Schlagwort: Elektro-Pop

beautifulgarbage

Wenige Wochen nach dem Terroranschlag vom 11.09.2001 veröffentlichten Garbage ihr drittes Album „beautifulgarbage“. Die Welt war in Aufruhr, neue Musik war in diesen Wochen absolut zweitrangig und Promotion nur sehr begrenzt möglich. Das alles allein ist aber nicht der Grund, warum die Scheibe vor 20 Jahren kommerziell deutlich hinter den Vorgängern zurückblieb. Die Truppe um Frontfrau Shirley Manson hatte sich teilweise an neuen Sounds versucht und ihre Fans mitunter ratlos zurückgelassen.

Nun zum Jubiläum legen Garbage -genau wie bei den ersten beiden Werken- eine frisch gemasterte Neuauflage mit zahlreichen Extras auf insgesamt drei Tonträgern vor.

Mit der klaren Ansage „Shut Your Mouth“ geht es los. Ein knackiges Gitarrenriff eröffnet, bevor in den Strophen Drum-and-Bass-Klänge den gerappten Text untermalen. Erst im Refrain wird es rockig und eine laute Gitarre ist zu hören.

„Androgyny“ war damals die erste Single – und wurde auch nun in einer Mix-Version vorab veröffentlicht. Wie die gesamte Platte hatte auch der Song nur begrenzten Erfolg. Aus heutiger Sicht kaum verständlich. Vereint das Lied doch die typischen Garbage-Klänge: Elektro-Pop mit Gitarre, die unverkennbare Stimme Mansons und einen eingängigen Refrain.

Bei „Till The Day I Die“ glaubt man bei den ersten Sekunden, dass versehentlich eine Nummer von Madonna sich untergemischt hat. Zu groß sind die Ähnlichkeiten und auch im Chorus werden die Anleihen deutlich. Zwei Jahre nach ihrem Beitrag zum Bond-Soundtrack hat man bei der Ballade „Cup Of Coffee“ den Eindruck, die Band bewirbt sich erneut für den Vorspann. Sehr elegisch und mit diesem eindringlichen Gesang, der auch „The World Is Not Enough“ in die Kinos brachte.

Mit einem Wechsel aus ruhigeren und rockigeren Songs geht es weiter, wobei die ruhigeren deutlich überwiegen. Das ist auch der einzige Vorwurf, den man „beautifulgarbage“ machen kann. Die damals ach so gewagten und mäßig beliebten Sounds überraschen und stören heute nicht mehr.

Die erste der beiden Bonus-CDs enthält B-Seiten, mit einigen wunderschönen Juwelen darunter – auch hier weitestgehend eher ruhig. Hervorzuheben sind eine Live-Fassung des Rolling-Stones-Hits „Wild Horses“, das durch Shirleys tiefe Vocals Gänsehaut verursacht, sowie das U2-Cover „Pride“.  Die zweite Zugabe enthält Remixe der Album-Tracks, die mal mehr und mal weniger gelungen, aber allemal spannend anzuhören sind.

Die übliche Frage bei Re-Releases ist, ob man sie braucht. Wer das Original im Schrank hat und sich nicht für Raritäten und Besonderheiten interessiert, kann sein Geld sparen. Wer die Gruppe mag und wem „beautifulgarbage“ noch fehlt -oder wer auch abseits der Standard-Auflage neugierig ist, sollte hier seine Sammlung auf jeden Fall vervollständigen.

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GARBAGE – Klassiker wird zum 20. Geburtstag neu veröffentlicht (Update: Veröffentlichung verschoben)

Nur wenige Monate nachdem Garbage mit „No Gods No Masters“ ihr jüngstes Werk auf den Markt gebracht haben, legen sie nun mit einer Sonder-Edition ihres Klassikers „beautifulgarbage“ (Stuntvolume/BMG) nach. 20 Jahre nach der Veröffentlichung wird das legendäre Album nun frisch gemastert neu aufgelegt. Neben den bereits bekannten Songs gibt es auf zwei weiteren Scheiben zahlreiche…

No Gods No Masters

Fünf lange Jahre sind vergangen, seit Garbage neue Musik veröffentlicht haben. Die lange Wartezeit ist nun mit „No Gods No Masters“ (Infectious) endlich beendet. Das mittlerweile siebte Werk der Truppe aus Wisconsin enthält elf (in der Deluxe-Version sogar 19) brandneue Titel und ist der Nachfolger des hochgelobten „Strange Little Birds“ von 2016.

