Schlagwort: Punk’n’Roll

20 Years Down The Road – How To Survive As A Rock Band II

„Wie kommt man bloß auf so ein´ bescheuerten Bandnamen?“, fragten Cucumbermen in den 90´ern in einem ihrer Songs. Wenige Jahre später gründeten sich Itchy Poopzkid. Geschichte wiederholt sich halt. Im Gegensatz zu den Erstgenannten gibt es Itchy immer noch. Allerdings haben sie ihren Namen auf ein deutlich erträglicheres Maß eingedampft, und haben nun mit „20 Years Down The Road – How To Survive As A Rock Band II“ die Geschichte ihrer Gruppe und noch viel mehr in Buchform veröffentlicht.

Sehr wohltuend gehen sie dabei nicht – wie in den meisten Bandbiografien üblich – Jahr für Jahr und Album für Album durch, sondern packen ihre Geschichte in 16 geclusterte Themenbereiche. Dabei geht unter anderem um Freundschaft innerhalb der Truppe und zu Kolleg*innen, Umgang mit den Medien, besondere Auftritte, Plattenfirmen, politisches Engagement und sogar ein Kapitel lang über das Wetter (!). Die Jungs schildern in einer Mischung aus Erzählung und Kommentierung ihren Werdegang. Dass sie sich selbst nicht (zu) ernst nehmen und über sich selbst lachen können, wird dabei immer wieder deutlich. Neben Fakten werden peinliche Aussetzer (meist war Alkohol im Spiel) ebenso erzählt, wie Skurrilitäten: ob ein mehrfach gesprengter Wal, ein Voll-Playback-Auftritt in der Kulisse der Schlagersendung „Immer wieder Sonntags“, gefakte Blink-182-Merchandise-Artikel mit dem Konterfei von Itchy oder stur abgelehnte Karriereschritte aus Credibility-Gründen, es bleibt stets unterhaltsam und interessant.

Dazwischen kommen immer befreundete Künstler*innen zu Wort. So berichten Ingo Donot, Montreal, Jennifer Rostock oder Madsen von ihren Gemeinsamkeiten mit den Herren – sowohl musikalisch als auch abseits des Geschäftes. Immer wieder eingestreut werden Einträge aus Tour-Tagebüchern oder echte Bewertungen aus Ticket-Portalen. Jede Menge Bilder aus 20 Jahren runden die Geschichten ab. Neben offiziellen Promo-Fotos gibt es zahlreiche Schnappschüsse und Zeitungsausschnitte zu sehen.

Wer eine klassische chronologische Historie erwartet, wird von diesem Buch vermutlich enttäuscht sein. Das war auch nicht das Ziel von Sibbi, Panzer und Max, und genau deshalb macht dieses Buch auf 250 Seiten einen Riesenspaß. Man muss dazu nicht unbedingt Fan sein oder zwingend ihre Musik kennen. Es reicht, wenn man grundsätzlich Interesse an kurzweiligen musikalischen Storys, Geschichten hinter den Kulissen und dem Rock ’n‘ Roll-Lifestyle hat.

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When Life Was Hard & Fast

Ricky Warwick ist der Prototyp eines Rockers. Nicht wegen Tattoos und Lederjacke. Der Sänger, der früh in seiner Karriere mit The Almighty seine ersten Sporen verdiente und inzwischen der Sänger von Thin Lizzy und den Black Star Riders ist, ist ein Rocker in seiner Seele. Ganz oben stehen die Emotionen und das immer richtige Feeling für den Song. „When Life Was Hard & Fast“ (Nuclear Blast) ist sein erstes Solo-Album seit fünf Jahren und es rockt.

