Schlagwort: Rock

Rays Of Darkness

Kalauerprophylaxe zuerst: Mono arbeiten nicht monothematisch. Aber es soll ja auch schon vorgekommen sein, dass Familie Müller sich das Mehl beim Nachbarn leihen musste. Anyway: Selten hat man eine Band so nonchalant mit ihrem Bandnamen brechen sehen wie Mono. Das Postrock-Gespann aus Tokio wagt es tatsächlich, an ein und demselben Datum zwei Alben auf den Markt zu bringen. Zwar eint beide ihr gemeinsames Konzept wie auch das sich hübsch über beide CD-Cover erstreckende Artwork. Erwerben können wird man sie – vorbehaltlich eventueller Fan-Bundles – allerdings nur einzeln. Wozu das Ganze? Nun, Frontmann Taka war ein akuter Überfluss an Inspiration vergönnt. Hinzu kam das unter Postrockern ohnehin schon verbreitete, hier aber auf die Spitze getriebene Faible für Dualismen, Gegensätze und Kontraste.

Das Schlüsselmoment des Doppelreleases ist in keinem der Tracks zu suchen, sondern liegt in der gedachten Schnittstelle zwischen beiden Alben, und die muss man sich erst fleißig ertasten: Die Übergänge verlaufen nicht in geometrischer Trennschärfe, vielmehr ist jedes der beiden Alben im jeweils anderen schon – beziehungsweise noch – unterschwellig angelegt. Mithin verkörpert ‚The Last Dawn‘ ebensowenig reine Fröhlichkeit wie ‚Rays Of Darkness‘ das akustische Pechfass ist, das man hinter ihm vermuten mag.

Während aber ‚The Last Dawn‘ seinen Hörer geduldig mit Motivrepetitionen an Klavier und Gitarre umrankt, geht ‚Rays Of Darkness‘ offensiver zu Werke, jagt die Hooks forscher als es müsste und ohne viel Rücksicht auf Schrammen durch seine zunächst engen Klangkorridore. Unsaubere Störfeuer, Rückkopplungen und röhrende Riffs sind seine Insignien; ein Stück wie ‚Recoil, Ignite‘ trägt sie alle in sich. Durchschossen von Instrumentalschrapnellen und von splittrigen Texturen unterfüttert mündet der unheilvolle Counterpart mit ‚The Hands That Hold The Truth‘ betiteltes furioses Finale, das in seiner Endgültigkeit noch unterstrichen wird durch die epischen Screams von envy-Vokalist Tetsu Fukagawa. ‚The Last Rays‘ besiegelt als minutenlanger Drone-Track den Siegeszug der Dunkelheit. Danach ist Schluss.

‚The Last Dawn‘ lässt all dies lange Zeit unter seiner Oberfläche brodeln und sirren. Es versprüht den schweren Duft welker Blüten im sterbenden Idyll. Ein letztes Mal noch tanzen Elfen, glitzert der Abendtau, bevor mit ‚Cyclone‘ der unruhige Streicher-Tremor einem einem finalen Aufbäumen klanglicher Wärme weicht. Ist dieser Schwall erst einmal abgeflossen, lässt das Album überraschend bereitwillig auf seine Variantenarmut blicken. Bis zum Anbeginn seines aufgeweckteren Pendants regiert wohlig einlullende Harmlosigkeit. Im Hinblick auf das sich Ankündigende zweifellos ein geschickter Zug.

So formvollendet aber Mono das Yin-und-Yang-Prinzip auch realisiert haben mögen: Ohne ihr jeweiliges Gegenstück verlieren beide Alben an Glanz und Durchschlagskraft – das allzu rundgefeilte, von Sequenzenschleifen geprägte ‚The Last Dawn‘ im Speziellen, aber auch ‚Rays Of Darkness‘ offenbart in Teilen ein schnödes Allerweltsgesicht. Sie brauchen ihren Zwilling um sich, um aufzublühen. Drum bleibt wenig anderes übrig, als zusammenwachsen zu lassen, was zusammen gehört, um schließlich reich zu ernten. Das gute alte Doppelalbum hätte es hier sicher auch getan.