Die ersten Töne beamen die Hörer in längst vergangene Zeiten zurück: das klassische Piepen und Rattern eines Glücksspielautomaten, die früher in jeder Kneipe standen, eröffnet „The Men Who Rule The World“. Dann setzt das Schlagzeug ein, Shirley Mansons markante Stimme kommt dazu und lässt einen typischen Garbage-Titel entstehen. „The Creeps“ zeichnet sich durch ein zackig gespieltes Schlagzeug und mehrstimmigen Gesang aus, während „Waiting For God“ eine ruhige, elektronische Ballade ist, die – rein musikalisch – auch aus dem Hause Depeche Mode stammen könnte. Damit ist der eher ruhige Mittelteil der Scheibe erreicht, der mit „A Woman Destroyed“ seinen Höhepunkt erreicht. Leise Keyboard-Klänge, die an diverse Szenen aus der Killerserie „Dexter“ erinnern, sind hier sicher nicht zufällig gewählt. Es ist der „gute Rat“ einer verlassenen Frau, die ihrem Ex droht „I guess I’ll be taking my revenge, cause you wrecked my dreams and all my plans, don’t walk home in the dark alone, better sleep with all the lights on“. Spooky.

Schneller wird es dann wieder beim Titelsong. Hier stehen Duke Eriksons Keyboards und zahlreiche Loops von Drummer Butch Vig im Vordergrund und treiben die Nummer nach vorne. Ruhig wird es ganz am Schluss noch einmal. Mit dem elegischen „This City Will Kill You“ schließt das Album nach einer knappen dreiviertel Stunde.

Garbage schaffen es mit „No Gods No Masters“ einmal mehr, die Brücke zwischen elektronischer und moderner Rockmusik zu schlagen. Diese Mischung ist speziell, war aber schon immer das Markenzeichen der Band und gelingt einmal mehr sehr überzeugend. Wer zu den Klassikern der Gruppe wie „Only Happy When It Rains“ getanzt hat, wird mit diesem Album sofort Freundschaft schließen.

 

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TVINNA – Debütalbum kommt im Februar

Die international besetzte Formation Tvinna kündigt mit „One – In The Dark“ ihr Debütalbum an. Freunde von düsterem, progressiven Popklängen dürfen sich jetzt schon einmal auf diese Veröffentlichung freuen, sind die Mitglieder der neuen Band doch keine Unbekannten. Tvinna wurde von Laura Fella (Faun) und Fiona Rüggeberg (ehemals ebenfalls bei Faun) gegründet. Mit dabei sind…

The Ballad Of The Hammer And The Nail

„The Ballad Of The Hammer And The Nail“ (Crispin Glover Records) ist das vierte Album des Soloprojekts Bladed, hinter dem die norwegische Sängerin Anita Kaasbøll steht.

Die Musikerin setzt mit dem neuen Album ihre begonnenen Reise fort, wobei sich die Instrumentierung noch weiter als bisher zurückhält. Entstanden sind intime, sehr persönliche Songs, die sich fast völlig auf Kaasbølls Stimme konzentrieren, die oft sehr hoch daherkommt und hin und wieder Kate Bush erinnert. Teilweise ist der Gesang schon fast ein wenig zu hoch und wirkt schrill. Das muss man mögen. 

Shoegaze, Indierock und Artpop treffen zusammen und verschmelzen zu einem melodischen, lyrischen Gesamtkunstwerk, dabei enthält die musikalische Begleitung viele Elektronikanteile mit sanften E-Beats und schwellenden Keyboards. Das ist mal mehr Alternative-Rock, mal kunstbetonter Pop und manchmal sogar richtig schmalzig. Die in Zusammenarbeit mit dem Texter Thomas Oxem geschriebenen Texte reichen von naiv über satirisch bis zu Anspielungen auf klassische Literatur, der dazugehörige Gesang ist schwelgerisch, zerbrechlich, stark, durchdringend und auf jeden Fall sehr außergewöhnlich, genau wie das ganze Album.

Der Name „The Ballad Of The Hammer And The Nail“ klingt eher nach brachialem Hau-Drauf-Metal, dahinter steckt aber verspielter, abwechslungsreicher Artpop der ungewöhnlicheren Sorte.

Die große Palmöllüge

Punk is dead and so am I.

