Schlagwort: Psychedelic Rock

GONG – mit neuem Album in die psychedelische Zukunft

Es ist wirklich sehr seltsam, dass manches musikalische Projekt in der Lage ist, alle Veränderungen zu überstehen. Tangerine Dream beispielsweise veröffentlichen seit dem Tod von Mastermind und Bandgründer Edgar Froese ganz ohne Gründungsmitglieder die beste und typischste TD-Musik seit den frühen Achtzigern, und auch die Fortführung von Gong anch dem Tod von Visionär Daevid Allen…

BLACK LUNG – Neues Video und Tourdaten

Eine spannende Mischung aus psychedelischem Bluesrock und „Heavy Fuzz“ mit Doom- und Stoner-Einschlag bieten Black Lung aus Baltimore. Die Band war ursprünglich als Nebenprojekt der Psychedelic-Rock-Band The Flying Eyes gedacht und setzt nach zwei Alben zum Überholen des Mutterschiffes an. Nach dem Debütalbum von 2014 erschien vor knapp drei Jahren mit „See The Enemy“ ein…

ACHIM REICHEL geht mit seinen Machines wieder auf Grüne Reise

Achim Reichel dürfte Progressive Rock-Fans bislang eher am Allerwertesten vorbeigegangen sein. Klar, den Namen des The Rattles-Mitbegründers und späteren Deutschrockers haben die meisten wohl schon einmal gehört, doch über lange Jahre war es ein wohlgehütetes Geheimnis, dass Reichel sich in den Siebzigern auch gerne einmal experimentell und schwer psychedelisch betätigte: mit seinem Projekt „A.R. &…

Delicate Sound Of Thunder

Nachdem schon in den letzten beiden Jahren der komplette Studio-Backkatalog von Pink Floyd nach und nach wieder auf Vinyl aufgelegt wurde, sind nun offenbar die Compilations und Livescheiben dran. Und auch mit denen lassen sich Pink Floyd Records keinerlei Vorwürfe machen: nach dem Motto „don’t fix it if it ain’t broke“ wurden auch die neuesten Ausgaben der Reissue-Reihe optisch identisch mit den Originalen und in exzellenter Qualität aufgelegt, so daß man sich nicht mehr auf Onlineportalen mit Anderen um eine angeblich NM+ erhaltene Scheibe prügeln muss, sondern ohne Gewissensbisse für weniger Geld einfach diese neuen Scheiben zulegen kann – auch, weil der Sound zwar behutsam remastert wurde, aber dabei den ursprünglichen Versionen sehr treu bleibt.

Im Falle „Delicate Sound Of Thunder“ bedeutet Authentizität aber natürlich auch, daß, wie bei allen Vinyl-Editinen des Albums, ‚Us And Them‘ im Gegensatz zur CD-Version hier fehlt und die Reihenfolge eine Andere ist. Ja, und das auf dem Cover immer noch behauptet wird, ‚Shine On You Crazy Diamond‘ sei von Part 1 bis 5 hier enthalten – tatsächlich handelt es sich um die aus Parts 1, 2, 4, 5 und 7 bestehende Version, die auf „A Collection Of Great Dance Songs“ erstmals vorgestellt wurde und im Prinzip ab da zur regulären Liveversion des Titels wurde. Das ist aber eben ausschließlich für Nerds interessant. Wichtiger ist natürlich, daß „Delicate Sound Of Thunder“ damals das erste vollständige Livealbum der Band darstellte und dementsprechend begeistert aufgenommen wurde. Neben jeder Menge Klassiker wie ‚Time‘, ‚Wish You Were Here‘ und ‚Comfortably Numb‘ wissen vor allem auch die Versionen der Songs vom damals gerade aktuellen Studioalbum „A Momentary Lapse Of Reason“ zu gefallen. Auf besagtem Studiowerk hatten nämlich statt Rick Wright und Nick Mason hautsächlich Studiomusiker deren Job übernommen. Wright war erst ab der Tour wieder offizielles Bandmitglied und Mason war nach eigener Meinung zu sehr außer Übung gewesen, um seinen Anforderungen an ein Studioalbum gerecht zu werden. Hier spielen sie nun beide, und trotz Unterstützung einer Busladung Extramusiker klingt das Ganze deutlich organischer. Klar, Siebziger- oder gar Sechziger-Fetischisten werden die Synthiedrums, Sequencer und Airbushangar-Hallsounds immer noch kräftig gegen den Strich gehen, aber so war das damals eben – was 1988 zeitgemäß klang, kann zwangsweise heute nicht mehr diesen Anspruch erfüllen. Damals waren nicht wenige Fans aber eben begeistert davon, wie staubfrei sich die Klassiker im modernisierten Soundgewand anhörten – und ja, natürlich ist der Sound der Scheibe dennoch exzellent.

