Audio

Acid River

Dark Millennium haben anno 1992 mit „Ashore The Celestial Burden“ eines der großartigsten Debutalben veröffentlicht, das jemals in Deutschland das Licht der Welt erblickt hat. Originell, spannend, auf höchstem technischen und songwriterischen Niveau, mit einer düsteren Progressivität, die in diesem Genre zu dieser Zeit noch gänzlich inexistent war. Auch heute ist der Opener „Below the Holy Fatherlands“ immer noch einer der besten Death Metal – Songs aller Zeiten.

Das folgende Album „Diana Read Peace“ übertrieb die progressiven und psychedelischen Augenblicke etwas, und die Band löste sich danach auf. Mit „Midnight In The Void“ und „Where Oceans Collide“ veröffentlichte man zwei neue Album in den 2010er Jahren, beide waren jedoch – trotz immer noch anständigem Niveau – nur in den allerbesten Momenten qualitativ in der Nähe des Debuts.

Das ändert sich mit dem neuen Album „Acid River“ schlagartig.

Eigentlich klingt die Musik, die einem hier um die Ohren fegt, als käme sie von einem direkten Nachfolgealbum zu „Ashore The Celestial Burden“. Der Sound hat wieder dieses in Worte nicht zu fassende, unbeschreibliche Etwas, das jeden Dark Millennium – Song auf einer egal wie großen Masse herausstechen lässt. Die Vielschichtigkeit der Gitarren, die progressiven Elemente und vor allem diese gruseligen, schrägen akustischen Gitarren und horrorfilmähnlichen Keyboardelemente, die das Debut so unvergleichlich machten, sind wieder da – und zwar genau so, wie sie sein sollten. Vermutlich hat das damit zu tun, dass die Band das Originalequip von damals ausgebuddelt hat – das Nostalgische tut der Musik unfassbar gut.

Natürlich wirkt auch „Acid River“ beim ersten Durchlauf etwas seltsam, verschroben, sperrig und unzugänglich – aber das tat das Debut – mal abgesehen vom Opener – ebenfalls. Mit jedem einzelnen Durchlauf öffnet sich das Album mehr und mehr und gibt schließlich die Melodien, die Eingängkeit unter all dem verschrobenen Konstrukt frei.

Atmosphärisch ist das Album ein Gesamtkunstwerk. Die sieben Songs sind – fast auf die Sekunde genau – alle sieben Minuten lang, doch keiner davon ist zu lang oder gar langweilig. Insgesamt ist der Mix und der Sound, der oldschoolige Gitarrenklang und die moderne Elektronik, der Gesang und eigentlich jeder noch so kleine Reglerdreh absolut perfektioniert.

Dark Millennium waren 1992 anders – und sie sind es jetzt wieder, aber anders. Die todesmetallische Version der Filme Ghostbusters und Ghostbusters – Afterlife. Das ist modernisierte Nostalgie in ihrer reinsten Form. 30 Jahre nach dem Debut sind Dark Millennium wieder absolute Spitzenklasse im deutschen Death Metal.

 

https://www.darkmillennium.de

https://www.facebook.com/DarkMillenniumOfficial

Destroyer

„Unsere Fans würden neue Songs überhaupt nicht annehmen“, sagte Kiss-Mastermind Paul Stanley sinngemäß gegenüber Fans vor wenigen Wochen. Die Masken-Männer, aktuell auf Abschiedstour, bauen aber auf die Liebe ihrer Anhänger zum alten Material. Daher legen sie nun 45 Jahre nach Erscheinen ihre erfolgreichste Scheibe „Destroyer“ in einer Neuauflage vor. Wenn die Band in ihrer Karriere eine Sache kultiviert hat, dann Kaufanreize für ihre Kunden zu schaffen, und so erscheint das Werk inklusive mehrerer Bonus-Tracks.

