wait Anymore“ hört man heute nicht mehr auf Saxon-Konzerten. Auf „Rock’n’Roll Gypsies“ hört man noch den Arena-Rock-Sound der ausgehenden 80er. Das hervorragende Album ist als Bonus-CD eigentlich zu schade und hätte eine alleinstehende Veröffentlichung verdient.

Dessen ungeachtet hat „The Saxon Chronicles“, wenn auch etwas wild zusammengewürfelt, etwas von einer Saxon-Schatzkiste. Dieses und jenes ist drin, vieles davon mit hohem Wert für Saxon-Begeisterte. Wer sich dazu zählt, die erste Ausgabe noch nicht hat und den Preis von über 20 EUro nicht scheut, wird seinen Spaß haben.

Saxon – Live und laut in Bremen

Es ist die Nacht vor Halloween, die auch unter dem Namen Devil’s Night bekannt ist. Leichtgläubige Menschen könnten satanische Rituale vermuten, als sich diesen Abend immer mehr überwiegend schwarz gekleidete Gestalten vor dem Bremer Aladin versammeln. Aber nein, das sind natürlich alles nur harmlose Rocker und Schwermetaller, die auf den Einlass in den alten ehrwürdigen Rockclub warten, der heute von zwei Urgesteinen der Szene programmgemäß zerlegt werden soll. Ein hochkarätiges Line-Up ist angekündigt, und so ist die Schar der Fans auch bereits vor der anvisierten Einlasszeit recht groß: Biker, Rocker, Metaller, ganz gleich ob lang- oder kurzhaarig, Männlein oder Weiblein, sie alle wollen heute im Aladin abrocken. Gut Ding will aber Weile haben, denn zunächst verzögert sich die Öffnung der Türen um rund eine halbe Stunde, da der Soundcheck wohl etwas länger als geplant gedauert hat.

Fallen Angels

Die Zeiten haben sich geändert: Internet, Cyber Wars, Chirurgische  Kriege, Genmanipulation, seelenlose Castings-Bands und Generationen im Entertainment-Rausch. Eine entwurzelte Welt öffnet sich vor einem. Gut zu wissen, dass es aber auch Dinge gibt, die in sich und in ihren Wurzeln ruhen. Der mächtige Cronos und Venom gehören dazu. Seit der „In League with Satan“-Single von 1981 hat sich bei Venom eigentlich nicht viel geändert, die Band ist sich immer treu geblieben. Das wirklich Böse stirbt eben nie.

Mit der dreizehnten Schwarzrille untermauern Cronos und seine Mannen ihre Stellung in der Heavy Metal-Gemeinde, Venom ist nicht auf der Historie weg zu denken. Vorsichtig hat sich die Black Metal-Legende der modernen Zeit angepasst und dabei kein Stück an Authentizität verloren. „Fallen Angels“ poltert so gewaltig aus den Lautsprechern wie einst das Meisterwerk „Black Metal“, das einem ganzen Genre den Namen gegeben hat. Ungeschliffener Heavy Metal bereitet den roten Teppich für den Antichristen, „Hail Satanas“, während „Pedal to the Metal“ versinnbildlicht das Konzept von „Fallen Angels“: Heavy as Metal can get!

Shakespeare in Black Metal

Während andere Metal-Legenden ihre Untertanen zusammen mit abgehalfterten Lyrikern langweilt, verbreiten Venom immer noch Shakespeare-Atmosphäre. Dramaturgisch entfalten sich die 13 mächtigen Kompositionen bei großer Lautstärke am eindrucksvollsten und pendeln zwischen energischen Up-Tempo-Nummern à la „Nemesis“ und walzendem Metal wie „Annunaki Legacy“. Düsteres Textgut wird in Form von „Valley Of The Kings“ vorgetragen. Cronos brüllt, kreischt, grunzt und erzählt in seiner unnachahmlichen fiesen kehligen Art. Mit „Punk’s not Dead“ lässt das klassische Trio noch einmal ihre Vergangenheit Revue passieren und klopft sich für all die gute Musik aus dem tristen Newcastle selber auf die Schulter.

Venom spielen uns seit 30 Jahren den „Blackened Blues“ und das mit einer feurigen Inbrunst als stehe Armageddon direkt vor der Tür. „Fallen Angels“ reiht sich nahtlos in eine legendäre Karriere und fällt weitaus stärker aus als die ein wenig laueren Vorgänger-Alben „Metal Black“ und „Hell“. 

Homepage von Venom

Homepage von Spinefarm Records

Dynamo Classic Concerts 1991

Auf den Höhepunkt der Karriere sollte eine Band abtreten, um in guter, unvergesslicher Erinnerung zu bleiben. Diese Weisheit gilt besonders dann, wenn Auflösungserscheinungen den Stern zum Sinken zwingen. Wer will schon enden wie die Heavy Metal-Klapse Metallica? Leider ist der Name Metal Church auf dem besten Weg dorthin.

Nach der peinlichen „Masterpeace“-Reunion, zwei weiteren enttäuschenden Reanimationsversuchen seitens Kurdt Vanderhoof und noch peinlicheren Konzerten in 2007, sind die zwölf Songs vom Dynamo 1991 eine Wohltat für die Ohren und für das Herz. Denn dieses schlägt für Metal Church, wenn es um authentischen, energiegeladenen Heavy Metal geht. Auf der Höhe ihres Schaffens servierte das Power Metal Quintett aus Seattle einen Auftritt, der beweist, das Metal Church einer der großen Metal Bands waren.

Mit der wohl besten Rhythmusmaschinerie, Kirk Arrington und Duke Erickson, und einem der besten Metal-Sänger, Mike Howe, feiern Metal Church die Highlights ihrer ersten vier großartigen Alben ab, die allesamt zu Klassikern geworden sind. Ob der Power-Song „Date with Poverty“, das ausdrucksstarke „Fake Healer“ oder der Speed-Kracher „Ton of Bricks“ als auch die absoluten Klassiker „Beyond the Black“ und „Metal Church“, alle zwölf Songs sorgen für Gänsehaut. Unterstützt wird das Video-Dokument durch einen guten bis sehr guten Sound und eine spannende Regie. Die sorgt dafür, dass die vortreffliche Live-Action, soweit das überhaupt möglich ist, im Wohnzimmer ankommt. Das i-Tüpfelchen ist die Authentizität der Band: Stretch-Jeans, weiße Turnschuhe, tupierte Harre und Lederjacken. Das ist Heavy Metal!

Einzig die Aufmachung der DVD ist ziemlich mau, eigentlich nicht vorhanden und das Artwork ist so uninspiriert wie es nur geht. Dass beim letzten Song „Metal Church“ fast nur das überflüssige Feuerwerk gezeigt wird, ärgert ungemein und sorgt für einen Punktabzug. Ansonsten ist dieser Live-Mitschnitt ein Must-have für jeden Headbanger.

Homepage von Metal Church

Homepage von Escapi Music