Achtziger-Sound hin oder her, „Delicate Sound Of Thunder“ macht einfach Spaß. Natürlich kann man meckern, daß Roger Waters fehlt, aber wer das nach 32 Jahren noch nicht kapiert hat, dem ist eh nicht mehr zu helfen. Alle Anderen bekommen hier die definitiven Versionen von ‚Sorrow‘ und dem völlig unterschätzten Geniestreich ‚On The Turning Away‘ sowie höchst gänsehautige Performances von vor allem ‚Time‘, ‚Comfortably Numb‘ und ‚One Of These Days‘ (mit Zitat des Titelthemas aus Doctor Who!). Das sieben Jahre später folgende „Pulse“ hatte zwar dank einer Stunde längerer Spielzeit die abwechslungsreichere Setlist, konnte aber in Sachen Spielfreude und Livefeeling seinem Vorgänger nicht das Wasser reichen.

Wie immer bei Pink Floyd Records ist auch die Pressung absolut vorbildlich ausgefallen, so daß eigentlich kein Vinylsammler zögern sollte, die Scheibe endlich in die Sammlung aufzunehmen. Wenn jetzt nur endlich die dazugehörige, gleichnamige VHS-Kassette endlich auf BluRay oder DVD erschiene und wir uns an Background-Schnuckel Rachel Fury in digitaler Qualität erfreuen könnten…

A Collection Of Great Dance Songs – 2017 Vinyl Remaster

Die Vinyl-Reissues des Pink Floyd-Backkataloges kann man getrost als vorbildliche Beispiele einer solchen Unternehmung werten. Erstklassige Pressqualität, originalgetreue und hochwertige Reproduktionen der ikonischen Artworks sowie erfreulich vernünftige Preisgestaltung sorgten dafür, daß die schwarzen Scheiben schlicht zu perfekten Alternativen für alle Vinylsammler wurden, die nicht gewillt waren, Fantasiepreise für eine halbwegs ordentlich erhaltene Originalauflage zu zahlen.

Nun gehen ca. ein Dreivierteljahr nach dem letzten Bündel Studioscheiben die ersten Floyd-Alben der „zweiten Reihe“ ins Rennen. Diesmal sind die Compilation „A Collection Of Great Dance Songs“ und das Livealbum „Delicate Sound Of Thunder“ dran. Bei „A Collection Of Great Dance Songs“ handelte es sich seinerzeit um die zweite Sammlung älteren Materials: 1971 war mit „Relics“ bereits eine Sammlung früher Single-Tracks und obskurerer Album-Songs erschienen, um die Wartezeit auf das „Meddle“-Album zu verkürzen. Mit „A Collection Of Great Dance Songs“ wählte die Band den konventionelleren Ansatz einer „Hit“-Zusammenstellung. ‚One Of These Days‘ von „Meddle“ (1971), ‚Money‘ von „Dark Side Of The Moon“, ‚Shine On You Crazy Diamond‘ und der Titelsong von „Wish You Were Here (1975), ‚Sheep‘ von „Animals“ (1977) und ‚Another Brick In The Wall Pt. 2‘ vom „The Wall“-Doppelalbum boten dem Interessierten einen kleinen, aber appetitanregenden Blick in die Welt der Band. Und, wie bei Pink Floyd nicht anders zu erwarten, gab es auch ein paar Schmankerl, die das Album auch für Fans lohnenswert machten. Ein Disput zwischen dem US-Label der Band und dem Label im Rest der Welt führte beispielsweise dazu, daß die Originalversion von ‚Money‘ nicht verwendet werden durfte – weshalb David Gilmour kurzerhand den Song fast im Alleingang für das Album neu einspielte. ‚Shine On You Crazy Diamond‘ kam als elfminütiger Edit, der erstmals die drei Gesangspassagen in einem Stück vereinte und als Basis für alle nachfolgenden Liveversionen des Songs diente. ‚Another Brick In The Wall Part 2‘ ist ebenfalls als Hybrid aus Single- und Albumversion vertreten: das Intro der Singleversion ist vorhanden, doch aders als bei dieser wird nicht im Gitarrensolo ausgefadet, sondern der komplette Originalschluß verwendet.