Leises, nur schwer verständliches Radio-Gebrabbel und ein startendes Auto klingen aus den Boxen, bevor das Riff zum Klassiker „Detroit Rock City“ die Platte – und bis heute die meisten Konzerte – eröffnet. Der Wagen hat am Ende einen Unfall und das Quietschen der Reifen geht nahtlos in die rückgekoppelte Gitarre von Ace Frehley über, aus der „King Of The Night Time World“ erwächst. Typische Gitarren-Riffs inklusive Mitsing-Refrain lassen einen wundern, dass diesem Titel kein allzu großer Erfolg beschieden war.

„God Of Thunder“, ebenfalls in fast jeder Setlist zu finden, ist eine düstere Rocknummer. Eigentlich aus der Feder von Stanley, überlässt dieser jedoch dem Kollegen Gene Simmons die Lead Vocals. Eine melodiöse Gitarren-Melodie eröffnet „Shout It Out Loud“. Eine der wenigen Gelegenheiten, bei der sich die beiden Frontmänner gleichberechtigt das Mikro teilen.

Nachdem damals die ersten Singles floppten, musste ein Hit her. Die völlig untypische Klavier-Ballade „Beth“, ausgerechnet auch noch vom Schlagzeuger Peter Criss intoniert, war 1976 der bis dahin größte Erfolg der Truppe. Der Drummer wird in den Lyrics sehnsüchtig von seiner Frau zu Hause erwartet. Er wird aber bei der Probe gebraucht, denn „me and the boys are playing, and we just can’t find the sound“, aber er verspricht ihr schwülstig „I’ll be right home to you“.

Zunächst nur mit Gesang und Schlagzeug beginnt die Hymne „Do You Love Me“, die noch einmal ordentliche Gitarren-Wände erzeugt und einen lauten Abschluss im typischen KISS-Gewand liefert. Als Abspann folgt noch etwa eine Minute eine Kakophonie aus zusammengewürfelten Klangfetzen und beendet „Destroyer“ nach 35 kurzweiligen Minuten.

Die Zugaben, bestehend aus Demos und Live-Aufzeichnungen, sind eher für Die-Hard-Fans ein Ansporn. Zum regelmäßigen Anhören taugen die Nummern eher wenig, der Sound entspricht weitestgehend nicht den Ansprüchen an reguläre Scheiben, als Zeitdokument sind sie aber allemal ein nettes und interessantes Beiwerk.

Wie immer stellt sich bei einem Re-Release die Frage, ob sich die Anschaffung lohnt. Wem diese CD noch fehlt oder wer noch gar keine des Quartetts im Schrank hat, sollte hier auf jeden Fall zugreifen. Wer „Destroyer“ schon sein Eigen nennt und an weitergehenden Liedern mit begrenzter Hörqualität kein Interesse hat, sollte sein Geld lieber für die anstehenden Abschiedskonzerte im kommenden Jahr ausgeben.

Bandhomepage

KISS bei Facebook

KISS bei Instagram

Grunge Locomotive

Regen in der Wüste? Oder doch eine stampfende, tonnenschwere Dampflokomotive? Der Opener heißt Desert Rain, die Band Desertrain, das Album „Grunge Locomotive“ (Grimond). Das klassisch besetzte Quartett aus Wroclaw in Polen hat sein Debütalbum in der Heimat bereits im Jahre 2020 veröffentlicht und ist in der dortigen Grunge- und Stoner-Szene nicht mehr ganz unbekannt. Nach dem üblichen Virus-Break nimmt die Band jetzt neu Anlauf, und „Grunge Locomotive“ erscheint jetzt auch bei uns.

Das Debüt von Damian Kikola (Gesang), Piotr Piter Bielawski (Gitarre), Szymon Sajmoon Makowiecki (Bass) und Lukasz Roman Romanowski (Drums) ist durchaus mit der auf dem Cover abgebildeten schweren Lok vergleichbar: Stampfend, rüttelnd, voranpreschend. Desert Rock und Stoner treffen Grunge, und wer auf Soundgarden oder Alice In Chains steht, wird hier schon mal nicht schlecht bedient. Das ist nicht wirklich neu – okay, aus Polen hat man diesen Sound bisher nur selten gehört, zugegeben – aber macht durch die Bank weg Spaß. Frontman Kikola überzeugt mit einer rauen, passenden Stimme, und insbesondere die Gitarre setzt immer wieder schöne Akzente mit viel Kraft und Spielfreude. Dabei ist festzustellen, dass die erste Hälfte des Albums alle potentiellen Hits enthält und gegen Ende die Luft ein wenig ausgeht. Der Opener ‚Desert Rain‘ (diesmal wirklich der Regen!) groovt sich schnell ins Ohr, und das folgende ‚White Moon‘ sorgt für orgentlich Stimmung mit leicht psychedelischen Tendenzen.

