Schlagwort: Experimental

Working With God

Ein Melvin zu sein, bedeutet ein Leben auf der kreativen Überholspur zu führen. So viele Gliedmaßen hat einer gar nicht, um die Veröffentlichungen aus dem Dunstkreis der Band um Mastermind Buzz Osborne und Trommler Dale Crover aufzuzählen. Solo-Alben, illustre Kooperationen und eigene Releases sprudeln wie eine Quelle, zwei vollständige Alben in einem Jahr sind keine Seltenheit. Und keine gleicht der anderen. Eigenwillig, wild, abstrus und rockend ist das neue – geschätzte 129. – Album „Working With God“ (Ipecac Recordings). Wer hätte das gedacht!?

Alternative Noise Rock’n’Roll quillt in einer gruseligen Möchte-gern-Cover-Version von den Quietchboys’ ,Get around‘ namens ,I Fuck Around‘ aus den Boxen. Für solch eine geschmackliche Verirrung sind Melvins berühmt und berüchtigt. Viele obskure Songs sollen noch folgen. Aber erstmal geht es schwerfällig noisy mit ,Negative No No‘ weiter. Für solche rockende Schwergewichte sind sie ebenfalls berühmt und berüchtigt. Mit Song Nummer 3 ist klar, Melvins scheren sich einen Dreck um Konventionen, denn mit dem freakigen Feedback-Origie ,Bouncing Rick‘ machen sie deutlich, wer ein reines Rockalbum möchte, kann den Raum jetzt verlassen. Ab jetzt werden nur noch die Die-hard-Melvins-Fans befriedigt.

Melvins spielen Melvins Music

Wirre, kunterbunte Intermezzi wechseln sich mit kräftigen Rocksongs mit unverkennbaren Noise-Einschlag ab, die Kopf-nick-Fuß-wipp-Groove-Qualitäten haben. Die leichte überdrehte Stimme Buzz Osbornes, der heiser knarrende Bass von Steven Shane McDonald und die treibenden Drums von Dale Crover machen Melvins ebenso aus, wie die ungewöhnlichen Sound-Experimente, den naiven Unsinn und das nervtötende Feedback. Keine Ahnung, ob das ätzend-fröhliche ,Fuck you‘ den Beach Boys gewidmet ist, es klingt jedenfalls mächtig nach den Sunnyboys. Einen Song zur Hälfte rückwärts gespielt gibt es obendrauf. Tja, so sind die Melvins.

„Working With God“ nervt, rockt, groovt, ätzt. Die 13 Songs wirken so eigenwillig wie aus dem Ärmel geschüttelt, wobei dies nicht bedeutet, dass sie Asse sind, sondern eher ihre Zufälligkeit darstellt. Melvins spielen Melvins Music, was irgendwie eine ganz eigenen Kategorie ist. Roten Fäden oder einen homogenen Guss handelt das Trio mit Überzeugung entgegen. Trotzdem hat die Band eine treue Fangemeinde, die das erste Album in 2021 abfeiern und gespannt auf das zweite in diesem Jahr warten wird.

Homepage von Melvins

TASKAHA – Norwegische Prog-Band mit Debüt-Album

Eine Handvoll Musiker, deren Erfahrungshorizont 30 Jahre zurückreicht – fertig ist die neue Progressive-Rock-Band. Taskaha stammen aus Norwegen und haben die letzten vier Jahre an ihrem selbstbetitelten Debüt gearbeitet. Die beiden Trailer geben einen Einblick in den Sound der Herren, der von hart bis soft reicht und neben viel Atmosphäre auch einen Touch Humor beinhaltet.…

Tales of a Future Past

Metal-Bands gibt es viele, und die meisten bemühen sich, originell zu sein. Besonders im Bereich progressiver Rock- und Metalbands findet man viele Perlen abseits der üblichen Klänge, Songstrukturen, Instrumentierungen oder Melodien. Und dann gibt es eine Handvoll Bands, die etwas gänzlich Eigenes Schaffen. Etwas, das grell aus der Masse heraussticht, was man sofort wiedererkennt – und auch wenn man es nicht aus vollster Leidenschaft liebt, doch bewundert und verehrt.