Natürlich ist es unmöglich, Pink Floyd auf nur sechs Songs zu reduzieren, aber dennoch ist „A Collection Of Great Dance Songs“ dank seines Schwerpunktes auf dem zugänglicheren und bekannteren Material der Band nach wie vor ein guter Einstiegspunkt. Die Ausstattung ist, wie oben erwähnt, völlig frei von Extras, eine schlichte, dem Original entsprechende Wiederveröffentlichung, hochglanzlackiert und farbecht. Auch der remasterte Klang versucht gar nicht erst, das Album neu aufzurollen, sondern ist nah an der Originalverion, lediglich im Bassbereich geht’s (zumindest gefühlt) ein wenig tiefer, aber hier gibt’s kein Zerren, keine schrillen Höhen, keine Kompressionsartefakte – so muss Vinyl 2017 einfach klingen. Punkt.

A.R. & Machines – The Art Of German Psychedelic

Anfang der 1970er war die Musikwelt durch die Bank weg überfordert, als Ex-Rattles-Gitarrist Achim Reichel – in der Beat-Ära veritabler Teenie-Star aus deutschen Landen – sich mit seinem Bandgerät einschloß und das Album „Die grüne Reise“ aufnahm: ein höchst minimalistisches, psychedelisches und, dem Titel folgend, recht verrauchtes Werk, das auf Experimenten mit dem Delay seiner Bandmaschine fußte. Selbst Reichel selbst schien eine ganze Weile von den vier unter dem Projektnamen A.R. & Machines (plus das unter seinem eigenen Namen herausgebrachte Livealbum „Erholung“) nicht mehr viel zu halten – eigenhändig sorgte er dafür, daß die Alben nicht weiter vertrieben wurden und aus dem Backkatalog gelöscht wurden, während er sich sehr erfolgreich mit Vertonungen klassischer Dichter, Rock-Arrangements von Shanties und kommerziellem Deutschrock betätigte.

All das führte natürlich wie bei den ersten vier Kraftwerk-Alben zu einer Kultisierung der „Machines“-Alben, die in der Folge natürlich kräftig als Bootlegs kursierten, während Originalpressungen auf Plattenbörsen für Fantasiepreise gehandelt wurden. Nachdem bislang lediglich das Debüt „Die grüne Reise“ vollständig auf CD erhältlich war, erzählt nun das 10-CD-Boxset „The Art Of German Psychedelic (1970-74)“ die komplette Story von Achim Reichel und seine Maschinen – inklusive fünf CDs mit unveröffentlichter Musik. Reichel selbst bezeichnete das Material als „Starken Tobak“. Nun, was die „Machines“-Alben vom Großteil der experimentell krautrockenden Zeitgenossen deutlich unterscheidet, ist erst einmal, daß hier keinerlei Anbiederei an Free Jazz oder neutönende Klassik erfolgt. Zum Zweiten spielen auch die Synthesizer so gut wie keine Rolle – statt des „einfach anschalten, ein paar Knöpfchen drehen und warten was passiert“-Ansatzes der frühen Elektroniker basiert Reichels Musik auf ganz deutlich handgemachtem Gitarrenspiel, das sich seine Inspiration gerne auch mal im Blues oder Rock’n’Roll sucht. Schließlich bauen die Songs alle auf geloopten Gitarrenriffs auf, zu denen dann die Rhythmusinstrumente unterstützend beziehungsweise sich reibend einsteigen. Klingt vertraut? Richtig, genau das Gleiche wird seit einigen Jahren „ganz frisch“ im Post-Rock und -Metal-Bereich gemacht, nur, daß man eben heuer die Loopstation hat, wo früher die Bandmaschine herhalten muss.