Im letzten Drittel schwächelt die Platte etwas, und der über neun Minuten lange Track ‚No Name Moment‘ besticht zwar mit wuchtigten Bässen und waschechter Stoner Attitüde, weiß aber nicht so recht, wohin er eigentlich will. Nicht falsch verstehen: alle Tracks machen Laune, grooven und trotzen nur so von purer Spielfreude. Aber wenn das Album sein Ende erreicht hat, bleiben manche Stücke eben nicht unbedingt im Gedächtnis. Aber dennoch: die vier Polen haben ein spannendes Debüt erschaffen, und gerade die erste Handvoll Songs zeigt, dass hier viel Potential steckt. Die Grunge Lokomotive mit ihrem ganzen Zug ist noch lange nicht abgefahren, sondern setzt sich jetzt erst richtig in Bewegung. Wir sind gespannt auf mehr!

Desertrain auf Facebook

VI

Als wäre die Info über die Veröffentlichung eines neuen Albums der norwegischen Kult-Combo Spidergawd nicht schon eine gute Nachricht, legen wir noch einen drauf. Nein, eigentlich sogar zwei. „VI“ (Crispin Glover Records) ist das erste Album mit doppelter Gitarrenbesetzung. Brynjar Takle Ohr hatte die Norweger schon live unterstützt und ist jetzt fest mit im Sattel. Außerdem ist Rolf Martin Snustad an sein Saxophon zurückgekehrt, nachdem er die Band kurzfristig verlassen hatte. Also: Volldampf voraus für das 2013 ursprünglich als Motorpsycho-Nebenprojekt gegründete Ensemble.

Nach dem Vorgänger „V“ kommt natürlich „VI“. Das Prinzip der Namensgebung ist bei Spidergawd so simpel wie hinlänglich bekannt. Bekannt ist natürlich auch der Sound. 70er Stoner-Prog, Psychedelic, immer rotzig und laut, massiv, und dieses Mal darf es immer noch ein Gitarrenschäufelchen mehr sein. Die Vocals von Per Borten sind gewohnt kraftvoll, es darf auch mal geschrien werden, was vielleicht auch nötig ist, um gegen die dicken Wände der beiden Gitarren anzukommen. Am Schlagzeug treibt Kenneth Kapstad weiterhin sein Unwesen., und rein musikalisch kann man den Norwegern auch dieses Mal eine durch die Bank weg hohe Qualität attestieren. Allerdings driften viele der acht Songs auf „VI“ ganz gehörig ab in die Classic-Rock Ecke. Sie sind eingängig, treibend, groovig, schnell, aber es fehlt doch das berühmte und eigentlich erwartete Quantum Sperrigkeit, das Überraschende, eben das, was Spidergawd bisher in erster Linie ausgemacht hat.

Eingangs erwähntes Saxophon hält sich auf „VI“ überraschend zurück. Leider. Es spielt zwar oft mit, geht aber fast immer im Mix unter und kann mehr erahnt als erhört werden. Erst am Ende des Albums kommt es zu kleinen Solo-Ehren. Das ist sehr schade und der Schwachpunkt eines ansonsten gelugenen Albums, denn gerade dieses Instrument hat Spidergawd immer einen ganz besonderen Sound verliehen. Ob man „VI“ also richtig mag oder nicht, hängt wieder einmal vom persönlichen Geschmack hab. Wer modernen klassischen Rock mit ein paar Stoner- und Psychedelic-Einflüssen mag, wir auch hier wieder gut bedient. Wer es lieber etwas experimentell haben möchte, sollte vorher auf jeden Fall in Release Nummer sechs reinhören. Es ist ein gutes, handweklich sauber gemachtes Album geworden, aber der letzte Funke totaler Begeisterung mag leider nicht überspringen.