Mit irischem Understatement knallt der Sänger nonchalant elf abwechslungsreiche, melodiöse Lieder raus, von denen jedes einzelne ein kleines Kunstwerk ist. Der Titelsong eröffnet das achte Album des junggebliebenen 54-jährigen – und schleicht sich mit seinem einprägsamen Chorus mit Rekord-Geschwindigkeit in die Gehörgänge des Hörers. „You Don’t Love Me“ ist eine Rock-Ballade mit melancholischem Unterton und dezent punkiger Attitüde. „Gunslinger“ galoppiert mit seinem treibenden Beat direkt in den dreckigen Westen. „Never Corner A Rat“ legt beim Tempo noch zwei Schippchen drauf und rotzt volles Rohr durch den Dreck. Punk’n’Roll könnte man das auch nennen, inklusive rauhem Gesang und schickem Gitarren-Genudel. Und weil Mister Warwick ein Meister seines Fachs ist, lässt er dem räudigsten Song des Albums den zärtlichsten Folgen. „Time Don’t Seem To Matter“ verbindet Streicher und eine Akustische Gitarre mit dem Gesangs-Duett mit seiner Tochter Pepper. Einen weiterer Rock-Kracher ist „Fighting Heart“, den der Barde mit den gegelten Haaren seiner Fangemeinde bereits vor dem Album-Release als Youtube-Video präsentiert hat. In „I Don’t Feel At Home“ singt Warwick wehmütig von der ihm fremd gewordenen Welt, nicht ohne bittersüßen Schmerz, dem steht „Clown of Misery“ in nichts nach.

Ricky Warwicks „When Life Was Hard & Fast“ ist ein absolut potentes und gleichzeitig vielseitiges Album geworden. Tolle Musik und echte Gefühle, launige Punkrock- und Rockabilly-Anleihen, Singer-Songwriter-Gitarren und Texte über den Schmerz der Welt. Echter Rock eben.

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Poor And Infamous

Die skandinavische Punk’n’Roll-Flagge weht momentan nicht besonders hoch, aber seit Bands wie The Hellacopters oder Backyard Babies in den letzten Jahren ein kleines Comeback gegeben haben, hängt sie zumindest wieder auf Halbmast. Als noch junge Band wollen Scumbag Millionaire nun helfen, die Fahne wieder weiter hochzuziehen. Nach ihrem 2018er Werk „Speed“ ist „Poor And Infamous“ (Suburban) ihr zweiter Longplayer. Dem gegenüber stehen in sechs Jahren Bandgeschichte übrigens nach eigenen Angaben circa 17 bis 20 Singles. So genau weiß es das Quartett offenbar selbst nicht. Untätig waren sie jedenfalls nicht.

Musikalische Überraschungen darf man auf „Poor And Infamous“ mit seinen zwölf Songs natürlich nicht erwarten. Scumbag Millionaire lassen die Hochzeit des Punk’n’Roll der 1990er Jahre wieder hochleben. Die Uptempo-Nummern wie „Demi God“, „Ain’t No Doubt“ oder die beiden kurzen Raketen „Trouble City“ und „Dead Man’s Hand“ kommen mit knarzenden Riffs und quietschenden Soli daher. Sie wechseln sich in schöner Regelmäßigkeit mit eingängigeren Midtempo-Liedern wie dem zum Mitgröhlen einladenden „Inferno“ ab. In den Tracks werden manchmal kleine Details, wie hier ein Piano oder dort eine Polizeisirene, eingestreut. Diese Feinheiten sorgen dafür, dass auch beim zweiten und dritten Durchlauf noch etwas zu entdecken ist.

„Poor And Infamous“ fühlt sich an wie eine kleine Zeitreise, die durch die Optik der Band auf dem Cover sowie die leicht trashigen, jedoch stilvollen Musikvideos abgerundet wird.

Scumbag Millionaire schaffen es zumindest für ein paar Durchläufe ein wunderbares Rock’n’Roll-Gefühl zu kreieren, bei dem ein bisschen das Feeling wie in einem heißen, schwitzigen und verrauchten Club aufkommt. In diesen Zeiten ist dies zu Hause etwas Wohltuendes.

