Schlagwort: Indierock

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‚I never rode a motor bike / And I don’t want to / It’s not the kind of thing I like‘

Clinging To A Bad Dream

Es gehört viel – oder, treffender: äußerst wenig – dazu, sich derart lakonisch zurückzumelden. Ein halbes Jahrzehnt, Himmel und Erde und eine ganze Menge Zeichen trennen die beiden Alben ‚No More Stories Are Told Today, I’m Sorry They Washed Away // No More Stories, The World Is Grey, I’m Tired, Let’s Wash Away‘ und ‚+-‚ (lies und werte: PlusMinus) voneinander. Tatsächlich mag sich vieles komprimiert haben in der Zeit. Mews auf ewig verspielter Anderswelt-Rock gehört nicht dazu, und das hat seine Schattenseiten.

Liebevoller Detail- und Schichtungsarbeit, kunstvoller Lyrik und einem breiten Farbspektrum zum Trotz: Es braucht eine ganze Weile, bis ‚+-‚ die Kurve kriegt. Genauer gesagt sechs Tracks, in denen Kimbra (‚The Night Believer‘) und Gastgitarrero Russell Lissack (‚My Complications‘) – der von Bloc Party – als Verschleißteile herhalten müssen. Die Flashlights und Satellites, die Jonas Bjerre da behaucht, blinken hinter Packeis, die ‚Feathers‘ sind honigverklebt. Über weite Strecken ist nicht viel mehr als flüchtiger Dunst übrig von den wolkigen Traumlandschaften der letzten Alben. Allzu sehr baut die Band auf ihren Markenkern, das Falsett ihres Sängers, zu selten schürt sie ihre Ideen zu etwas Durchschlagskräftigem. Nicht, dass der Stoff, aus dem Ohrwürmer sind, nicht schon überall herumläge; es hapert vielmehr am Nähen. Sechs Jahre sind eine lange Weile, da läuft die Nadel schon mal an, geht das Garn nicht mehr so flott durchs Öhr.

Symptomatischer Weise bleibt der müde Lacher am Ende des Refrains von ‚Water Slides‘ catchiest tune auf dieser nur seinem Titel nach gut gepolten Platte. Zu viele Melodien verhallen als Streifschüsse, zu viele Songs sind sich auf halbem Weg zum Radio dann doch zu fein, haben aber die Brücken hinter sich voreilig abgerissen. Und dann kommt das märchenhafte ‚Rows‘ daher und zeigt, dass es doch noch funktioniert: Ein Gedankenstrom, elf gedehnte Minuten Entwicklung in Hochauflösung, ein Nugget von einem Motiv, tausend kleine Ableger und eine melancholische Keyboard-Glasur obendrauf. Alles getreu der Zeile

‚We had time to let things crystallize‘

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Es wäre zu schön gewesen, würde danach ‚Cross The River On Your Own‘ nicht den Kitsch ins Feld führen. Siebeneinhalb Minuten überkandidelten Dreivierteltakts später ist zwar der Walzer vom Parkett, aber auch nichts mehr zum Nachspülen da und ‚+-‚ seinem undankbaren Nachgeschmack überlassen. Vom Cover aus blicken einen die zum Molekül verbundenen Eierwesen Jonas, Bo, Johan und Silas aus ihren Kulleraugen erwartungsvoll an. „Was nun?“, scheinen sie zu fragen. Man weiß es nicht. Aber eine nächste Chance ist ihnen gewiss. Und die nächste und übernächste. Und noch eine – weil sie so süß sind. Und weil man ‚+-‚ und seine titelgemäße Durchwachsenheit noch nicht so ganz wahrhaben will.