Bandhomepage

Spidergawd bei Facebook

Servant of the Mind

Es ist eine fiese und anmaßende Frage: Ab wann ging es mit Volbeat eigentlich Berg ab? Als sie ihren Fokus mit unendlichen Touren in Übersee merklich auf den amerikanischen Markt setzten? Als ihre Musik mehr Pop- als Rock- und Metal-Appeal bekam? Als sie jedes Jahr auf den gleichen Festivals spielten? Als erst Gitarrist Thomas Bredahl und schließlich auch Bassist Anders Kjølholm die Band verließen bzw. verlassen mussten? Als Michael Poulsen Dominus ad acta legte und Volbeat gründete? Eine Antwort fällt schwer. Dennoch darf so ein Rückblick erfolgen. Denn Volbeat haben vollmundig angekündigt, dass sie mit ihrer neuen Platte „Servant of the Mind“ (Vertigo/Universal) zurück zu ihren Wurzeln und einem härteren Sound wollen.

Eines kann bereits schon vorweggenommen werden: „Servant of the Mind“ ist tatsächlich das härteste Album der Dänen seit 2010 und „Beyond Hell / Above Heaven“. Wer jetzt freudig aufschreit oder ängstlich guckt – immerhin haben es Volbeat mit ihrer Pop-Attitüde der letzten Alben zu einer der größten Rockbands Europas geschafft – dem sei nur eins gesagt: So einfach ist es nicht.

Der Opener „Temple of Ekur“ beginnt düster atmosphärisch mit einem schlichten, jedoch eingängigen Metal-Riff, um in einen fast schon arg kitschig-melodischen Refrain abzudriften. „Wait a Minute My Girl“, welches genau wie der ruhigere Song „Dagen før“ bereits als Sommer-Songs vor einigen Monaten herausgebracht worden ist, weist Pop-Punk-Einflüsse samt überraschend nettem 1980er Jahre Saxophon auf.

Anschließend folgt viel Volbeat-Standard-Kost. Dennoch hat „Servant of the Mind“ seine überraschenden und guten Momente. „The Devil Rages On“ besitzt schöne Rock’n’Roll-Einflüsse, während „Say No More“ oder „The Passenger“ mit ihren Powerriffs im typischen Bandstil das Tempo etwas erhöhen. „Step into Light“ weißt dagegen leichte Psychedelic-Rock-Momente der 1970er Jahre auf. Wer es härter mag dürfte mit „Becoming“ und „Lasse’s Brigitta“ glücklich werden.

Volbeat lassen also all ihre verschiedenen Einflüsse aufblitzen. Das ist etwas, was sie schon immer gemacht haben. Trotzdem erwischt man sich während des Hörens immer wieder beim Seufzen. Irgendwann überkommt einen sogar das Gefühl, dass man Frontmann Michael Poulsen und seine Mannen einmal richtig durchschütteln will. Denn jeder Song – wirklich jeder! – besitzt einen poppigen und eingängigen Refrain mit der Kopfstimme des Sängers. Härte, Geschwindigkeit und gutes Riffing werden dabei voll zurückgefahren. Das ist vorhersehbar und irgendwann kaum noch zu ertragen. Volbeat machen so all ihre spannenden Ansätze kaputt. Es beschleicht das Gefühl, dass sie ihren Back-To-The-Roots-Ansatz auf „Servant of the Mind“ nicht richtig durchziehen wollten oder konnten. Warum das so ist, darüber darf jeder gerne selbst spekulieren. Schade ist es allerdings schon!

Bandhomepage
Volbeat bei Facebook

The Truth

Rock’n’Roll und Religion. Eine Geschichte voller Missverständnisse. Hier wird gepredigt, was das Zeug hält. Themen wie Klimawandel, Zukunftsängste und Digitalisierung stehen auf dem Programm dieser Kirche. Kurz gesagt: die Wahrheit also.