The Last Dawn

Kalauerprophylaxe zuerst: Mono arbeiten nicht monothematisch. Aber es soll ja auch schon vorgekommen sein, dass Familie Müller sich das Mehl beim Nachbarn leihen musste. Anyway: Selten hat man eine Band so nonchalant mit ihrem Bandnamen brechen sehen wie Mono. Das Postrock-Gespann aus Tokio wagt es tatsächlich, an ein und demselben Datum zwei Alben auf den Markt zu bringen. Zwar eint beide ihr gemeinsames Konzept wie auch das sich hübsch über beide CD-Cover erstreckende Artwork. Erwerben können wird man sie – vorbehaltlich eventueller Fan-Bundles – allerdings nur einzeln. Wozu das Ganze? Nun, Frontmann Taka war ein akuter Überfluss an Inspiration vergönnt. Hinzu kam das unter Postrockern ohnehin schon verbreitete, hier aber auf die Spitze getriebene Faible für Dualismen, Gegensätze und Kontraste.

Das Schlüsselmoment des Doppelreleases ist in keinem der Tracks zu suchen, sondern liegt in der gedachten Schnittstelle zwischen beiden Alben, und die muss man sich erst fleißig ertasten: Die Übergänge verlaufen nicht in geometrischer Trennschärfe, vielmehr ist jedes der beiden Alben im jeweils anderen schon – beziehungsweise noch – unterschwellig angelegt. Mithin verkörpert ‚The Last Dawn‘ ebensowenig reine Fröhlichkeit wie ‚Rays Of Darkness‘ das akustische Pechfass ist, das man hinter ihm vermuten mag.

Während aber ‚The Last Dawn‘ seinen Hörer geduldig mit Motivrepetitionen an Klavier und Gitarre umrankt, geht ‚Rays Of Darkness‘ offensiver zu Werke, jagt die Hooks forscher als es müsste und ohne viel Rücksicht auf Schrammen durch seine zunächst engen Klangkorridore. Unsaubere Störfeuer, Rückkopplungen und röhrende Riffs sind seine Insignien; ein Stück wie ‚Recoil, Ignite‘ trägt sie alle in sich. Durchschossen von Instrumentalschrapnellen und von splittrigen Texturen unterfüttert mündet der unheilvolle Counterpart mit ‚The Hands That Hold The Truth‘ betiteltes furioses Finale, das in seiner Endgültigkeit noch unterstrichen wird durch die epischen Screams von envy-Vokalist Tetsu Fukagawa. ‚The Last Rays‘ besiegelt als minutenlanger Drone-Track den Siegeszug der Dunkelheit. Danach ist Schluss.

‚The Last Dawn‘ lässt all dies lange Zeit unter seiner Oberfläche brodeln und sirren. Es versprüht den schweren Duft welker Blüten im sterbenden Idyll. Ein letztes Mal noch tanzen Elfen, glitzert der Abendtau, bevor mit ‚Cyclone‘ der unruhige Streicher-Tremor einem einem finalen Aufbäumen klanglicher Wärme weicht. Ist dieser Schwall erst einmal abgeflossen, lässt das Album überraschend bereitwillig auf seine Variantenarmut blicken. Bis zum Anbeginn seines aufgeweckteren Pendants regiert wohlig einlullende Harmlosigkeit. Im Hinblick auf das sich Ankündigende zweifellos ein geschickter Zug.

So formvollendet aber Mono das Yin-und-Yang-Prinzip auch realisiert haben mögen: Ohne ihr jeweiliges Gegenstück verlieren beide Alben an Glanz und Durchschlagskraft – das allzu rundgefeilte, von Sequenzenschleifen geprägte ‚The Last Dawn‘ im Speziellen, aber auch ‚Rays Of Darkness‘ offenbart in Teilen ein schnödes Allerweltsgesicht. Sie brauchen ihren Zwilling um sich, um aufzublühen. Drum bleibt wenig anderes übrig, als zusammenwachsen zu lassen, was zusammen gehört, um schließlich reich zu ernten. Das gute alte Doppelalbum hätte es hier sicher auch getan.