Mew – Puzzeln in der Achterbahn

2009 begleiteten Mew die Nine Inch Nails auf ihrer „Wave Goodbye“-Tour und schienen deren Motto im Eifer des Gefechts wohl ein wenig zu sehr zu verinnerlichen: Für mehr als ein halbes Jahrzehnt verschwanden die ewig jungen Dreamrock-Dänen daraufhin von der Bildfläche. Jetzt sind sie wieder da, in alter Frische und Verspieltheit. Mitgebracht haben sie nicht nur ein neues Studioalbum, sondern auch ihren vorübergehend abtrünnigen Ur-Bassisten Johan Wohlert. Wir skypten mit Frontfalsettiero Jonas Bjerre über Puzzlespiele, Kindheitsfreundschaften und Eier.

Glitterbug

Nach ihrem Durchbruchs-Album ‚The Modern Glitch‘ wurde der dritte Streich von The Wombats in aller Indie-Munde sehnlichst erwartet. Dementsprechend hoch natürlich auch die Ansprüche an ‚Glitterbug‘. Am Mischpult saß diesmal Mark Crew, der sich bereits mit Bastille ausgetobt hat. Und sein Faible für bombastisch wirkende Drums oder den dröhnenden Synthie hat sich auch auf das Album übertragen – was ‚Glitterbug‘ wirklich gut tut. Dies wird gepaart mit den eingängigen, schlichten Melodien von Matt ‚Murph‘ Murphy und einer starken hörbaren Präsenz, die man unter anderem vom großen Bruder Imagine Dragons kennt. Genau wie bei den Jungs aus Las Vegas haben The Wombats sowohl innerhalb des Songs als auch über das Album verteilt einen besonders facettenreichen Klang erzeugt, der vor allem vom variablen Synthiesound lebt. Quasi pro Song wird ein anderer Schalter und Regler am Keyboard gezogen, um jedem Titel eine möglichst eigene Note zu verleihen. Es hat den Anschein, als würden sie sich an AWOLNATION orientieren – teilweise gelingt ihnen der Unterschied auch schon so genial.

Dazu kommen die ebenso wichtigen prägnanten Beats, die beispielsweise in ‚Be Your Shadow‘ aggressiv, aber tanzbar ganz klar nach vorne pushen und ihn so zum markantesten Track von ‚Glitterbug‘ machen. Auch der funky Opener ‚Emoticons‘ mit smoothem Bassbeat und jaulender E-Gitarre, das wuchtige, mächtige ‚Greek Tragedy‘ oder ‚Headspace‘ mit galoppierendem 80er-Jahre New-Wave-Beat verleihen zusätzlich gute Laune und Lust, die eingerosteten Beine zu bewegen – wie eigentlich das komplette Album über. Die einzige softe Ausnahme, die von der Stilistik auch gerne öfter im Repertoire der Liverpooler vorkommen darf, ist ‚Isabel‘: eine sanfte Basedrum untermalt und begleitet diese Synthieballade mit Anlehnung an die unbeschreiblichen, ruhigen Nummern von The 1975.

Was besonders freut ist, dass sich die Engländer vom Sound treu geblieben sind. Bereits jetzt macht ‚Glitterbug‘ auch beim wiederholten Durchlauf immer noch Spaß. Und so wird auch dieses Album live vermutlich noch stärker vom Hocker hauen als gemütlich zu Hause auf dem Sofa lauschend. Fakt ist: The Wombats sind aus der ersten Indie-Garde nicht mehr wegzudenken. Da gehören sie auch völlig zu Recht hin.

Escape From Evil

‚Time will turn the time‘ – Die Schlüsselzeile in der ersten Single ‚To Die In LA‘ des dritten Longplayers ‚Escape From Evil‘ von Lower Dens aus Baltimore ist so einleuchtend wie banal. Die Zeiten ändern sich eben. Machen kann unsereins dagegen natürlich nicht. Das Rad dreht sich unaufhaltsam. Zu dieser Erkenntnis braucht es nicht zwingend eine Philosophie-Diplom. Ein wenig nichtssagend ist das, was auch auf die Platte von Lower Dens zutrifft.