Auf jeden Song einzugehen, würde natürlich hier den Rahmen sprengen, so also ein paar warme Worte zu den Alben. „Die grüne Reise“ ist der Ausgangspunkt, und auch wenn Reichel versucht, aus den Loop-Improvisationen teils „richtige“ Songs zu machen (‚You Are The Singer‘), die Highlights sind doch die instrumentalen Stücke. Der minimalistische Ansatz entwickelt eine höchst hypnotische Wirkung, auch wenn die Riffs noch recht konventionell klingen – ‚Globus‘ bespielsweise basiert auf einem knackigen Kinks-Riff, ‚A Book’s Blues‘ ist – welch Überraschung – ein klassisches Blues-Thema und ‚Come On People‘ klingt mit seinem Hippie-Mantra und den Welt-Musik-Percussions durchaus sogar „Beat Club“-kompatibel (Spätphase zumindest). Hart wird es beim fast zwölfminütigen Abschlusstrack ‚Truth And Probability‘, bei dem scheinbar zufällig Fragmente aus Riffs, Geräuschen und Stimmen geloopt und durcheinandergewürfelt werden – da kann man dann trefflich streiten, ob das überhaupt noch Musik ist oder „nur“ Kunst.

Das wohl geschlossenste und nach Ansicht des Verfassers beste Album der Box ist klar das Zweitwerk „Echo“. Wo beim Debüt noch scheinbar die Maschinen die Richtung bestimmt hatten, ist es hier ganz klar Reichel, der der Maschinenwelt seinen Willen aufzwängt und sie zum Komponieren nutzt. Diese Kompositionen sind zwar immer noch alles Andere als konventionell oder gar kommerziell, die vier – je eine Plattenseite einnehmenden – Suiten haben aber einen deutlich durchdachteren Flow, einige Songs wurden gar mit Streicherarrangements versehen und nicht zuletzt ist auch der Sound deutlich professioneller ausgefallen, ohne die DIY-Atmosphäre, die dem Ganzen zugrunde liegt, zu zerstören. „A.R.3“ ist das wohl rockigste der Machines-Alben, interessanterweise auch eines der Ersten seiner Art, das auch mit einer rudimentären Rhythmusmaschine experimentierte. Und es müßte schon ein enormer Zufall im Spiel sein, wenn David Gilmour vor ‚Run Like Hell‘ nie ‚Tarzans Abenteuer im Sommerschlussverkauf‘ und ’10 Jahre lebenslänglich‘ gehört haben sollte. Dafür gibt’s mit ‚Die Eigentümer der Welt‘ auch eine folklastige Akustikgitarrennummer, die schon ein wenig in Richtung Reichels späterer Experimente mit Shanties und Volksliedern im Blues- und Rock-Gewand wies.

Für Einsteiger wohl das zugänglichste Album ist „A.R.4“, das dem Thema (der Reise eines Wassertropfens) gemäß einen relativ entspannten, natürlichen Fluß und einen wieder relativ minimalistischen Sound hat. Hiermit dürften sogar Fans der späten Pink/frühen Virgin Years von Tangerine Dream ihren Spaß haben. In die selbe Kerbe, vielleicht sogar noch entspannter, auf jeden Fall noch melodischer, schlägt „Autovision“: Achim Reichel hatte Transzendentale Meditation für sich entdeckt und war hörbar mit sich und der Welt im Reinen. Das Livealbum „Erholung“ beendete schließlich das Kapitel „A.R. & Machines“ für die nächsten Jahre und zeigte, daß auch die Bandimprovisation über die rigiden Echo-Strukturen nicht nur möglich, sondern auch außerhalb von Rauschzuständen genießbar war. Heute ist das gar keine Sache mehr, jedes zweite Improv-Projekt nutzt Sequencer, damals – wie das komplette Projekt – im eigentlichen Wortsinn höchst innovativ.

Dazu kommen gleich vier Bonus-CDs und einige auf die regulären Alben verteilte Bonustracks. Am Interessantesten dabei das „Cologne Concert“, ein Radiomischnitt zweier Live-Improvisationen – eine 36, die andere 41 Minuten lang. Die zweite Bonus Disc sammelt Reichels erste Versuche, das Material Mitte der 1990er zeitgemäß aufzubereiten, die dritte sammelt Fragment aus den Siebzigern, die dann auf der vierten und letzten Bonus-CD unter dem Titel „Virtual Journey“ mit modernen Remix-Mitteln in musikalische Form gebracht wurden. Leider fehlt den neueren Aufnahmen ein wenig das anarchisch-neugierige Element, das die Originale auszeichnete – beileibe keine schlechte Musik, aber eben weit perfekter, weniger kantig und weniger mitreißend.