Silence The Youth

Alle, die damals den Debüterfolg von Hide The Knives mit Freude verfolgt haben, stürzen seit 2010 möglicherweise in ein tiefes Loch. Denn so schön und schnell der Erfolg kam, so schnell war es auch schon wieder vorbei, als alle Mitglieder bis auf den Sänger Glen Gilbert sich gegen eine Weiterführung der musikalischen Karriere – zumindest in dieser Form – entschieden hatten.

In neuer Besetzung haben die schwedischen Rocker jetzt ein Album auf den Markt gebracht, dass wunderbar in die düsteren November-Tage passt.

‚Silence The Youth‘ ist alles in allem ein melancholisches Werk, dass sich jedoch nicht ohne Weiteres auf diesen Aspekt reduzieren lässt. Als Einflüsse werden Kollegen wie die Queens Of The Stone Age oder Nirvana genannt – und da kann man schon ein Stück weit zustimmen.

Die Basis der Platte liefert solide handgemachte Rockmusik, die aber über die Tracks verteilt mit zahlreichen Kunstgriffen bereichert wird, und somit
keine Langeweile aufkommen dürfte. Mit einer durchschnittlichen Song-Länge von etwa 3:30 Minuten und insgesamt zehn Liedern bleibt für
Langeweile ja aber ohnehin nicht allzu viel Zeit.

Insgesamt liefern die (neuen) Hide The Knives ein sehr rundes und recht düsteres Rockalbum ab, das sich durch die Bank auf einem guten Level bewegt und keine Ausreißer nach oben oder unten beschert.

Appetite For Democracy

Wer dachte, dass Guns N‘ Roses-Fans eine Menge Geduld brauchten, um 2008 nach 13 Jahren das (immer noch aktuelle!) Studioalbum „Chinese Democracy“ in den Händen zu halten, der wird mit „Appetite For Democracy“ eines Besseren belehrt. Denn der Konzertfilm aus dem Hard Rock Casino in Las Vegas wurde schon im November 2012 aufgezeichnet und ist der erste von Guns N’Roses seit über 20 Jahren. Zuletzt erschienen 1992, in dem Jahr, als Bill Clinton Präsident der USA wurde, die in Tokyo gefilmten „Use Your Illusion“-Konzertvideos.

Diese 22 Jahre sieht man in dem von Barry Summers produzierten Film vor allem Axl an. Tobte er damals als Posterboy im offenen Hemd und mit Schottenrock über die Bühne, wirkt er heute eher wie ein aufgedunsener Ex-Rockstar beim Fitnessprogramm. (In gewisser Weise trifft das ja auch zu.) Stimmlich aber ist er auf der Höhe, vielleicht sogar besser als ’92 in Tokyo. Störend sind allerdings die Soundeffekte, die seinen Gesang mitunter verstärken oder eher verzerren.

Die Setlist mit einer Netto-Laufzeit von mehr als zweieinhalb Stunden enthält sämtliche Klassiker. Darunter sind Standards wie „Welcome To The Jungle“ und „Sweet Child O‘ Mine“, aber auch selten gehörte Meisterwerke wie „Estranged“ oder „Civil War“. Die furiose Version von „Live And Let Die“ gehört zu den Höhepunkten der Show, in denen nur die Covers von The Who („The Seeker“) und Pink Floyd („Another Brick In The Wall“) überflüssig sind.

Wer „Chinese Democracy“ nicht mochte, wird sich zwischen den alten Hits kaum an den „neuen“ Songs stören. Andernfalls sind besonders „Better“ und „Catcher In The Rye“ eine willkommene Ergänzung des Sets, das schließlich mit einem unbestreitbar hochklassigem Fünferpack endet: „Knockin‘ On Heaven’s Door“, „Nighttrain“, „Used To Love Her“, „Patience“ und „Paradise City“. Das sitzt!