Mekong Delta sind so eine Band. Seit 35 Jahren steht Ralf Hubert mit seinen wechselnden, hochkompetenten Begleitmusikern als Monument an den Schnittmengen von Thrash-Metal, Progressive Rock und Klassischer Musik. Mekong Delta waren und sind unverwechselbar Einzigartig. Sechs Jahre nach „In A Mirror Darkly“ ist nun mit „Tales of a Future Past“ (Butler Records) Album Nummer Zwölf erschienen. Und natürlich gibt es wieder Unmengen an vertonten kleinen Geschichten zu erforschen. Die haben durchaus Neues zu bieten, sind aber unverkennbar Mekong Delta.

Auch wenn Hubert wie gewohnt mit Metaphern arbeitet, sind die Texte politisch wie selten zuvor. Der Mann hinter Mekong Delta reflektiert einmal mehr über den Menschen, doch man musste bereits vor der Corona-Krise nur in die Medien schauen, um in den letzten Jahren eine drastische Zuspitzung der gesellschaftlichen Probleme zu beobachten. An denen arbeiten sich Hubert, Sänger Martin LeMar, Drummer Alex Landenburg und die Gitarristen Peter Lake und Erik Grösch auf hohem technischen und kompositorischen Niveau ab. Bei den Texten schlagen Mekong Delta dabei sehr kritische und beinahe fatalistische Töne an.

Das Kernstück des Albums ist der Vierakter „Landscape“. „Landscape 2 – Waste Land“ ist ein fantastisches Orchesterstück mit Streichern, Hörnern, Harfe, akustischer Gitarre (Flamenco!) und mehr das mit Landenburgs Drums und toller Gitarrenarbeit verwoben ist. „Landscape 3 – Inharent“ hat den wohl den deutlichsten Thrash-Metal-Einfluss auf dem neuen Album, ein echter Knüppler mit schön schrulligen Taktarten! Der Thrash-Anteil wirkt auf dem euen Album ein wenig reduziert, was dem Erlebnis jedoch keinen Abbruch tut. Zumal er nach wie vor da ist! Aber auch die stimmungsvollen, ruhigen Nummern funktionieren in ihrer Emotionalität auch ohne schwermetallische Härte um jeden Preis. Stücke wie „Mental Entropy“ oder „Mindeater“ haben einen drängenden, düsteren Unterton und die untypische Retro-(P)Rock-Nummer „When All Hope Is Gone“ ist vielleicht der heimliche Star des wundervollen Albums.

Nach Psychotic Waltz liefern Mekong Delta das zweite, anspruchsvolle Prog-Metal-Album des Jahres ab, das Ende des Jahres sicher noch in Erinnerung sein wird.

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Butler Records (Label)

Love

Nicht verwechseln: Die Liebe ist zwar oftmals rot, und Waldemar ist ein deutscher Vorname, aber hier bekommt diese Liebe schon auf dem Cover mit den vielen Kreuzen einen irritierenden Beigeschmack. Waldemar ist der Nachname des norwegischen Künstlers, der mit „Love“ (Jansen Records  / Noisolution ) seinen dritten Longplayer veröffentlicht.

Torgeir Waldemar, groß und bärtig, sieht vielleicht aus wie der Frontmann einer norwegischen Black Metal-Kapelle, ist aber Singer / Songwriter und liefert entspannten Folkrock mit US-Westcoast-Einflüssen, Americana-Attitüden und einer Prise 70er-Rock ab. Fünf Songs sowie ein Intro und zwei „Interludes“ finden sich auf „Love“, das musikalisch eine Mischung aus dem melancholischen, ruhigen Erstling von 2014 und dem 2017er „No Offending Borders“ ist, auf dem es lauter und ziemlich fuzzy zuging. So lädt der Opener ‚Leaf In The Wind‘ den geneigten Folkrocker zum eleganten Schunkeln ein, während ‚Heart And Gold‘ musikalisch der Sprung aus den Fjorden über den großen Teich gelingt und mit countrylastigem Americana-Rock wohlig überzeugen kann. Wer The Band oder Neil Young mag, fühlt sich hier gut aufgehoben.