Die Band ist das Projekt von Frontfrau Jana Hunter. Sie arbeitete zuvor länger solo, ehe sie sich dazu entschloss, mit einer klassischen Band zu musizieren. Dennoch hält sie seit jeher prägend die Zügel in der Hand und ist hauptverantwortliche Songwriterin. 2010 und 2012 entstanden daraus zwei Platten, die besonders von amerikanischen Kritikern wohlwollend aufgenommen und gelobt wurden. Die Platten zeichnete reduzierter, gefühlvoller Indie-Rock aus, der besonders in seinen experimentellen Momenten einen speziellen Zauber versprühte. Hunters Gesang war eher nebensächlich, viel mehr ging es um den Aufbau vielschichtiger Instrumentenwelten, die bei aller klanglichen Monotonität einen hypnotisierenden Sog erzeugten.

Das dritte Werk bricht nun mit dieser Vorgehensweise. Jana Hunter steht klar im Vordergrund. Poppige Melodien unterlegen das Ganze und werden von 80er-Synthies und glasklaren Gitarren unterstützt. Bittersüß und theatralisch klingt das zusammen, fast lässt sich der Bogen zu einer tanzbaren Lana Del Rey spannen. In Gänze wirkt das jedoch überfordernd. Die Strukturen der Songs bieten wenig Abwechslung. Zudem sind die Texte Hunters arg seicht geraten. Lebenskrisen werden aufgearbeitet, jedoch in einer Art, dass es eher an den Nerven zerrt, statt Mitgefühl auszulösen.

Der experimentelle Charakter von Lower Dens ist hingegen der Eingängigkeit gewichen. Das ist schade, denn es war ein absolutes Faustpfand, das die Band sehr hörenswert und spannend machte. ‚Escape From Evil‘ ist stattdessen eine Platte zum Nebenbeihören geworden.

Royal Albert Hall

Mark Oliver Everett alias „E“, der einzigartige, kauzig-sympathische Kopf hinter den Eels, blickt auf eine ereignisreiche, einzigartige Karriere zurück. Nach insgesamt zehn Studioalben seit dem Debüt „Beautiful Freak“ (1996) und dem hervorragenden „The Cautionary Tales of Mark Oliver Everett“ vom letzten Jahr verkündet Everett nun eine ganz besondere Veröffentlichung. Während der Welttournee, die im Mai 2014 startete und aus ganzen 53 Termine weltweit bestand (hier Whiskey-Soda Live Review vom Konzert in Zürich lesen) , suchte sich die Band den Auftritt in der legendären Royal Albert Hall London aus, um nicht nur ein neues Live-Album aufzunehmen und das komplette Konzert zu filmen, sondern um einmal mehr eine Neuerfindung der Band für die Ewigkeit zu konservieren. Beim letzten Auftritt in der Albert Hall 2005 waren die Eels von einem Streicher-Ensemble begleitet worden. Dieses Mal übernahmen die insgesamt nur fünf Musiker in Anzug, Krawatte und gegeltem Haar das gesamte, beeindruckende Instrumentarium: Gitarre, Klavier, Kontra- und E-Bass, Pedal-Steel-Gitarre, Trompete, Melodica, Vibraphon, Pauke, Schlagzeug und Glockenspiel. Mit atemberaubender Überzeugungskraft und dem inzwischen gewohnten, aber immer wieder zu Überraschungen führenden Grundgedanken, den eigenen Back-Katalog immer wieder im neuem Stil zu interpretieren.

Dieser zeichnet sich bei der „Cautionary Tour“ durch die die fast orchestrale Instrumentierung und eine besonders behutsame Umsetzung der bekannten Songs aus. Kein Rock’n’Roll, was Everett während des Auftritt immer wieder ironisch selbst beklagte, sondern „echte Langweiler“. Als das kann man die wunderschönen Eels-Songs aber wirklich nur bezeichnen, wenn man die volle Rock-Breitseite wesentlich bevorzugt, in der man die Eels auch schon posieren und spielen sah. Besonders harte Kerle mögen diese Tour dann möglicherweise die schlechteste finden, die die Eels je gemacht haben, denn als Rockmusik kann man das ehrlicherweise kaum noch bezeichnen. Doch letztlich passt die gediegen-ruhige Gentlemen’s Version sehr gut zu den immer schon schrullig-melancholischen Songs der Eels. Und das einmal ganz abgesehen von der riesigen, sehr stimmungsvoll beleuchteten Royal Albert Hall, die überdies bis zum letzten Plätzchen irgendwo auf den Logenrängen gefüllt scheint.

