Steve Hackett ist im Prinzip das
einzige der ehemaligen Genesis-Mitglieder, das sich nach wie vor in
schöner Regelmäßigkeit kreativ zu Wort meldet. Ja, gelegentlich
gibt es auch Neues von Mike & The Mechanics oder ein Klassikalbum
von Tony Banks, bis vor ein paar Jahren kam auch Ray Wilson noch
regelmäßig mit neuem Stoff um die Ecke. Aber die Verlässlichkeit,
mit der Steve die Fans mindestens einmal im Jahr mit einem Soloalbum
oder einem Sideproject erfreut, kann keiner seiner Kollegen halten –
und auch deutlich jüngere Kollegen tun sich schwer, mit dem Output
des 68jährigen mitzuhalten.
Das wäre aber natürlich alles nur
halb so viel wert, wenn Hackett nicht auch auf jedem Album
Qualitätsarbeit nach Maß abliefern würde. Dabei ist es auch egal,
ob er ein Klassikalbum aufnimmt, mit einer Jazzband kooperiert oder
einfach nur ein urtypisches Hackett-Soloalbum veröffentlicht. „At
The Edge Of Light“ bezeichnete Steve schon im Vorfeld als
Bekenntnis zum Rock – und in der Tat findet sich hier diesmal recht
viel Uptempo-Material. Auf die klassischen Nylongitarrenstücke muss
man diesmal also leider verzichten, aber der Hackettsche Soundkosmos
gibt auch so noch genug Stoff für ein feines Stück Progrock. Wie
schon auf dem Vorgänger „The Night Siren“ salzt Steve das
Material mit jeder Menge Elementen aus der World Music, die Songs wie
‚Shadow And Flame‘ oder den Opener ‚Fallen Walls And Petestals‘
bereichern. Das ist natürlich nichts Neues für Hackett-Fans,
schließlich gab es schon auf „Spectral Mornings“ (1979)
erste Experimente in diese Richtung. Auch die Liebäugeleien mit Soul
und Rhythm’n’Blues, die „Please Don’t Touch“ (1978) und
„Blues With A Feeling“ (1994) prägten, lässt er in Form
von ‚Underground Railroad‘ wieder aufleben. ‚Under The Eye Of The
Sun‘ und ‚Hungry Years‘ sind hingegen reine Pop-/AOR-Songs, die auch
auf dem einzigen Squackett-Album oder einer späteren Asia-Scheibe
gut ins Konzept gepasst hätten. Und mit ‚Those Golden Wings‘ zieht
er in knapp über elf Minuten Spielzeit so ziemlich jede Karte, die
ihm musikalisch zur Verfügung steht und erschafft ein Epos im Stil
von ‚Sleepers‘ oder ‚There Are Many Sides To The Night‘, das aufgrund
des kraftvollen Mittelparts auch durchaus ein wenig an Genesis
erinnert. Auch die letzten drei Songs lassen zumindest konzeptionell
an Steves Exband denken, bilden bilden sie doch ein Triptychon im
Stile des „Wind And Wuthering“-Finales. ‚Descent‘ ist im
Prinzip eine freie Adaption von Gustav Holsts ‚Mars‘-Thema, das auch
schon von King Crimson und Manfred Mann’s Earth Band aufbereitet
wurde, ‚Conflict‘ ein percussiongetragenes, düsteres Gitarrenstück
im Stile von ‚Hackett To Pieces‘ oder ‚The Air-Conditioned Nightmare‘
– und ‚Peace‘ der dem Titel gemäß versöhnende Schluss mit schönen
Beatles- und Queen-Anleihen.
Natürlich, einmal mehr bewegt sich Hackett mit seinem Album ganz gemütlich in seiner Komfortzone, und ob das Material des Albums sich auf Dauer mit den ganz großen Klassikern messen kann, zeigt wohl erst die Zeit. Was „At The Edge Of Light“ manchem Hackett-Album aber auf jeden Fall voraus hat, ist die Tatsache, dass diesmal größtenteils ein echtes Schlagzeug zu hören ist und das Material somit rhythmisch deutlich griffiger tönt. Bei Namen wie Simon Phillips (Toto, The Who, Mike Oldfield) und Nick D’Virgilio (Big Big Train, Fates Warning, Spock’s Beard) kein Wunder, aber auch der langjährige und mittlerweile leider ausgeschiedene Hackett-Live-Drummer (und Hobby-Hutmodel) Gary O’Toole durfte sich vermutlich letztmalig verewigen. Auffällig auch, dass Nad Sylvan, an dessen Gesang sich ja durchaus die Geister scheiden, diesmal nicht an dem Album beteiligt ist – wohl aber an der kommenden Tour. Ansonsten hat Hackett die „üblichen Verdächtigen“ im Schlepptau: Roger King, Amanda Lehmann, Benedict Fenner, John Hackett sowie Christine und Rob Townsend sind jedem Hackett-Verehrer natürlich seit Jahren vertraut. Und so ist auch „At The Edge Of Light“ letztendlich „comfort food“ geworden, vielleicht nichts wirklich Neues, aber ein leckeres Mahl, das in dieser Geschmacksnote und Qualität eben nur Hackett höchstselbst zubereiten kann. In diesem Sinne, guten Appetit!