Auf Slashs Rückkehr zu Guns N‘ Roses sollte niemand mehr warten. Angesichts seines großartigen Schaffens mit Myles Kennedy ist das auch nicht wünschenswert. Dass Slash ein integraler Bestandteil von Guns N‘ Roses war, wird insgeheim aber auch Axl einsehen. Vielleicht hat die Band deshalb inzwischen zwei Leadgitarristen. Auch ohne vergleichbaren Kultfaktor sind Ron „Bumblefoot“ Thal und DJ Ashba hervorragende Musiker. Nur Ashbas ständige Gesten in die Kamera nerven. (Auf BluRay gibt es „Appetite For Democracy“ in 3D, vielleicht war das der Anlass.)

Genau wie bei den Konzerten von Axl und Co., die regelmäßig mit deutlicher Verspätung beginnen, stellt sich nun bei der neuen DVD/BluRay die Frage: Hat sich das Warten gelohnt? Ja! Uumindest für Fans aufgeblähter, bombastischer Hardrock-Shows. Denn wenn es einen Abend gab, um die „neuen“ Guns N‘ Roses mit ihrem alten, extrovertierten Frontmann zu sehen, dann war es dieser. Das extralange Set lässt keine Wünsche offen und der Konzertfilm ist tatsächlich ziemlich unterhaltsam. Viva Las Vegas!

Between The Stars

Auf dem vierten Album der einstigen Post-Grunge-Band Flyleaf gibt die neue Sängerin Kristen May ihr Debüt, nachdem Vorgängerin Lacey Sturm 2012 ihren Ausstieg bekannt gegeben hatte. Nachfolgerin May singt noch etwas glatter und juveniler als Sturm. Sie hat eine dieser Stimmen, mit denen man „American Idol“ gewinnt. Klanglich hat sich bei Flyleaf aber nur ein bisschen verändert.

Schon mit dem Opener „Set Me On Fire“ zeigt sich, dass Flyleaf ihrem Stil treu bleiben – mit dem teils schwermütigen, teils zerbrechlichem Gesang von May zwischen wuchtigen Refrains mit krachenden Hardrock-Riffs. Mitunter erinnert die Band dabei an Kollegen wie Halestorm oder Paramore.

Der Pop-Appeal ist auf „Between The Stars“ noch etwas höher als auf den ersten drei Alben. Mit Melodien wie bei „Magnetic“ oder „Sober Serenade“ hat man seinen Platz im US-Rock-Radio so gut wie sicher. Hingegen könnten „Blue Roses“ oder „Head Underwater“, in dem die Riffs fast abstinent sind, auch von einer Taylor Swift stammen. Das US-Radio liebt solche Songs. Von Post-Grunge kann natürlich längst keine Rede mehr sein.

Sängerin Kristen May ist der Star des Albums und wirkt, als wäre sie immer schon Frontfrau von Flyleaf gewesen. Die Band klingt durch den Neuzugang auch fast zehn Jahre nach ihrem Debütalbum immer noch frisch, aber auch jugendlicher. Die Marschroute scheint endgültig in Richtung Radio-Poprock zu gehen. Das klingt zwar gut, muss aber nicht jedem gefallen.

Randnotiz: Vor 40 Jahren veröffentlichten Supertramp ihr Meisterwerk „Crime Of The Century“. Zwischen dessen Albencover und dem von „Between The Stars“ gibt es erstaunliche Ähnlichkeiten. Zufall oder Absicht? Das ist nicht bekannt.

Opeth – Von Gott, Alkohol und der Last, ein netter Schwede zu sein

Sie waren eine der respektiertesten Progressive-Death-Metal-Bands der letzten zehn Jahre. Bis sie 2011 mit „Heritage“ einen überraschenden und krassen Stilwechsel in Richtung Progressive Rock vollzogen. Massenhaft waren langjährige Fans vor den Kopf gestossen, nicht zuletzt, weil bei der letzten Tour nicht ein einziger Growl über Mastermind Mikael Åkerfeldts Lippen kam. Nicht ein Death Metal Song wurde gespielt und viele Metalheads fühlten sich verraten. Rückblickend ein Fehler, denn die Band liebe die alten Songs nach wie vor, räumte Åkerfeldt in unserem Interview ein. Dieser Fehler der letzten Tour wurde ausgebügelt im gefüllten LKA Longhorn in der schwäbischen Metropole. Aber zuvor plauderten wir mit dem Skandinavier über alkolholische und musikalische Vorlieben, den Blick auf die eigene Band und natürlich das neue Album.