Eigentlich sollten alle Freunde experimentellen Krautrocks diese unentdeckten Schätzchen also sofort in ihre Sammlung aufnehmen. Schade ist lediglich, daß einmal mehr die ganze Geschichte nur als teures Box-Set erhältlich ist. Der Preis von knapp 120€ ist zwar dem Inhalt grundsätzlich noch einigermaßen angemessen – obwohl bespielsweise die vorbildlichen Boxsets von King Crimson fürs gleiche Geld mehr als doppelt soviel Material plus jede Menge Gimmicks wie Surround-Mixes, DVDs und BluRays bieten. Wirklich unfein ist diese Veröffentlichungspolitik eben hauptsächlich, weil auch der Fan die Box kaufen muss, der beispielsweise nur am aktuellen „Virtual Journey“-Album interessiert ist oder dem eine CD-Fassung von „Echo“ ausreichen würde. Aber, wie im Falle Pink Floyd und einigen anderen Kandidaten wird auch hier der kaufkräftige Ü50-Hardcore-Progfan wieder ohne langes Nachdenken zuschlagen. Wahrscheinlich gilt hier auch die Theorie, über die der Verfasser dieser Zeilen kürzlich in einem Fanforum gestolpert ist: Hartz IV-Empfänger hören ja eh nur Helene Fischer. Hrmpf. Da fragt sich die Musikwelt, warum sie in der Krise steckt…

Pink Floyd – Die definitive Biographie

Pünktlich zur neuen David Gilmour-DVD möchten wir Euch einen ganz besonderen Schmöker ans Herz legen. Der britische Journalist Mark Blake hat sich nämlich an das anstrengende Unterfangen gewagt, eine umfassende Biografie über die notorisch pressescheuen Herrschaften von Pink Floyd zu schreiben, die der österreichische Hannibal-Verlag in deutscher Sprache veröffentlicht hat. Auf rund 550 Seiten bringt „Pink Floyd – Die definitive Biografie“ dank vieler Interviews, die Blake mit der Band und Zeitgenossen geführt hat, die wechselhafte Karriere der fünf Musiker, die trotz diverser Wechsel immer im Schicksal verbunden blieben, außerordentlich detailliert und nachvollziehbar an den Fan.

Im Gegensatz zur Autobiografie von Floyd-Drummer Nick Mason geht Mark Blake in seinem Buch weit methodischer zur Sache, Masons Humor sucht man hier vergeblich. Dafür bemüht sich der Autor um eine recht objektive Darstellung der Ereignisse. Gerade, wenn es um Syd Barretts Absturz oder den Kleinkrieg zwischen Roger Waters und David Gilmour geht, ergreift das Buch keine Partei, sondern lässt dank O-Ton-Kommentaren die Fakten wirken – oder zeigt die Diskrepanzen in den von verschiedenen Parteien abgegebenen Versionen der Geschehnisse auf, sodass jeder sich sein eigenes Bild machen kann. Als Aufhänger nutzt Blake die mittlerweile bereits legendäre Live8-Reunion 2005, bei der Roger Waters erstmals seit 25 Jahren wieder mit seinen Siebziger-Bandkollegen aufgetreten war. Daraus spinnt er den Faden in die Vergangenheit, die wohlbehütete Jugend der aus gutem Hause stammenden Musiker, die Rebellenpose der Clique von der Cambridge-Universität, die ersten musikalischen Gehversuche – und natürlich zum faszinierenden Charakter von Syd Barrett, der in diesem Klima regelrecht aufblühte.