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SCUMBAG MILLIONAIRE – „Poor And Infamous“ für September angekündigt

Die Punk’n’Roller von Scumbag Millionaire haben ihr neues Album „Poor And Infamous“ für den 25.09.2020 angekündigt. Zwar hat die Band nach eigenen Angaben bereits zwischen 17 und 20 7″-Singles herausgebracht, das neue Werk ist allerdings erst ihr zweiter Longplayer. Vorab sind bereits die Songs „Ain’t No Doubt“ und „Inferno“ veröffentlicht worden. Scumbag Millionaire bei BandcampScumbag…

Set Loose

Am 8. März wird jährlich der internationale Frauentag begangen. An diesem machen Menschen weltweit darauf aufmerksam, dass immer noch keine vollständige Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen existiert. Nicht nur mit ihrem Bandnamen stellen March einen direkten zeitlichen Bezug dazu her, sondern als Vertreter eines intersektionalen Feminismus schreiben sie sich auch die Geschlechtergerechtigkeit auf die Fahnen. Dabei bleibt es auf „Set Loose“ (Uncle M Music) aber nicht.

Das aus zwei Frauen und zwei Männern bestehende Quartett drückt seine allgemeine Unzufriedenheit über die Gesellschaft aus und versucht die Welt ein bisschen besser zu machen. Denn für sie gibt es viele Punkte, die verändert werden müssen. So rechnet „Start Again“ mit der Arbeitswelt und dem jede Pore der Gesellschaft durchdringenden Leistungsdruck ab, während sich „Born A Snake“ gegen alle Menschen, die Andere ohne Schuld- und Schamgefühle ausnutzen, wendet. In „Reapers Delight“ werfen March schließlich einen bitter-ironischen Blick auf das Leben, indem sie es mit einer Geisterbahn vergleichen. Beide wollen Spaß machen und sind vollgepackt mit Schrecken. Sie besitzen jedoch einen gravierenden Unterschied: Aus der Geisterbahn kann man lebend herauskommen, aus dem Leben jedoch nicht, wie Sängerin Fleur van Zuilen herausstellt.

Musikalisch bewegt sich die belgisch-niederländische Gruppe im Punk ’n’ Roll, bei dem die großen skandinavischen Vorreiter dieses Musikstils wie Turbonegro, The Hellacopters oder die Backyard Babies deutlich erkennbar sind. Aber auch moderne Punkrock-Einflüsse von Bands wie Not On Tour, Munice Girls oder Mobina Galore schimmern hervor. March setzen konstant auf druckvolle Gitarren- sowie Bassarbeit und beweisen des Öfteren Gespür für Melodien oder Eingängigkeit, ohne jedoch große Abwechslung zu bieten.

Dass ausgerechnet der bei der politischen Ausrichtung der Band vielsagende Songtitel „She’s a hurricane“ der ruhigste Song des Albums ist, mag zunächst verwundern. Allerdings bricht auch dieser im letzten Drittel los und entfaltet die Wirkung eines kleinen Wirbelsturms, wodurch er musikalisch einer der spannendsten Tracks des Albums ist. Beachtenswert ist darüber hinaus die raue Stimme von Sängerin Fleur. Diese sorgt in Kombination mit dem immer wieder auftretenden cleaneren Backgroundgesang dafür, dass ein Wiedererkennungseffekt entsteht und die Band nicht in die Beliebigkeit abdriftet.

Mit ihrem Zweitwerk präsentieren March ein gelungenes Album, auf dem sie sich sowohl musikalisch als auch inhaltlich klar positionieren. „Set Loose“ dürfte besonders Fans von rauem Punk ’n’ Roll und Punkrock erfreuen.