Fair enough. Aber muss das tatsächlich in Form des hektischen und schwer erträglichen Synthie-Dance-Tracks „Zwischen Thermomix & Webergrill“ konstatiert werden? Anscheinend ja. Denn soviel dürfte den Hörer*innen an dieser Stelle, nämlich dem letzten Stück des Albums „Die große Palmöllüge“ (Kidnap Music), bereits klar sein: Bei Akne Kid Joe gibt’s nur Entweder-Oder. Da machen sie keine Kompromisse.

Zumal es Satire ist. Bis dahin hat man außerdem schon 14 inhaltsstarke Songs hinter sich und kann mit besagten abschließenden 3:23 Minuten das Hirn nochmal ordentlich durchblasen lassen. Denn das gesamte Album zu hören, ist wie ein Hauptseminar in linker politischer Praxis – es erfordert Aufmerksamkeit und Konzentration. Durchhaltevermögen ist angesagt, denn mit ihrem Schwerpunkt auf den Texten sind die Songs musikalisch wiederum nicht besonders anspruchsvoll. Mit wenig sinnlicher Abwechslung bewegen sie sich per Mitwipp-Midtempo in einem Punkrock-Elektro-Pop-Gemisch, das sich gut zum Bier und Mit-Parolieren eignet.

Nicht allzu schön also, aber hochmotiviert und daher durchaus überzeugend präsentieren Akne Kid Joe eine Art Liederbuch für den oder die gesellschafts- und kapitalismuskritische*n, antifaschistische*n, antirassistische*n, antisexistische*n und ökologisch bewusste*n Umstürzler*in jeglicher Altersgruppe. Eingängige Chor-Gesänge, die gute Laune verbreiten UND das Bewusstsein stärken – so leicht geht Antifa. Mit dem niedrigschwelligen Agitprop ihres zweiten Albums wird die Band aus Nürnberg dennoch oder gerade deswegen kaum außerhalb ihrer gesellschaftlichen Blase punkten können. Dazu bräuchte es ein Mehr an Subtilität und gerne auch Dialektik.

„Die große Palmöllüge“ ist immerhin ein Album mit klarer Zielgruppe und eindeutigem Freund-Feind-Bild. Da kann später Keiner sagen, er oder sie hätte von nichts gewusst.


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Rookie Records

 

Martini Sprite

Feminismus. Nimmt Frau diesen Begriff in den Mund, hat sie die Etiketten frigide, prüde, männerfeindlich und spaßbefreit schneller weg, als sie ihren BH verbrennen kann. Blond lösen dieses Dilemma ziemlich clever, indem sie das vermeintliche Unwort auf ihrem Debüt „Martini Sprite“ (Beton Klunker Tonträger / Rough Trade) einfach nicht in den Mund nehmen – und trotzdem mit doppelter Frauen- und ein-facher Man-Power den Machos und Chauvis dieser Welt fröhlich den Mittelfinger zeigen.

Leichtfüßig auf Synthie-Melodien tänzelnd, gerne mal die Saiten schrammeln und den Bass wabern lassend, brechen Blond kleinere und größere Tabus und weisen allzu erklärungsfreudige Männer, neudeutsch Mansplainer, in ihre Schranken. Stellvertretend für letztere muss „Thorsten“ herhalten. In dem Song rechnen die Schwestern Lotta und Nina Kummer mit all den Kerlen ab, die ihnen weder einen professionellen Soundcheck noch eine selbstbestimmte Kleiderwahl zutrauen. Auch das Thema Menstruation wird nicht ausgespart – schließlich kündigt die sich immer dann an, wenn es überhaupt nicht passt, denn „Es könnte grad nicht schöner sein“. Verflixter Uterus.

Ihren tempogeladenen, hart an den 80ern, Glam Rock und Soul-Rhythmen kratzenden Sound beschrieben Blond einmal treffend als „Las Vegas Glamour“. Der gleichnamige Track hingegen berichtet humorvoll von den Höhen und Tiefen des Tour-Lebens. Überhaupt strotzt „Martini Sprite“ nur so vor Augenzwinkern und (Selbst)Ironie. Die ChemnitzerInnen nehmen sich selbst und das Leben nicht bierernst, finden auch in der ätzendsten Situation noch eine Prise Witz und wissen diese virtuos zu pointieren.