Ganz egal ob Folk, Rock oder Country: Allen Tracks gemein ist die hohe Qualität des Songwritings sowie das hörbare Herzblut, das in die Interpretation geflossen ist. Waldemar wird gegen Ende sogar experimentell, wenn er im viertelstündigen Longtrack ‚Black Ocean‘ fast schon psychedelisch-progressiv zu Werke geht. Wabernde, simple Rhythmusfiguren steigern sich hier zu einem letzten spektakulären Song, der einen passenden Schlusspunkt für ein großartiges Album setzt.

So klingt es also, wenn ein Norweger amerikanischen Southern-Folk spielt: ausgezeichnet. Für Genrefans liefert Torgeir Waldemar schon nach zwei Wochen des neuen Jahres ein kleines Highlight ab, das wir hiermit gerne weiterempfehlen.

Einen Song aus dem neuen Album gibt es leider derzeit nicht als Video, aber hier ist ein neuer Clip zu einem alten Song:

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BROTHER GRIMM – Shoegaze zum Kuscheln

Wer kurz vor Weihnachten eine Pause vom Einkaufsstress brauchte (vermutlich viele) und gleichzeitig auch auf düsteren, experimentellen Shoegaze Blues steht (vermutlich nicht ganz so viele), der durfte sich berufen fühlen, Brother Grimm auf seiner aktuellen Tour zu besuchen. Am 14. Dezember machte das Trio in Bremen Station. Unser Bluesspezialist Michael war vor Ort. Der Berliner…

BROTHER GRIMM – Album, Video und Tour des Shoegazers

Am 08.11. ist das dritte Album von Brother Grimm erschienen. Hinter diesem Namen verbirgt sich der Berliner Musiker Dennis Grimm, der auf „On Flatland, On Sand“  mit experimentellen Soundscapes und minimalistischem Shoegazer-Blues aufwartet. Im Dezember tourt Brother Grimm mit seinen beiden Musikerkollegen Tenboi Levinson (Hodja) und Charlie Paschen (Coogans Bluff) durch Deutschland. Hier die Tourdaten:…

On Flatland, On Sand

Er bezeichnet seine Musik als „Psychedelic PostPopConfession“. Diese klingt düster, bedrohlich, fremdartig, ja verstörend wie eine Soundtrack-Collage eines David Lynch-Films. Der Berliner Dennis Grimm ist Gitarrist, Sänger und Sound-Tüftler, der mit „On Flatland, On Sand“ (Noisolution) sein drittes Album unter dem Künstlernamen Brother Grimm herausgebracht hat. Inzwischen arbeitet der Musiker nicht mehr gänzlich alleine. Sowohl für das Album als auch für die bevorstehende Tour hat er sich Unterstützung durch Kollegen geholt. Tenboi Levinson von Hodja ist mit einer zweiten Gitarre und seinen Keyboards ins Studio gekommen, und Charlie Paschen von Coogans Bluff sitzt am Schlagzeug.

Akustische Albträume hat Brother Grimm auf seinen bisherigen beiden Alben präsentiert, ist durch dunkle Gewässer geschwommen mit bluesigem Shoegazerock, schwermütigen Loops und dunklen, einsamen Gitarrenklängen. „On Flatland, On Sand“ ist etwas freundlicher und heller geworden, präsentiert sich aber immer noch minimalistisch und teils recht experimentell. Passend für die bevorstehende Winterzeit liefert Brother Grimm den stimmungsvollen Soundtrack für kalte, leere Straßen.