Throw Me In The River

Nomen est omen. The Smith Street Band ist quasi permanent auf den Straßen nicht nur ihres heimatlichen Kontinents Australien unterwegs. Gerade hat sie eine zum guten Teil ausverkaufte Europa-Tour inklusive mehrerer Deutschland-Gigs absolviert, zuvor durchquerte man gemeinsam mit Frank Turner Nordamerika. Äußerst bemerkenswert, was der Vierer aus Melbourne in den wenigen Jahren seit der Bandgründung 2010 erreicht hat. Immer on the road zum nächsten Keller-Club oder Festival-Gig war irgendwie auch noch Zeit, das dritte Album mit dem Titel ‚Throw Me In The River‘ aufzunehmen.

Mit dem Verweis, dass die Herren von The Smith Street Band gute Kumpel von Meister Turner sind, ist das Wesentliche eigentlich schon gesagt. Seine Fans werden die ihren sein. Wenn sie es nicht schon längst sind. Musikalisch sind sich beide Acts maximal nahe, teilen ihr Verständnis von Gitarrenrock und ihre Leidenschaft. Letztere ist Leitmotiv auf ‚Throw Me In The River‘. Dessen emotionaler Punkrock mit Folkattitüde geht direkt nach vorn und hat einen zwingenden Drive. Die Songs präsentieren sich in ganzer Fülle, für die alles rausgeholt wird, was in den Instrumenten und Verstärkern steckt. Ein jeder ist tongewordenes Herzblut. Allein beim Hören des Albums kann man die Schweißperlen der Musiker geradezu fließen sehen und die eigenen kaum zurückhalten. Vor allem Sänger Wil Wagner liefert bei Songs wie ‚East London Summer‘ richtig harte Arbeit ab, und wer bei Konzerten nicht mindestens so verschwitzt wie die Band vom Parkett geht, hat kein Herz.

‚Throw Me In The River‘ ist ein Album, dass die Lebensgeister beflügelt, Energien freisetzt, Menschen verbindet. Man möchte in Euphorie spontan den zufällig neben sich Stehenden umarmen und die alltägliche Gleichgültigkeit aus den Vorbeigehenden rütteln. Wenn sich also innerlich mal wieder das Gefühl der Abgestumpftheit breitzumachen droht – The Smith Street Band auflegen und Kraft tanken!

The Turn

Es ist schon eine Weile her, seitdem man etwas von der Formation Live gehört hat. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an Smash Hits aus MTV Zeiten wie „I Alone“ und „Lightning Crashes“, vom 95er Album „Throwing Copper“. Nun sind 8 Jahre seit dem letzten VÖ vergangen. Was ist derweil passiert? 2008 entschloss sich die Band eine längere Auszeit zu nehmen. Einige der Bandmitglieder gründeten andere Projekte, aber so ganz loslassen konnte keiner vom derweil vor 30 Jahren gegründeten Live-Projekt.

Das Problem der Band lag aber vor allem daran, dass der kompositorische Input der Songs von Live immer weniger von Chad Taylor (guitars), Chad Gracey (drums) und Patrick Dahlheimer (bass) beeinflusst wurde. Sänger und Frontman Ed Kowalczyk übernahm das komplette Songwriting und steuerte die Band in den Jahren weg von dem Sound, den Live eigentlich markant und einzigartig werden ließ. Dieser sehr einseitige Einfluss von Ed teilte die Fangemeinde in solche, die den eigentlichen Sound und Stil der 90er von Live liebten und die den Stilwechsel nicht verstanden und sich daher eher von der Band abkehrten und jenen, die einfach die Vocals von Kowalczyk liebten, ob nun die Solo-Kompositionen der 2000er oder die alten Stücke. Insgesamt führte das aber zu Differenzen innerhalb der Band, was darin endete, dass die Band Kowalczyk einfach rausschmiss.