Mit „Martini Sprite“ liefern Blond definitiv ein gelungenes Debut. Die zehn Tracks nebst Intro und Outro sind energiegeladen, gehen mit Druck nach vorne und dürften live den gesamten Saal zum Tanzen bringen. Hier ballen sich Kreativität, Talent und innovative Klänge – bitte mehr davon!

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Vagabon

Lætitia Tamko alias Vagabon lässt sich nicht gerne in eine Schublade stecken. War ihr Debüt-Album „Infinite Worlds“ (2017) noch klar von Gitarren und Indie-Anleihen geprägt, wildert Tamko für ihren Zweitling „Vagabon“ (Nonesuch Records) im eher entspannten Pop- und Elektrosound. 

Dabei herausgekommen sind durchaus interessante Arrangements und Melodien, die immer wieder einen Überraschungseffekt bereithalten. Das verhindert dennoch nicht, dass die Platte ab etwa Track drei beginnt, vor sich hinzuplätschern. Mag sein, dass das an der unaufgeregten Grundstimmung liegt, die Vagabon mit ihrer sanften, klaren Stimme und den weichen Klängen transportiert.

All das hüllt die HörerInnenschaft in eine kuschelige Decke aus Geräusch und hilft dabei, abzuschalten und sich aus dem stressigen Alltag auszuklinken. An sich keine negative Eigenschaft von Musik – wenn es sich um eine Meditations-CD handelt. Denn die Botschaft der Künstlerin, die durchaus etwas zu vermelden hat, kippt dabei leider hinten über. 

Der gelungenste Song auf „Vagabon“ ist zweifelsohne die erste Single „Flood“. Der Track baut sich langsam auf und entwickelt schließlich eine nicht zu leugnende Intensität. Weiterer Anspieltipp: „Wits About You“, ein Stück, dessen Drum-Basis wie ein arrhythmischer Herzschlag klingt, und das durch gelungene Tempowechsel besticht. 

Zu sagen, Lætitia Tamko hätte mit „Vagabon“ ein bestenfalls hörbares Album abgeliefert, wäre nicht fair. Allerdings wäre mehr drin gewesen. Eventuell hätte es der Künstlerin gutgetan, sich einen passenden Produzenten zu suchen, anstatt neben Texten und Komposition auch noch diesen Part zu übernehmen. Das nötigt zweifelsohne Respekt ab. Manchmal kann eine andere Perspektive allerdings den nötigen Twist mit sich bringen, der aus zehn durchaus passablen Musikstücken etwas ganz Großes macht.

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Nonesuch Records

Miami Memory

Alex Cameron ist ein Grenzgänger. Der Australier scheut sich nicht davor, elegant am Rande des Kitsch zu balancieren oder bitterböse Botschaften in zuckersüße Klänge zu verpacken. Sein neuester Wurf „Miami Memory“ (Secretly Canadian) bedient sich virtuos bei allem, was inzwischen theoretisch dem guten Musikgeschmack zuwiderläuft. Theoretisch.

Saxophone – die melodische Geißel sämtlicher 80er Jahre-Songs -, Piano, penetrant wallende Synthesizer, Triangeln, Handclaps – all das und noch so einiges mehr versammelt Alex Cameron auf seiner Platte. Was sich wie eine unerträgliche Kakophonie liest, ergibt in der Hand des Singer- / Songwriters eingängige Indie-Pop-Melodien, die einen spannenden Kontrast zu seinen bissigen, hintersinnigen Texten liefern.

„Bad For The Boys“ beispielsweise rechnet begleitet von federleichten Bläsersätzen und beschwingten Hammond-Orgeln mit der Sorte Mann ab, die dem Feminismus die Schuld an so ziemlich allem gibt. Die Single „Divorce“ kommt fröhlich juchzend auf einem tanzbaren Drumbeat daher und dreht sich doch nur darum, dass endlich das verflixte Wort „Scheidung“ ausgesprochen werden soll, damit das Elend ein Ende hat.

Cameron präsentiert auf „Miami Memory“ zehn abwechslungsreiche Tracks, die nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich sehr breit aufgestellt sind. Er bedient sich dafür nicht billiger Effekthascherei, denn jedes Stück ist eine kleine, spannende Welt für sich, die auch nach mehrmaligem Hören immer wieder neue Facetten offenbart – eine große Kunst in Zeiten, in denen vieles in der Beliebigkeit versackt. 

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Secretly Canadian