Auch Weggefährten wie Aubrey Powell und Storm Thorgerson, die mit ihrer Design-Firma Hipgnosis später für ihre Uni-Kumpels ikonische Cover-Artworks wie „Dark Side Of The Moon“ oder „Meddle“ in Szene setzen sollten, werden ausführlich vorgestellt. Auch die schon frühen Verbindungen zwischen den Ur-Floyds und dem eigentlich erst zum zweiten Album hinzustoßenden David Gilmour werden schön aufgezeigt – so waren Gilmour und Barrett noch vor der Floyd-Gründung als Straßenmusiker-Team unterwegs, und Pink Floyd-Gründungsmitglied Bob Klose, der die Band vor ihrem ersten Plattendeal verließ, tauchte später auf David Gilmours Soloalben von 2006 und 2015 wieder auf. Willie Wilson, der Drummer von Gilmours Prä-Floyd-Band Joker’s Wild spielte später auf Syd Barretts beiden Soloalben und mit Pink Floyd während der „The Wall“-Tour – derlei Verbindungen sind zahlreich und bisweilen höchst verblüffend. Zwar ist die Fülle an Personen, die von der Cambridge-Phase bis zum Aufstieg zu den Helden des psychedelischen Underground auftauchen, beim ersten Lesen aufgrund ihrer Vielzahl ein wenig verwirrend, da allerdings fast alle später noch mehrmals auftauchen werden, haben natürlich auch alle ihre Berechtigung in der Story.

Das Buch handelt akribisch alle essenziellen Floyd-Meilensteine ab, ob der Zerfall von Syd Barretts Persönlichkeit, der Ausbruch von Roger Waters Paranoia, David Gilmours Übernahme und natürlich Anekdoten wie das fliegende Schwein über Battersea Power Station (das auch das Cover ziert), das Bespucken eines Fans und die angeblichen Beschädigungen der Kanäle von Venedig, die Tode von Rick Wright und Syd Barrett, alles wird von Mark Blake berücksichtigt und einige der Legenden auch erfreulich kritisch hinterfragt. Die Geschichte geht bis zur Veröffentlichung von David Gilmours letztem Soloalbum „Rattle That Lock“, und aufgrund der differenzierten Charakterzeichnungen der einzelnen Bandmitglieder schafft es Blake, die eigenwilligen Entscheidungen, die oft zu höchst seltsamen Geschehnissen innerhalb der Bandkarriere führten, weitgehend nachvollziehbar und verständlich zu machen. Der aggressiv-egomanische Konzeptionalist Waters, der ebenso egogetriebene, aber diplomatischere Gilmour, der „Regeln sind für Andere“-Bilderstürmer Barrett, der geniale, aber phlegmatische Wright und der locker-entspannte „alles mal ausprobieren“-Drummer Mason werden dank differenzierter Beobachtungen richtig schön nachvollziehbar gemacht.

Man kann Blake nur Respekt für die Arbeit zollen, die er in dieses Buch gesteckt hat – seinem Titel als „definitive“ Arbeit zum Thema wird es in jedem Fall gerecht. Ein Buch, das man nicht nur einmal liest, sondern sicher danach noch mehrfach zur Hand nehmen wird, um diverse Begebenheiten noch einmal häppchenweise Revue passieren zu lassen. Die Fotos sind zwar nicht allzu zahlreich, aber erfreulich stimmig ausgewählt, vieles hat man bislang so noch nicht gesehen. Da auch der Hardcover-Einband mit dem pinken Buchrücken durchaus ansprechend ausgefallen ist, kann man nichts Anderes als eine Empfehlung aussprechen: ohne Frage, für jeden, der sich mit dem Thema Pink Floyd beschäftigt, eine essenzielle Anschaffung.

Rejoice! I’m Dead

Daß das erste Gong-Album nach dem Tod von Daevid Allen und Gilli Smyth den Namen „Rejoice! I’m Dead“ trägt, ist irgendwie folgerichtig und hätte dem kosmischen Catweazle und Mutter Gong mit Sicherheit gefallen. Die Frage bleibt natürlich dennoch, ob die aktuelle Besetzung um Kavus Torabi (Knifeworld) den Spirit der Band aufrechterhalten kann.