Nunmehr überrascht die Band aber mit einem neuen Album und folglich mit einem neuen Sänger, dem Unified Theory Frontman Chris Shinn. Aber die Idee dazu kam schon früher. So entschloss sich die Band mit neuem Sänger schon 2012 Live wieder ins Leben zu rufen. Irgendwie schien nach Aussagen der Band „…die Magie alter Tage wieder da gewesen zu sein“. Es folgten Live Auftritte mit Everclear und Filter und in kürzester Zeit fand sich die Band samt neuem Sänger im Studio mit Produzent Jerry Harrison (The Talking Heads) wieder. Es begannen die Aufnahmen des achten Studioalbums.

„The Turn“ knüpft sowohl an alte Zeiten der Band an, überrascht aber mit einem doch eher anderen Stil. Insgesamt ist „The Turn“ als ein ordentliches Rock-Album zu betiteln. Tracks wie „Siren’s Call“, „The Strength to Hold On“ und „He Could Teach the Devil Tricks“ dominieren auf diesem neuen Album der Band und erinnern in der Melodielinie stark an das Vorgängeralbum „Throwing Copper’s“. Wer hier jedoch ein bomben starkes Comeback-Album erwartet, dem sei an dieser Stelle gesagt: Bitte nicht enttäuscht sein. „The Turn“ ist weder ein Album, dass an die 90er von Live anknüpft noch ein Album, welches wie damals durch Kowalczyk’s Stimme hervorsticht. Hit-Qualitäten fehlen dem Album genauso wie wirklich schlechte Songs. Es ist ein Durchschnittsalbum, welches von absoluten Rock-Profis komponiert und aufgenommen wurde.

Shinn’s Vocals sind markant hart, rauchig und erinnern an die gute alte Grunge-Ära. Dass hier ein neuer Sänger am Start ist wird vor allem bei „Siren’s Call“ und „The Strength to Hold On“ deutlich. Insofern könnte dieses Album durchaus in die 1995er Jahre transportiert werden und wäre dann sicherlich sehr erfolgreich auch ohne Kowalczyk.

Fazit: Live sind zurück, stilistisch an die Anfänge angelehnt, mit neuem Sänger, der zum neuen Stil passt, aber eben nicht Kowalczyk’s Vocals ersetzen kann. „The Turn“ ist für die heutige Zeit definitiv nicht gerüstet. Hörbar und eingängig aber auf jeden Fall. Den Tracks zu lauschen macht Spaß und wird nicht langweilig. Fans des Grunge-Sounds dürfen sich freuen, Fans von Live (nicht von Kowalczyk) ebenso. Live überrascht endlich wieder mit neuer Energie und wirkt härter und heavier als jemals zuvor.

The Forgotten And The Brave

Vor nicht ganz eineinhalb Jahren beglückten uns Owls By Nature mit ‚Everything Is Haunted‘, einem Album voller Herzblut und Schmiss. Das bediente zwar den gerade angesagten Folk-Hype, hatte aber seine persönliche Note und war überaus überzeugend. Wer sich, wie wir von Whiskey Soda, hat willig einnehmen lassen von dem munteren Fünfer, sah mit Vorfreude auf die Veröffentlichung des Nachfolgers ‚The Forgotten And The Brave‘.

Selbiger liegt nun vor und zunächst kommen uns Owls By Nature wieder mit ihrem energiegeladenen Folk’n’Roll entgegen. Der charakteristische Gesang von Ian McIntosh sorgt für einen hohen Wiedererkennungswert und verfehlt seine Wirkung auch diesmal nicht. Darauf verlässt sich offenbar das ganze Erfolgskonzept der Kanadier. Die Stimme als Alleinstellungsmerkmal ist Strategie, ansonsten zielt das neue Werk auf Massenverträglichkeit ab. Folk bringt’s nicht mehr, also setzt man es jetzt auf einen möglichst radiotauglichen Sound an. Wenig überraschend, dass bei diesem Konzept der Sänger allein das Album nicht reißen kann.