„The Truth“ (Niffa Records) ist das dritte Studioalbum des Leipziger Quartetts Church Of Mental Enlightment. Geistige Erleuchtung predigen die Musiker, und finden werden diese vor allen Dingen Fans von Classic Rock, Punkrock und Blues sowie deren Schnittmenge. Und sie werden begeistert in diese Kirche strömen, denn was in den Berliner Big Snuff Studios des Kadavar Live-Mixers Richard Behrens entstanden ist, kann sich absolut hören lassen. Man geht gleich in die Vollen. Schon der Opener ‚Mark My Words‘ hat genug Groove und musikalische Finesse für ein ganzes Album, packt den Hörer textlich gleich an der Kehle und lässt ihn nicht wieder los. Das gilt für alle zehn Titel auf „The Truth“ gleichermaßen. Schwere, bluesige Hardrock-Riffs, verspielte Gitarren in treibenden Rhythmen. Diese Kirche predigt den wahren Rock’n’Roll. Die klassische Rockbesetzung wird immer wieder ergänzt, so gibt es zum Beispiel auf ‚Forces Of The Underground‘ wunderbar rotzige Bluesharp-Einlagen, und im Titel ‚Slaves To The Screen‘ setzt die ölende Hammondorgel spannende Akzente. MIt ‚Aufstieg‘ und ‚Abstieg‘ finden sich zwei kleine Zwischenspiele auf der Akustikgitarre zwischen den ansonsten schwergewichtigen Songgiganten, auflockernd, entspannend. Diese wunderbare Mischung gibt dem Album eine ganz eigene Note und setzt es wohlig von der Einheitskost stilistisch ähnlicher Bands ab. Wenn die Church Of Mental Enlightment auf ‚No Time To Muse‘ so richtig aufdreht, fühlt man sich an die legendären Vorbilder Led Zeppelin erinnert. Das ist die Wahrheit.

Mit „The Truth“ haben die Leipziger mal eben leicht und locker eines der besten Rockalben des Jahres aus dem Ärmel geschüttelt. Mehr geht eigentlich nicht. Nach diesem Klassiker darf man die Jungs gerne im Auge behalten. ‚Money Is Their Religion‘ heißt es anklagend. Mag sein. Unserer Religion ist ganz klar die Church Of Mental Enlightment.

Bandhomepage

Church Of Mental Enlightment bei Facebook

God Of Spinoza

Große Gefühle, Schweiß, Ekstase, ein Höhepunkt nach dem anderen. Wir reden hier nicht vom Sex, sondern vom neuen Daily Thompson Album „God Of Spinoza“ (Noisolution). Wenn man aber bei dem Vergleich bleiben möchte: das Cover des fünften Studioalbums der Dortmunder Band trügt. Es geht hier nicht um Blümchensex.

Der jüdisch-niederländische Philosoph Baruch de Spinoza ist Namensgeber des Albums, dessen Titel sich auf das Albert Einstein-Zitat bezieht, er glaube nur an „Spinozas Gott“. Das Dortmunder Trio beschäftigt sich aber nicht nur mit Religion und Philosophie, sondern in erster Linie mit dem Musikmachen. Herausgekommen ist eine musikalische Zeitreise zurück in die 90er Jahre. Sonic Youth trifft auf die Pixies, Grunge und Alternative begegnen immer noch vorhandenen Elementen des psychedelischen Stoner-Rocks. All das und noch viel mehr ist „God Of Spinoza“ geworden. Ein ungewöhnlicher Titel für einen ungewöhnlichen Song für ein ungewöhnliches Album.