Brother Grimm verschwurbeln Postrock und Blues mit eigenwilligen, fast hypnotischen Sounds. Noise und elektronische Sound-Collagen verbinden sich zu einem sperrigen Gesamtpaket, auf das man sich einlassen muss. Das ist kantige Musik, die sich kaum kategorisieren lässt und damit ein Geschenk für alle, die aufgeschlossen für ungewöhnliche Klänge fernab von jeder Massenkompatibilität sind.

Nach ruhigen Momenten folgt mit ‚Broken Glass‘ eine auf den ersten Blick zugänglicherer Song mit knarzenden Riffs und einer stylischen Blues-Note, der aber im weiteren Verlauf (zum Glück) genug Ecken und Kanten entwickelt, um auch hier nicht in den Mainstream abzurutschen. Stimmungsvoll und minimalistisch geht es im Titelsong zu, in dem objektiv betrachtet nicht viel passiert, der aber mit seinen subtilen Soundscapes eine faszinierende, leicht morbide Spannung erzeugt und zum Verweilen einlädt. Zum Ende folgt der meditative Longtrack ‚Chicories And Crown Antlers‘, dem ein wenig die Spannung der restlichen Titel fehlt, der aber einen schönen, ruhigen Schlusspunkt setzt für ein absolut außergewöhnliches Album.

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Orchestral Favourites

Dass ausgerechnet das ungeliebte „Orchestral Favourites“ eine „40th Anniversary Deluxe Edition“ spendiert bekommt, ist schon einigermaßen überraschend. Aufgenommen 1975 mit einem Ensemble von Orchester-, Jazz- und Rockmusikern (das „Abnuceals Emuukha Electric Symphony Orchestra“), war „Orchestral Favourites“ fraglos wegweisend für FZs zukünftiges Werk. Der Maestro selbst bastelte aus den Aufnahmen aber nur eine 35minütige LP mit den seiner Meinung nach einzig verwertbaren Momenten der aufgenommenen drei Abende zusammen. Die drei CDs umfassende Neuauflage enthält neben dem remasterten und restaurierten Originalalbum nun auch zwei weitere CDs, die eine ungekürzte Show des A.E.E.S.O. enthalten.

Über das Originalalbum muss man wohl nicht mehr viele Worte verlieren. Die orchestrierten Fassungen von ‚Duke Of Prunes‘, ‚Strictly Genteel‘ und ‚Bogus Pomp‘ (einem Medley aus „200 Motels“-Themen) kann man gerne als die definitiven Fassungen der Stücke bezeichnen. Das kurze ‚Naval Aviation In Art?‘ und ‚Pedro’s Dowry‘ passen mit ihren hochkomplexen Arrangements, atonalen Einschüben sowie den üblichen wilden dynamischen und harmonischen Sprüngen ebenfalls gut ins Konzept.

Hauptsächlich werden Fans aber wegen der kompletten Show aus der Royce Hall in Los Angeles zugreifen. Die enthält noch weiteres feines Material für Zappatisten, darunter das Epos ‚The Adventures Of Greggery Peccary‘, ‚Black Napkins‘, das ‚Dog Meat‘-Medley und das immer noch nicht als Studiofassung erschienene ‚Rollo‘.

Joe Travers, der Mann hinter Zappas riesigem Archiv, gibt selbst zu, dass diese Version zu Lebzeiten Franks wohl nie erschienen wäre. Der Perfektionist Zappa hatte sich nach den Shows mehrfach über die fehlerbehafteten Performances und die seiner Meinung nach mangelnde Disziplin der Orchestermusiker beschwert. Und ja, natürlich hört man hier so einige Momente, in denen die Sache fast ins Chaos zu kippen droht. Aber seien wir ehrlich: die glaubt man in Zappas Gesamtwerk mehr als einmal zu hören, auch bei perfekt durchkomponierten Stücken. Dafür entschädigen Momente wie das schlicht atemberaubende Finale von ‚Greggery Peccary‘, bei dem Wunderdrummer Terry Bozzio einmal mehr beweist, warum er schon mit 17 von Zappa protegiert wurde. Oder Zappas Gitarrensolo beim immer wieder großen ‚Black Napkins‘. Und natürlich darf man sich über die ungekürzten Ansagen des Gurus freuen, die neben ein paar typischen Zappaismen tatsächlich einige ungewohnte Blicke auf das Material offenlegen.