Nach dem Auftakt mit ‚Where I’m At‘ und weiteren Songs begrüßt Mr. E nach ‚Parallels‘ das Publikum in der ehrwürdigen Royal Albert Hall und küsst die Bühne an der Stelle, an der John Lennon einst stand und spielte. ‚Mansion Of Los Feliz‘ adressiert Everett an seine Wahlheimat in Los Angeles, um mit den Geistern seiner verstorbenen Eltern und Schwester auf dem Sofa Platz zu nehmen und trotz tragischer Biografie der schönen Momente seiner Kindheit mit ‚Where I’m From‘ zu gedenken, von Trompete und Glockenspiel umrahmt. ‚Daisy Through Concrete‘ darf nicht fehlen, mit ‚Fresh Feeling‘ und ‚I Like Birds‘ wird es dann tatsächlich etwas rockig und das durch den Shrek-Film zu später Berühmtheit gelangte ‚My Beloved Monster‘ singt E mehrstimmig mit Bassist Al, Schlagzeuger Knuckles und Gitarrist Pee-Boo.

Während nach dem Ende des offiziellen Sets mit ‚Where I’m Going‘ Mr. E’s Begleitmusiker auf der Bühne stehen, sich verbeugen und den Applaus genießen, zeigt der sonst eher scheue Everett einmal mehr eine neue Seite. Eine, die sich schon mit dem deutlich versöhnteren letzten Album irgendwie andeutete: Der Musiker läuft ins Publikum und verteilt Umarmungen! Die ungewohnte Nahbarkeit des bärtigen Kauzes wird begeistert aufgenommen. Aus allen Richtungen kommen Fans gelaufen, die den Meister für seine wundervollen Songs drücken wollen. Was für ein Moment, den der Mittelpunkt des Abends nach mehreren Minuten im Publikum auf die Bühne zurückgekehrt mit einem „Puh, das war toll – aber auch ganz schön furchteinflößend“ und dem augenzwinkernden ‚I Like The Way This Is Going‘ beendet. Weitere Zugaben sind ‚Blinking Lights‘ und das zum Weinen schöne ‚Last Stop This Town‘. Auch Cover-Songs sind integraler Bestandteil jeder Eels-Show. Dieses Mal das berühmte ‚Can’t Help Falling In Love‘ (Elvis Presley) und ‚Turn On The Radio‘ von den Bay City Rollers. Die Krönung des Konzerts ist zweifelsohne die Zugabe-Songs ‚Flyswatter‘ und ‚Sound Of Fear‘ auf der gigantischen Orgel der Royal Albert Hall, die Everett als ominös verkleidetes „Phantom“ mit Umhang und Melodie „illegal“ entert. Nach den zwei schaurig-kribbeligen Songs auf dem monströsen Instrument endet das rund 90-minütige Konzert mit triumphal-höhnischem Gelächter. Perfektes Entertainment, großartige Musik und ein kauziges Genie, das die Fans mehr und mehr ins Herz schließen, weil es sich vom Kauz zum netten Typ von nebenan wandelt.