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Algorithm And Blues

Wären wir ein Filmmagazin, würde wohl jeder auf einen Tippfehler schließen, wenn wir über The Good The Bad And The Zugly berichteten, aber hier geht es um Musik und nicht um Sergio Leones Italowestern mit fast gleichem Titel. The Good The Band And The Zugly stammen aus Norwegen und haben sich mit ihrer „Drink Beer, feel fine, smoke weed, fuck life!“-Einstellung eine Menge Fans gemacht. Da weiß man auch gleich, was kommt: Skate Punk und 90er Punkrock treffen auf skandinavischem Rock und jede Menge Spaß.

Sänger Ivar Nikolaisen ist mit seiner Hauptband Kvelertak in Hardcore-Regionen unterwegs, aber es bleibt immer noch etwas Zeit für den Punk und „Algorithm And Blues“ (Noisolution) der neuen TGTBATZ-Scheibe. Und auf dieser geht es ordentlich zur Sache: Alle Freunde der norwegischen Kollegen von Turbonegro dürften sich hier sofort zu Hause fühlen. Punk’n’Roll mit scheppernden Drums, groovenden Riffs und aggressiven Vocals, die in ihren Texten die passende und für diese Musik auch notwendige „Fuck Life“-Einstellung mitbringen. „Algorithm And Blues“ will laut gehört werden.

Richtig cool geworden ist auch das von Flu Hartberg gestaltete Cover, insbesondere das innere Artwork des Digipacks, das in bester Punkmanier die heutige Gesellschaft zeigt – verzweifelt auf die direkt ins offene Hirn gestöpselten Smartphones starrend. Unser Befehl an die Telefon-Starrer an dieser Stelle: The Good The Band And The Zugly kaufen. Dann könnt ihr gerne weiterstarren. Aber mit Musik dazu.

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Blomst IL

Nicht zufällig haben Blomst den Internationalen Frauentag als Veröffentlichungsdatum ihres zweiten Albums gewählt. Die Band aus Oslo schmückt sich nämlich nicht nur mit ihrem weiblichen Gesang, sondern legt eine deutliche Riot-Grrrl-Attitüde an den Tag. Dass diese sich auch in den Texten der zehn vorliegenden Songs widerspiegelt, müssen wir Mitteleuropäer, die des Norwegischen nicht mächtig sind (und das dürfte auf den Großteil unserer Leserschaft zutreffen), der Band und ihren Marketingbeauftragten jetzt einfach mal glauben.

Grund zum Zweifel daran gibt es wenig, denn ‚Blomst IL‘ ist der unkaputtbare Sound in der Tradition von Bands wir The Baboon Show zu eigen. Das meint Punk’n’Roll mit weiblicher Schnodderschnauze, die dem Ganzen eine pfeffrige Note verleiht. Schon im Opener beweist Sängerin Ida Dorthea Horpestad, zu welcher Kanonade sie fähig ist. Wirklich konsequent zieht sie das aber leider nicht das ganze Album über durch. Trotzdem bleibt ihre Stimme das markanteste Merkmal der Musik von Blomst.

Das Songwriting erweist sich nämlich im Verlaufe des Albums als begrenzt, der Sound als recht monoton. Bisweilen werden Ska-Bläser hinzugefügt, die auf althergebrachte Weise für etwas Abwechslung sorgen sollen. Der Mix wirkt letztlich aber eher unentschlossen als einfallsreich. Hinzu kommt die etwas impertinente Feierlaune der Mittzwanziger, die in ‚Bare ha‘ gipfelt und sich ihres Musical-Charakters à la ‚Grease‘ nicht schämt. Eingängige Mitsingelemente und so gefällig balladeske Einlagen wie ‚Dø manns kyss‘ zielen auf einen breiteren Geschmacksnerv ab, als es sich für eine anständige Riot-Grrrl-Band schicken sollte. Das Kalkül geht wenig überraschend auf, weswegen Blomst auch schon eine große Zukunft in der norwegischen Rock-Landschaft vorausgesagt wird. Sollte sich das bewahrheiten, werden auch wir, das Publikum jenseits der skandinavischen Gefilde, in Zukunft noch Einiges von Ida und ihren drei Mitstreitern hören.