Das Album ist ohne jeden Zweifel das bisher reifste Werk der dreiköpfigen, nach dem britischen Zehnkämpfer Daily Thompson benannten Formation. In der Besetzung Gesang, Gitarre, Bass und Schlagzeug legen Danny Zaremba, Mercedes Mephi Lalakakis und Matthias Glass acht Songs vor, die sich stilistisch auffallend von der Musik des Vorgängers abheben. Die fuzzigen Stoner-,  Spacerock- und Psychedelic-Attitüde treten etwas in den Hintergrund, präsenter werden nun Noise, Desertblues, und ganz besonders der 90er Grunge. Der Opener ‚Nimbus‘ verschwindet nicht in selbigem, sondern schlägt gekonnt die Brücke zwischen den eher psychedelischen Tönen des Vorgängers und dem Alternative Rock der neuen Platte. ‚Cantaloupe Melon‘ wirkt fast schon progressiv mit seinen wechselnden Stimmungen von zart und zerbrechlich bis hin zum aggressiven Höhepunkt mit dem wechselseitigen Gesang. Das stylische ‚Golden Desert Child‘ hingegen bezaubert das Stoner-Herz mit groovendem Desert-Blues.

Daily Thompson haben auf „God Of Spinoza“ ihre bisher stärksten Melodien geschrieben. ‚Midnight Soldier‘ hat nicht nur eine tolle Hookline, sondern auch treibende Gitarrenriffs, die zum Nackenschütteln einladen. Und dann sind da ja noch ‚Songs wie ‚Muaratic Acid‘ und ‚I Saw Jesus In A Taco Bell‘, für uns die beiden Highlights der an Höhepunkten nicht armen Platte. Um zum eingangs erwähnten Sex zurückzukommen: Daily Thompson schütteln und die ganze Nacht hindurch. Das sind nicht nur große Gefühle, das ist auch treibende Ekstase. „God Of Spinoza“ ist  musikalische Lust und Soundtrack für innige Begegnungen und vermutlich eines der ganz großen Genre-Sterne dieses Jahres. Blumen für Daily Thompson und ein dickes Dankeschön!

Daily Thompson bei Facebook

Daily Thompson beim Noisolution Label

Daily Thompson bei Bandcamp

Embers of War

Vor gut fünf Jahren erschien mit „The Fire Within“ das exzellente Debüt-Album der Progressive-Speed-Power-Metaller Eternity’s End. Nach mehreren Solo-Alben hatte Gitarren-Maestro Christian Münzner (u.a. Alkaloid, Obscura, Paradox, ex-Necrophagist) sich endlich den Wunsch von seiner „eigenen Power-Metal-Band“ erfüllt. Nach Pech mit dem Label und diversen Besetzungswechseln besteht beim nun erscheinenden Drittwerk „Embers of War“ erstmals ein festes Lineup und mit Prosthetic Records hat man ein potentes Metal-Label für den Release gefunden. Daß Besetzung, Chemie und Rahmenbedinungen erstmals wirklich stimmen, merkt man dem neuen Werk nach dem etwas schwächeren Zweitwerk „Unyielding“ (2019) sehr an.

Stilistisch bleiben sich Eternity’s End treu, mehr noch: Der Power Metal progressiv-neoklassischer Ausprägung findet mit dem Zugang von Justin Hombach als festem Gitarrist seine Bestimmung. Den bereits zuvor gitarrenlastigen Stil kann Münzner jetzt mit seinem kongenialen Partner in Crime auf eine neue Stufe heben, auch wenn Keyboarder Jimmy Pitts nicht mehr an Bord ist. Es macht einfach Laune, Münzner und Hombach sich die Bälle in Form von Over-the-Top Hochgeschwindigkeits-Soli zuspielen zu hören. Damit erinnern die beiden Speed-Shredder an Bands wie Racer X oder Dragonforce, bei den Refrains und Melodien an Blind Guardian oder Iron Savior. Von letzteren hat man Piet Sielck und Jan-Sören Eckert für die Background-Vocals als Gastmusiker engagiert.