Olli Schulz – Saunabesuche, Lebensweisheiten und Selbstironie

Vor zwölf Jahren, als er seine erste Platte „Brichst du mir das Herz, dann brech ich dir die Beine“ veröffentlichte, war Marc Oliver Schulz ein kleines, charmant leuchtendes Licht im deutschen Indie-Rock-Untergrund. Wenngleich sein Talent, Lebenswahrheiten in skurrile Songs mit Groove und Melodie zu packen, schon damals deutlich zu erkennen war, spielte der Hamburger in kleinen Clubs vor kleinem Publikum. 2015 ist Schulz vor allem wegen seiner in den letzten Jahren großen Präsenz im Fernsehen ein bekanntes Gesicht. So war es kein Wunder, daß nach seinem großen Erfolg mit „Schulz In The Box“ seine aktuelle Deutschland-Tour in den meisten Städten ausverkauft war. Daß das auch beim einzigen Schweizer Konzert in Zürich der Fall sein würde, wo Schulz Bekanntheit schon immer geringer war, war dann aber doch eine kleine Überraschung.

Strangers To Ourselves

Seit einiger Zeit hatte man Modest Mouse nun schon der Kategorie der ewig tourenden und keine neuen Alben veröffentlichenden Superstars zugeordnet. Es galt sich von der kommerziellen Erfolgsbombe ‚We Were Dead Before The Ship Even Sank‘ zu erholen. Damals war mit Johnny Marr hohe Prominenz in den Rock-Kader gekommen. Mit vereinten Kräften hievten sie das fünfte Studioalbum bis an die Spitze der Billboard-Charts, tourten eine halbe Ewigkeit um die Welt und überforderten sich wahrscheinlich selbst mit dem wahnsinnigen Erfolg.

Mainstream-Druck hin oder her, nach acht Jahren schlägt es doch langsam fünf vor zwölf. Weiß auch die Kombo aus Washington. So stellen Modest Mouse mit Pauken und Trompeten ein neues verrückt-verwirrtes Werk in die Pole-Position. Diesmal nicht Schiffbruch und Seemänner besingend, sondern mit der Suche nach der eigenen Bedeutung in einer fremdwirkenden Welt.

‚From birth to grave, I couldn’t see so clearly what I was or became‘.

(‚Pups To Dust‘)

Um Johnny Marr ärmer, aber um einige andere Gesichter reicher, musizieren die Indie-Rocker auf ‚Strangers To Ourselves‘ völlig losgelöst vom Vorgänger. Wechselspiel zwischen Laut und Leise perfektionieren sie durch eine Menge Kontraste. Nach gleichnamigem Opener, der sich durch bedachte Orchesterbegleitungen und unaufgeregtem Gesäusel hervor tut, fegen Gitarren, Rhythmusgruppen und Gesang über die aufgeladenen Tracks. Die Songs reichen von einem Spektrum ins nächste. Zartbesaiteten Akkustikmomenten (‚Coyotes‘, ‚God Is an Indian and You’re an Asshole‘) stellen sich kleine musikalische Explosionen (‚Be Brave‘) oder Jahrmarktmelodien(‚Sugar Boats‘) gegenüber. Das hervorragende ‚The Ground Walks, With Time in a Box‘, das Modest Mouse in bekannten Gewässern weiß, hält eine unglaubliche Spannung mit prägnanten Gitarrenriffs und antreibendem Disko-Basslauf aufrecht. Isaac Brock zeigt dabei so vielfältig wie selten, was in seinem starken Stimmchen steckt. Auch mal als verkappter Rap-Künstler auf ‚Shit In Your Cut‘ oder ‚Pistol (A. Cunanan, Miami, FL. 1996). Daraus lässt sich allerdings wenig ziehen. Diese Songs zählen nicht unbedingt zu den Glanzmomenten des Albums. Besonders wenn Isaac Brock mit entfremdeter Stimme

‚Why dont you come into my room and clean my pistol load up‘

singt, widmet man sich doch lieber wieder seiner bildhaften Alltagsphilosophie und lässt derartige Ausrutscher einfach unkommentiert.