So könnte es also gerade diese Ausgabe schaffen, die eher rock-affinen Zappa-Fans mit dessen Neuklassik-Ambitionen zu versöhnen. Im Vergleich zu späteren Orchesterarbeiten ist „Orchestral Favourites“ nämlich noch recht melodisch und weitgehend zugänglich ausgefallen. Abgesehen davon kann man eigentlich eh‘ nicht genug Zappa-Livematerial haben, oder?

 

https://www.zappa.com/

https://www.universal-music.de/

 

Essential Albums Collection Vol. 1

Ein ziemlich knorkes Teil für Vinylsammler ist „The Essential Album Collection, Vol. 1“, eine Sammlung klassischer Alben der deutschen Experimental-Band Popol Vuh. Auf sechs LPs finden sich fünf Studioalben der Band, die allerdings nicht chronologisch aufeinander folgen: „Affenstunde“ ist das Debüt von 1970, „Hosianna Mantra“ (1972) das dritte und „Einsjäger und Siebenjäger“ (1974) das fünfte Studioalbum der Band. Dazu gibt’s die Soundtracks zu den Werner-Herzog-Filmen „Aguirre“ (1975) und „Nosferatu“ (1979), letzteres in seiner vollständigen Fassung und konsequenterweise verteilt auf zwei LPs.

Nun muss man sich nicht wundern, wenn man von Popol Vuh bislang nur den Namen kennt. Der wird nämlich gerne von Künstlern wie Steven Wilson, Mikael Akerfeldt oder Mike Oldfield beschwärmt. Akerfeldt nutzt beispielsweise Through Pain To Heaven‘ vom „Nosferatu“-Soundtrack seit jeher als Intromusik für Opeth-Konzerte, und Oldfield hat immer freimütig zugegeben, dass die Band um Florian Fricke einen großen Einfluss auf seine Frühwerke ausgeübt und ihre Musik ihn darin bestärkt hat, sich von den Pop-/Rock-Konventionen zu lösen. Schön, aber wie klingen Popol Vuh denn nun?