Das Album beginnt mit „Dreadnought (The Voyage of the Damned)“ zunächst im Midtempo-Bereich, aber bereits nach 30 Sekunden jagt Trommler Hannes Grossmann ohne Geschwindigkeitsbegrenzung auf und davon. Hombach und Münzner erreichen bereits nach drei Minuten atemberaubendes Niveau mit ihren Trade-Offs. Hier muss einfach jeder E-Gitarren-Fan mit einem letzten Funken Energie begeistert Luftgitarre spielen. „Bane of the Blacksword“ zeigt die hochpotente Klasse von Sänger Iuri Samson, der bereits beim Vorgänger „Unyielding“ an Bord gekommen war. Den Lovecraft’schen „Hounds of Tindalos“ wurden in einem futuristisch-düsterern Musikvideo ein Denkmal gesetzt, verziert mit Running-Wild-Riffs. Und gleichzeitig den komplexen und doch eingängigen sowie technisch brillianten Kompositionen von Eternity’s End. Es gibt so viel zu entdecken an Riffs, an Rhythmus, an charmanten, kleinen Verbeugungen an Genre-Vorbilder der Herren, daß es eine wahre Freude ist. Bei „Call of the Valkyries“ scheint allen Power-Metal-Pitches von Samson zum Trotz deutlich die große Verehrung gegenüber Klassik und Barock durch.

„Arcturus Prime“ hat die beeindruckendsten Gitarren-Duelle auf einem Album reich an Beeindruckendem zu bieten. Zu bestaunen im Guitar-Play-Through-Video zum Song, der als erste Single des Albums präsentiert wurde. „Shaded Heart“ sorgt mit tiefer gestimmteren Gitarren und entsprechend angepasster Tonlage beim Gesang für düstere Stimmung – Nomen est Omen. Beim vorletzten Track „Deathrider“ ist es allerdings schon wieder vorbei mit dem Durchatmen. Tonnenweise Gitarren, mehrstimmiger Gesang und eine ohrwurmige Hookline im Chorus – fertig ist der Instant-Power-Metal-Klassiker! Der Titeltrack „Embers of War“ mit gut neun Minuten sitzt am Ende und ist nicht nur in Bezug auf die Länge ein echter Brocken. In diese Komposition in mehreren „Akten“ packen Münzner und seine Mitstreiter komprimiert und gleichzeitig ausgedehnt nochmal alle Trademarks ihrer Band – das ist in bestem Sinne üppig, muss aber erst einmal „verdaut“ werden.

Die Songs auf „Embers Of War“ erzählen Fantasy-, Sword-and-Sorcery-, Horror- und Science-Fiction-Geschichten. Die Lyrics sind inspiriert von Autoren wie Michael Moorcock, Robert E. Howard („Conan der Barbar“) oder Dan Simmons („Die Hyperion Gesänge“), aber auch von tatsächlichen historischen Begebenheiten. Die Verknüpfung von Fantasy und Science-Fiction findet seinen Ausdruck auch im schrulligen 80er-Jahre-Cover-Artwork des bulgarischen Dimitar Nikolov. Metal-Nerds aller Länder, vereinigt Euch! Und besorgt euch „Embers of War“. Ihr werdet das Album lieben!

Bandhomepage
Eternity’s End bei Bandcamp
Eternity’s End bei Facebook
Etnerity’s End bei Prosthetic Records (Label)

Blood Moon Rising

Mit „Blood Moon Rising“ (InsideOut) meldet sich das kanadische Trio The Tea Party nach langer Pause endlich zurück.

In einer über 30-jährigen Karriere haben The Tea Party neun Alben veröfentlicht. Sänger und Gitarrist Jeff Martin, Bassist und Keyboarder Jeff Burrows und Stuart Chatwood am Schlagzeug sind erfahrene Musiker und haben sich mit ihrer elektrisierenden Mischung aus Rock, Folk, Blues und Prog insbesondere auch live viele Fans erspielt. Seit 2014 und dem letzten Release „The Ocean At The End“ veröffentlichen sie jetzt mit „Blood Moon Rising“ ihren ersten Longplayer seit sieben Jahren. Einige der Songs wurden bereits in der Vergangenheit auf einer EP veröffentlicht, so dass dem wahren Tea Party Fan eine Menge Déjà-vu erwartet. Da hätte man sich natürlich über mehr neue Songs gefreut, vielleicht in Gestalt eines Doppelalbums.