Nun ist es ja so, daß Gong im Laufe ihrer Karriere schon so viele Line-Up-Wechsel und Spin-Off-Projekte erlebt haben, daß eigentlich wirklich völlig Wurscht ist, wer denn nun gerade unter dem Namen musiziert. Und „Rejoice! I’m Dead“ ist ganz definitiv schon auf’s erste Hören ein klassisches Gong-Album geworden. Mit Steve Hillage und Didier Malherbe geben zwei alte Mitstreiter Gastaufritte, und selbst Daevid Allen ist noch auf zwei Songs zu hören. Stilistisch wird die Linie des letzten Albums „I See You“ fortgesetzt, also, natürlich etwas weniger clownig als zu „Flying Teapot“-Zeiten, dafür recht eingängig und trotz grundsätzlich spaciger Ausrichtung bei Bedarf auch durchaus beherzt rockend. Für die die die Band noch nicht kennen, könnte man das Ganze als eine luftige Mischung aus Syd Barretts Pink Floyd, „Lizard“-Ära-King Crimson und Lewis Carroll beschreiben, gleichermaßen esoterisch, spinnert, jazzig, psychedelisch und verspielt. Klar, nichts für den Mainstream, aber der hat ja noch nie viel kapiert.

Anspieltipps verbieten sich bei einem Gong-Album zwar eigentlich, da sie als Gesamtwerk freilich am Besten funktionieren. Für Reinschnupperer empfehlen sich aber zum Bespiel das eröffnende ‚The Thing That Should Be‘, bei dem man sich automatisch den kauzigen Ex-Boss vorstellt, wie er auf seinem Heimatplaneten sitzt und stolz auf die Fortführung seines Werkes herunterblickt. ‚Rejoice!‘ kommt mt der unverkennbaren Hillage-Gitarre, ‚Visions‘ ist eine klassische Ambient-Nummer (Gong gelten mit Brian Eno als wichtigste Einflussgeber des Genres) und ‚Insert Yr Own Prophecy‘ ein trotz des melancholische Themas mächtig Laune machender Ritt über den Planeten Gong, der noch einmal respektvoll, aber nicht wehmütig an die ehemaligen Bewohner erinnert. Wer die Band schon immer mochte, kann und wird hier also ohne Frage zugreifen, und für Neueinsteiger findet sich mit „Rejoice! I’m Dead“ tatsächlich eines der zugänglichsten Alben der Bandgeschichte. Daumen hoch für die erfolgreiche Fortführung des Kultes!

Sky Burial

Grenzen schränken einen ein, sie behindern einen in seinem Denken und Tun. Grenzen zu überwinden und Unterschiede vereinen bedeutet Entwicklung. Um musikalische Grenzen scheren sich Inter Arma wenig. Das Quintett aus Richmond vermengt auf seinem Debüt-Album „Sky Burial“ (Relaspe Records) Black Metal mit Sludge und Doom und Psychedelic und Post Metal zu gleichen Anteilen zu einer intensiven Melange aus Molltönen.

Viele Einflüsse lassen sich aus dem atmosphärischen Gebräu Inter Armas herausfiltern, aber die acht Songs zu zerlegen würde heißen, das Konzept hinter „Sky Burial“ zu zerfleddern. Das Gebotene muss als Einheit betrachtet und auf sich wirken gelassen werden. Mit viel Hall wirken die Kompositionen fast schon symphonisch, wäre da nicht der eiskalte Sound, der dem Gesamtwerk einen äußerst vielschichtigen Ausdruck verleiht. Akustische Passagen sorgen für noch mehr Tiefe und vorsichtige Keyboards für noch mehr Atmosphäre. Die Länge der Lieder ist ein weiterer Faktor, der mächtig auf das Gemüt schlägt und das Gefühl, allein zu sein, forciert. Dabei lassen lange Gitarrensoli die Gedanken in andere Sphären entgleiten. Die Stimmungslagen wandeln durch wehmütige Weiten und harsche Tiefen in bedrohliche Höhen, sodass „Sky Burial“ zu einem allumfassenden Hörerlebnis wird. Der Titeltrack, der diesen Opus ruhig ausklingen lassen soll, nimmt zum Ende hin mastodonische Hektik auf bevor er langsam stirbt. Wahrlich ein Erlebnis.

„Sky Burial“ nebenbei zu konsumieren wäre eine Schande für diese gewaltige Musik. Die 70 Minuten lange Düster-Oper funktioniert nur laut mit einem Kopfhörer oder über aufgedrehte lautsprecher. Nur so ist die Schmerzgrenze auslotend. Live in einem dunklen Raum könnte Inter Arma ein einzigartiges Erlebnis sein.

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