Denn von den quälenden Fragen der verrückten Welt hat Herr Brock wieder einiges in petto und wird seiner verwirrten Philosophenrolle mehr als gerecht. ‚Strangers To Ourselves‘ könnte auch gut eine Lehrstunde über Identitätssuche und Lebenssinn sein. Steckengeblieben zwischen der Rolle des Menschen auf der Erde und dem eigenen Wirrwarr im Kopf, predigen die Amerikaner auf nahezu jedem Song des Albums die kümmerliche Rolle unserer selbst:

‚Well the earth doesn’t care / And we hardly even matter / We’re just a bit more piss to push out its full bladder‘

(‚Be Brave‘).

Modest Mouse sind mit lautem Getöse zurück und einem beachtlichen sechsten Album. Hier vereinen sich eine Bandbreite an aufregenden Sounds, die dringend ihren Weg zu uns nach draußen gesucht haben. Acht Jahre sind eben doch eine lange Zeit.

Puddinghead

Für die zahlreichen Australien bevölkernden Backpacker kommt diese Band mit Sicherheit als nicht allzu große Überraschung auf den europäischen Kontinent herüber geschwappt. Für die, die Licht im Dunkeln brauchen, hier ein kleiner Steckbrief: Das sind Ball Park Music. Vier verträumte junge Herren und ein kesses Mädel. Das Musikstudium brachte die fünf Aussies zusammen. Kurzerhand wurde aus Sänger Sam Cromacks Soloprojekt eine Band, und so fand man sie bald als Radiosender Triple J’s Schützlinge auf australischem Überflug. Ihr nun eigentlich schon drittes Album ‚Puddinghead‘ ist Ball Park Musics erster internationaler Release. Ein ganzes Jahr lang sperrten sie sich hierfür in ein 70er-Jahre Bungalow, die Instrumente zur Hand und die heiße australische Sonne als Anheizer für Gemüt und Songwriting. Die Kirsche aufs Sahnehäubchen legte Produzent Tony Hoffer (Belle and Sebastian, M83, The Kooks), der das australische Jammen salonfähig machte. Entstanden sind dabei zwölf ansehnliche Post-Punk-Popsongs, die vor Leichtsinn, Freude und Nerd-Attitüde nur so strotzen.

Wer aber jetzt hinter den fünf unbeholfen Puddingheads nur eine Nerd-Kombo erwartet, hat weit gefehlt. Ball Park Music sind durchaus mehr als schnauzbart- und brillentragende Weezerverschnitte (obwohl hier gesagt werden muss, dass sie sehr an ihre amerikanischen Buddies erinnern!). Auf ‚Puddinghead‘ schrammeln sie, was das Zeug hält, losgelöst von jeglichen Regeln. Ball Park Music verbinden ihre auch mal bluesigen und rockigen Gitarren mit quickfidelen Keyboardhooks und fröhlichem Harmoniegesang. Sie greifen tief in die Trickkiste und holen alles heraus, was geht. Die kurzen Nummern, die von der ersten Schulbandprobe stammen könnten (‚Next Life Already‘), die Shoegaze-Masche (‚Cocaine Lion‘), versuchen es mit einer unbeholfenen Ballade (‚Teenager Pie‘) oder Liedern, die schon fast beim Britpop landen (‚Girls From Highschool‘). Dazwischen brillieren vor allem ‚She Only Loves Me When I’m There‘ und ‚Error Playin“ mit schmissigen Harmoniegesang von Sam Cromack und Jennifer Boyce und groovigen Melodien.

Und all das funktioniert problemlos – unbeholfen, ja, aber gerade weil ihre unbändige Energie und ihr Charisma aus jedem Akkord zu springen scheinen, mit Erfolg. So halten Ball Park Music dem strengen europäischen Markt endlich genüsslich die sonnenverbrannte Stirn hin. Und wenn einem dann noch die Texte erst richtig auffallen, merkt man, dass sich die fünf mit Sicherheit selbst nicht allzu ernst nehmen. Vor allem wollen ihre sonnigen Gemüter nämlich eines: Spaß und Freude. Musik kann schließlich auch mit anderen Mitteln leuchten.