„Meditativ“, „hypnotisch“, „spirituell“ – das sind die Worte, die meist zum Thema fallen. Nun, das mag sein, aber rein musikalisch gesehen können diese Aussagen alles Mögliche bedeuten. Also fangen wir doch einfach bei den in der Box enthaltenen Scheiben an. Das erste Album „Affenstunde“ wurde von Fricke größtenteils mit dem Moog-Synthesizer eingespielt. Die entspannten Synthie-Klangflächen erinnern ganz klar an die „Zeit“-Phase von Tangerine Dream – auch hier gibt es nur Atmosphäre, aber keine wirklichen melodischen oder rhythmischen Strukturen, die an konventionellen Pop oder Rock erinnern, dafür tauchen ein paar ebenfalls eher offen strukturierteWorld-Music-Percussions auf. Kurz gesagt, „Affenstunde“ enthält über weite Strecken das, was in den Achtzigern als „Ambient“ bekannt wurde, gemischt mit dem, was Hipster seit ein paar Jahren unter dem Namen „Drone“ als neu verkaufen. Somit sollte klar sein, dass das Album etwas für den „besonderen Geschmack“ ist. Hört man darauf das nur zwei Jahre später entstandene Drittwerk „Hosianna Mantra“, kann man kaum glauben, dass es sich dabei um die gleiche Band handelt: statt kosmischer Klangebenen gibt es nun Akustik- und E-Gitarren sowie Folk- und Progressive-Rock-Einflüsse. Der Synthesizer ist zwar immer noch stilprägend, passt sich aber in das organische Klangbild ein. Speziell Conny Veits Gitarren verraten, warum Mike Oldfield Popol Vuh als Inspiration nennt: bei vielen „Songs“ fällt es schwer, nicht an „Hergest Ridge“ und „Ommadawn“ zu denken. Auch das Format, auf einer Albumseite eine lange, ausufernde Komposition und auf der anderen kürzere, prägnantere Stücke zu präsentieren, hat Oldfield mit Sicherheit Dank der Mitwirkung der koreanischen Sopranistin Djong Yun gibt es auch erstmals Gesang auf einem Popol Vuh-Album zu hören, wenn auch freilich weiterhin nicht im traditionellen Pop-Sinn. Djong Yun war auch zum fünften Album „Einsjäger und Siebenjäger“ noch mit an Bord, Conny Veith wurde hingegen von Daniel Fichelscher ersetzt. Der hatte zuvor bereits geholfen, Amon Düül II in eine melodischere und songorientiertere Richtung zu lenken und sollte bis Anfang der 1990er Jahre als einziges permanentes Mitglied an Frickes Seite bleiben. Mit seinen vom Rock, Klassik und (damals) modernem Jazz beeinflussten Harmonien prägte er den „typischen“ Popol Vuh-Sound in den Folgejahren fast genauso stark wie der Bandboss. Auch dieses Album dürfte speziell Oldfield-Fans gut beigehen, Popol Vuh zeigten sich im Vergleich zu den Frühwerken deutlich melodischer und zugänglicher.

Die Alben „Aguirre“ und vor allem „Nosferatu“ gehören zu den bekanntesten Werken der Band. „Aguirre“ erschein erst 1975, drei Jahre nach dem Film, enthielt aber auch eigentlich nur zwei der für den Film komponierten Stücke (‚Aguirre I‘ und ‚Aguirre II‘). Der Rest war in den Jahren 1972 bis 1974 entstanden und hatte auf den bisherigen Alben keinen Platz mehr gefunden, ‚Morgengruss II‘ und ‚Agnus Dei‘ waren in anderen Takes bereits auf „Einsjäger und Siebenjäger“ enthalten. Deshalb zeigt sich das Album auch stilistisch etwas uneinheitlich. Genau deshalb kann „Aguirre“ aber auch als guter Einstieg ins Universum der Band dienen. „Nosferatu“ enthält in dieser Version das komplette für den Film verwendete Material, das ursprünglich auf die Alben „Brüder des Schattens – Söhne des Lichts“ und eben „Nosferatu“ verwendet wurde. Der Titelsong von „Brüder des Schattens“ wurde allerdings auf einen knapp sechsminütigen Auszug komprimiert. Das „Nosferatu“-Album zeigt sich phasenweise dem Thema des Filmes entsprechend als ungewohnt düster und bisweilen reichlich bedrohlich, aber immer im Wechsel mit den typisch positiven Popol Vuh-Harmonien. Kein Wunder, dass Akerfeldt hiervon so begeistert war, eine ähnliche Stimmung findet sich auch auf „Storm Corrosion“ und „Heritage“.

Als Musikfan hat man also die Auswahl zwischen der Vinyl-Box oder den Einzel-CDs. Alle Formate enthalten Bonus-Tracks und Liner Notes – etwas enttäuschend nur, dass die Liner-Notes bei allen CDs identisch sind, genauere Infos zu Besetzung oder Entstehung der Alben gibt’s also nicht. Dafür eine Kurzbiografie und Würdigungen der Band von Kollegen. Egal in welchem Format – für aufgeschlossene Prog-Fans und Freunde unkommerzieller Musik sind Popol Vuh in jedem Fall eine Entdeckung wert.