‚The Forgotten And The Brave‘ hat einen wesentlich unpersönlicheres Kolorit als sein Vorgänger. Zunächst erregen Piano bzw. E-Orgel in ‚Darkness‘ nur ein wenig Irritation. Der Rockballaden-Anstrich von ‚Back Right Down‘ ist dann schon genauso anstrengend wie dessen Text mit seinem Versprechen, für die Herzensdame ein besserer Mann zu werden. Fast nahtlos zieht sich der schmachtende Pathos in ‚Honesty‘ hinein, der in einem arg gefühlvollen Hintergrundchor gipfelt. Sicher, auch das letztjährige Album war nicht nur im Galopptempo gehalten, aber die ruhigeren Tracks hatten da noch Tiefe und Charakter.

Hat man also das Schnulzental durchstanden, werden die Songs des neuen Albums zwar wieder zackiger, Piano und aufdringliche Melodielinien aber bleiben. Irgendwie wurden bei der Produktion die falschen Akzente gesetzt. Auch wenn im Gesang der gewohnte Elan zu verspüren ist, wird er doch konsequent ertränkt von schrecklich konventionellen E-Gitarren-Soli. Und auch in dem eigentlich so schön beruhigenden ‚Wrigley Field‘ stört das Gitarrengeklimper entlang des Strophengesangs und gibt dem Song eine unnötig nervöse Note.

Auf ‚Everything Is Haunted‘ überzeugten Owls By Nature noch durch Natürlichkeit. Die ist inzwischen einer Bemühtheit gewichen, die die Band eigentlich gar nicht nötig hat. Bleibt abzuwarten, ob sie mit dem nächsten Album auf der Suche nach dem nächsten angesagten Trend weiterschlingert. Oder es mit dem jetzt eingeschlagenen Weg ernst meint und ihm um ihre kurzzeitig verlorenen Zwanglosigkeit ergänzen kann.

Fumes

Ob sie das die nächsten Jahre durchhalten? Genau in Jahresfrist legen Lily & Madeleine mit ‚Fumes‘ den Nachfolger ihres Debütalbums vor. Freilich, es galt sich die zahlreichen Lobredner warmzuhalten, die den selbstbetitelten Erstling so wohlgesonnen aufgenommen hatten. Deren Zuspruch ist angesichts des beibehaltenen Produzententeams (Paul Mahern mit Hilfe von Kenny Childers) erneut so gut wie sicher. Und ja, wenn die beiden Schwestern aus Indianapolis jedes Jahr mit einem neuen Album aufwarten, ist für innere Wärme im Herbst gesorgt.

Denn sanft-süß geht es los auf ‚Fumes‘, mit dem einnehmenden Titelsong ganz in First Aid Kit-Manier. Allein der weibliche Doppelgesang dürfte Fans des schwedischen Schwesternduos aufhorchen lassen. Dann wird aber schnell klar, dass zum Timbre von Lily & Madeleine eine ganze Band-Instrumentalisierung gehört, die für einen sehr geradlinigen Country-Sound sorgt.

Der wirkt dank der bezaubernden Stimmen nicht angestaubt, aber doch recht herkömmlich. Wenige Tracks sind so atmosphärisch arrangiert wie ‚The Wolf Is Free‘ oder ‚Lips and Hips‘. Die beiden Sängerinnen könnten ihre Songs locker und viel besser allein tragen. Stücke wie ‚Can’t Admit It‘ zeigen das Potential, das in den reinen Kompositionen als akustische oder à capella steckt. Selbiges geht durch die Instrumentalisierung, wenn diese sich auch balladenhaft-zurückhaltend gibt, zu einem gewissen Grad verschütt.

Vielleicht ist dieses Urteil zu sehr My Bubba & Mi-beeinflusst. Aber ohne Bandbegleitung, mindestens aber ohne den oft nivellierenden Backbeat (auch, wenn er nur fingergeschnipst ist) wäre jeder einzelne Song der Platte ein viel stärkeres Stück Musik und durchaus aufsehenerregend. Somit ist ‚Fumes‘ dennoch ein gutes Album, wenn auch mit einer Tendenz zum Durchschnittlichen.