Restriction

Hoppla, ging das schnell! Ein Dreivierteljahr nach dem durchwachsenen Soundtrackalbum ‚Axiom‘ und dazugehörigem Kurzfilm schieben Archive nach und bringen einen zumindest vordergründig etwas handfesteren Longplayer unter die Leute. Die in ihrer britischen Heimat chronisch unter Wert gehandelten Stilshaker scheinen sich dabei in vornehmer Zurückhaltung zu üben, taufen ihn tiefstapelnd ‚Restriction‘. Von restriktiver Klangerzeugung allerdings ist hier weit und breit nichts zu hören, vielmehr hat die Band nun den Turbolader angeschmissen.

‚Restriction‘ macht keinen Hehl daraus, keine dramaturgischen Absichten zu verfolgen. Es kommt einem heillos verdrehten Zauberwürfel gleich, ist eher geflicktes Sammelsurium denn passgenauer Unibody-Album-Guss. Warum auch ins Museum gehen, wenn der Zirkus gerade in der Stadt ist? Und warum nicht einfach mal drei vollkommen unterschiedliche Singles zugleich auskoppeln?

Sicherlich trägt dieses stilwütige Album keinen Deut dazu bei, die eigenen Eindrücke von dieser Band zu festigen oder auch nur irgendwie zu ordnen. Allein die musikalische Rollenverteilung zwischen Pollard Berrier, Dave Pen, Maria Q und Holly Martin (Fan ist, wer sie alle (er)kennt!) ist nur mit Mühe zu übersehen. Auch stilistisch betrachtet starrt das Tatobjekt nur so vor Fingerabdrücken. Irgendwo zwischen Post-Rock, TripHop, Indie-Pop und Industrial beheimatet erzählt die Band um Darius Keeler und Danny Griffiths Anekdoten von der freien Liebe zur Musik und wohin diese so führen kann. Herausgekommen sind im Groben zwei Typen von Stücken: die windkanalartig durchbrausten, gesangsfokussierten Freiflächen (wie ‚End Of Our Days‘) auf der einen, die von angekratzten Synthies aller Art durchgekneteten Arrangier-Manöver (wie ‚Ride In Squares‘) auf der anderen Seite. Was innerhalb dieser Spannweite so alles passiert, lässt ‚Restriction‘ seinem Titel entgegen als regelrechtes Testlabor von einem Album erscheinen, eine Versuchskammer voller an- und eingerissener Soundscapes. Das Spektrum reicht von Sanftmut bis Aggression, ist mit allen Tempi per du und wann immer sich Kontinuität andeutet, beeilen sich Archive, die Muster zu zerschlagen, bevor der Lack sich härtet. Ein Bild, das man da deuten kann, wie man mag – Mut haben Archive allemal, den Hörer an ihrer Zerstreutheit teilhaben zu lassen.

Eine herrlich paradoxe, brainstormige Platte haben sie da gemacht, Keeler, Griffiths und Kompanie. Eine, die durch unbedingte Offenheit und nahezu manische Vielfalt der Zugänglichkeit den Weg abschneidet. Und die zu kapieren einiges an Zeit in Anspruch nehmen wird. Ob die trügerische ‚Restriction‘ als Flucht nach vorn gedacht war oder doch die endgültige Abkapselung besiegeln sollte, werden wir vermutlich nie erfahren. Eines aber muss hier umso mehr gelten: Wer sich nicht entscheiden kann, der nimmt einfach alles.

KRAFTKLUB – Tourtickets werden knapp

Letztes Jahr haben Kraftklub mit “In Schwarz“ ein würdiges Nachfolgescheibchen zu “Mit K“ auf den Markt geworfen und dieses soll nach den wahnsinnig schnell ausverkauften Club-Gigs nun in etwas größeren Locations live performed werden. Am 17. Februar startet die “In Schwarz“-Tour, die zum Teil schon ausverkaufte Termine vorzuweisen hat. Also wer Kraftklub noch live erleben…