Aber sei’s drum, denn „Blood Moon Rising“ weiß natürlich dennoch zu gefallen. Die Arrangements sind großartig. Blues, Rock, akustische Parts im Titelsong, der durch den Einsatz von Gospelchor und Pedal Steel Guitar einen faszinierenden Knick in Richtung Countrysoul beschreibt. Auch sonst werden gerne mal die Mundharmonika oder lässige Slide-Gitarren bemüht. Gecovert werden darf auch, so gibt es stylische Neuinterpretationen von ‚Out On The Tiles‘ (Led Zeppelin) oder ‚Everyday Is Like Sunday‘, im Original von Morrissey. Außerdem gibt es noch den Joy Division Song ‚Isolation‘, der mit interessanten neuen Arrangements punkten kann und eine Menge Drive mitbringt.

Auf früheren Werken haben The Tea Party oftmals Einflüsse des Industrial oder aus dem Mittleren Osten in ihre Musik eingebaut. Dies vermisst man auf „Blood Moon Rising“ ein wenig, bleibt die Musik doch jetzt klkar in bluesigen Classic Rock Gefilden. Damit wirkt das neue Album ein wenig innovationslos, vielleicht hat man nach den legendären Vorgängern und der langen Wartezeit einfach zuviel Neues erwartet. Dennoch: das Gebotene ist hochklassig eingespielt und macht durchaus viel Spaß, ist aber eben nicht ganz der erwartete große Wurf einer einst legendären Band geworden.

Bandhomepage

The Tea Party bei Facebook

The Tea Party bei Instagram

 

We Got Time To Waste

Die heutigen Zeiten sind nicht immer einfach. Gut, dass es da noch Musik gibt, die ohne großen Anspruch einfach nur Laune machen will, nach vorne prescht und die dazu einlädt, einfach die Zeit zu verschwenden und abzurocken. „We Got Time To Waste“ (Blues For The Red Sun) heißt dann auch der Erstling der White Trash Blues Band. Die Jungs haben ein bisschen Zeit zum Verplempern übrig und laden uns ein, doch einfach mal das gleiche zu tun.

„White Trash“ und „Blues“ sind zwei Begriffe, die man nicht unbedingt sofort mit dem kühlen Norwegen in Verbindung bringt. Und doch stammen die fünf Musiker der White Trash Blues Band aus Sykkylven, einer kleinen Stadt auf halber Strecke zwischen Oslo und Trondheim. Inzwischen wohnen und proben sie in der norwegischen Hauptstadt, wo auch das Debütalbum des Quintetts entstand. Es gab keinen Masterplan, man wollte einfach nur zusammen Musik machen und Bier trinken. Entsprechend gibt es auch keinen Anspruch auf Innovation. Aber was soll’s, wenn das Ergebnis Spaß macht?

Spaß machen die zwölf knackigen Tracks durchaus. Garagenrock, leicht bluesgetränkter Punk, punkiger Blues, verschwitze Songs mit hohem Spaß- und Mitgröhlfaktor. Der klassische Blues bleibt dabei definitiv eher auf der Strecke, hier gibt es höchstens noch ein paar Wurzeln, der Rest ist Garagenpunk. „We Got Time To Waste“ erfindet dabei nichts neu, wird irgendwann vermutlich auch wieder vergessen sein, aber solange es da ist, sorgt es für gute Laune. Die Songqualität ist durch die Bank weg gut mit ein paar richtigen Highlights wie ‚Mook City‘ oder ‚Mizz Mizzing‘, die durch ihre großartigen Hooklines bestechen und zum bierseeligen Mitsingen einladen. Erst im letzten Viertel verliert die Scheibe leider etwas an Fahrt, um mit ‚Undertow‘ noch einmal aufzudrehen, bevor der Rausschmeißer ‚Kept On Running‘ mit verzerrtem Gesang einen markanten Schlusspunkt setzt.

Wer also etwas Zeit zum Verschwenden übrig hat, verbringt sie in der Garage der White Trash Blues Band. Es gibt schlechtere Methoden, seine Zeit zu verplempern.

White Trash Blues Band bei Facebook