Schlagwort: Garage

Go! Go! Go!

I want chaos want noise / I want danger want noise

Diese Zeilen aus dem Refrain von „I Want Noise“, des Openers von LOBSTERBOMBs Debut-EP „Go! Go! Go!“ (kein Label) fasst zusammen, was wohl alle gerade wollen: Endlich mal wieder ausbrechen, sich frei fühlen und für einen kurzen Moment auf alles pfeifen. Mit dem Track im Ohr klappt das auf jeden Fall hervorragend. Auch die restlichen Kompositionen des Berliner Indie-Garage-Trios gehen mit Druck in den Gehörgang – und in die Beine.

Bock auf erdige, noisy Gitarren, treibende Drum-Beats und die ein oder andere aaaaaah- und uuuuuuuuh-Singalong-Line? Na, dann herzlich Willkommen im Universum von LOBSTERBOMB. Direkt aus Berlins Underground machen sich die drei Musiker:innen mit fünf Tracks im Gepäck auf den Weg an die Oberfläche, um ihren frischen Garage-Rock unter die Leute zu bringen.

Underground ist in diesem Fall übrigens wörtlich zu nehmen: „Go! Go! Go!“ wurde DIY im Keller-Proberaum der Band aufgenommen. Peter Thoms (Akne Kid Joe) hat das Ganze im Anschluss gemischt. Herausgekommen ist eine rohe, kantige Platte, die keinen Wert darauf legt, schön zu tun. Oder etwas zu sein, was sie gar nicht ist. All das ist höchst angenehm in einer Ära, die von glattgebügelten Instagram-Beautys und Photoshop-optimierten Bildern dominiert wird.

Authentizität bildet auch die Basis fürs Songwriting der Band. Ob innere Dämonen, die bezwungen werden wollen („Monster“) oder der Ausbruch aus dem erdrückenden Alltag („Wake Up“) – LOBSTERBOMB finden klare Worte für alles, was endlich mal gesagt werden muss. Sängerin und Gitarristin Nico Rosch präsentiert Ihre Vocals zudem so, dass Weghören unmöglich wird: Halb geschrien, halb im Befehlston, aber immer melodisch holt sie aus ihren Stimmbändern raus, was die Lunge hergibt.

„Go! Go! Go!“ ist das gelungene Debut einer kreativen, unverbrauchten Band, die hoffentlich in ihrem Probenkeller noch die eine oder andere laute Überraschung zusammentackert. Es wäre wirklich jammerschade, wenn es von LOBSTERBOMB nicht noch mehr auf die Ohren gäbe …

 

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A Picture Of Good Health

I don’t care for niceties, no.

Mindestens das wissen wir von Life, seit sie sich im Jahre 2017 mit ihrem Debütalbum „Popular Music“ erstmals zu Gehör gemeldet haben. Kaum jemand, der damals auf sie aufmerksam geworden ist, wird sich der Unmittelbarkeit und dem Temperament der britischen Newcomer entzogen haben. Das heimatliche BBC Radio 1 hat das Album sogar in die Liste der jahresbesten aufgenommen. Somit trifft der Nachfolger „A Picture Of Good Health“ (Afghan Moon) nun auf eine gewisse angespannte Erwartungshaltung einer gar nicht mehr so kleinen, aber trotzdem feinen Fangemeinde.

Die wird zumindest insofern befriedigt, als dass Life auf ihrem zweiten Album so einfach wie konsequent fortführen, was sie mit „Popular Music“ begonnen haben. Wenn sie auch – so will es das ungeschriebene Zweites-Album-Gesetz – ein Stück weit reifer, durchdachter, kompakter klingen. Denn ihr Debüt war noch eine Ansammlung loser, über einen längeren Zeitraum verteilt aufgenommener Songs. Die neue Platte hingegen ist am Stück entstanden, während vier Wochen intensiver Studioarbeit.

Diese Professionalisierung ändert freilich nichts an den unmittelbaren Grundlagen von Life und ihrem Tun. Auch „A Picture Of Good Health“ bewegt sich im gelungenen Genre-Mix von Punk, Garage- und Glam-Rock, lebt von der stimmlichen Stilbreite von Mez Sanders-Green. Das ist wieder bemerkenswert gut. Ansonsten kommt aber nicht wirklich etwas Neues oder gar Aufregendes hinzu. Dabei schienen die Anfänge der Band doch so viel aufbrausendes Potential zu bergen. Zwar ist die Ernüchterung keineswegs derart groß, wie es etwa die Band selbst in „Excites Me“ besingt („It excites me, excites me, I’m getting bored.“). Aber sollte eine Empfehlung für das aufregendere Life-Album ausgesprochen werden, sie würde sehr eindeutig das Debüt betreffen. Denn auf dieses traf zu, wovon ebenfalls in „Excites Me“ die Rede ist: „We both found what we were looking for as it came crashing through the door.“

Vielleicht lag es am Überraschungseffekt, über den jedes Debütalbum mehr oder weniger verfügt. Mit „A Picture Of Good Health“ krachen Life jedenfalls nicht mehr durch die Tür. Eher treten sie recht lässig, aber selbstbewusst wie eh und je ein. Wenig beeindruckt von jeglichen Erwartungen, die an sie von außen gestellt werden, macht die Band souverän und aufmüpfig ihr eigenes Ding. Und das ist Punkrock einer ganz eigenen Art. Schließlich behalten sie Recht:

All angels ride for free
All hereos eat alone
Sweep up your debris
From your sexless throne
I look much better than you (Hollow Thing)

 

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Carnage Bargain

The Paranoyds haben ihren Bandnamen nach eigen Angaben nicht ohne Grund gewählt: Man lebe nicht nur in Richtung einer dystopischen Zukunft, nein, Smartphones hören heimlich mit und gelten als unsere verlängerte digitale Persönlichkeit, außerdem seien Rechtspopulisten weltweit auf dem Vormarsch. Grund genug also, paranoid zu sein.

Ganz so düster wie ihre Sicht auf die Dinge ist das Debütalbum des Quartetts aus L.A. nicht ausgefallen. „Carnage Bargain“ (Suicide Sqeeze) schwelgt quasi in der Vergangenheit, zumindest musikalisch. Dichte Fuzz-Gitarren, satter Bass und rollende Drums laden zu einer Zeitreise in die 60ies ein, als Garage noch ein Underground-Phänomen war und Punk noch nicht mal in den Kinderschuhen steckte. Dafür waren Girl Groups mit ihrem Harmoniegesang der heiße Scheiß.

The Paranoyds – bestehend aus drei Ladies und einem Gentleman – fusionieren all das zu einem satten Sound, der sich in seiner Coolness weder anbiedert noch zu viel Kiss My Ass-Attitüde verbreitet. Schade ist nur, dass die Lyrics zum Großteil in der Musik untergehen – hier hätte der Tonmensch sorgfältiger Staz Lindes‘ und Laila Hashemis Vocals herausarbeiten müssen.

Da, wo die Damen klar zu vernehmen sind, ist auch ihre Botschaft deutlich: Mädels, verbiegt Euch nicht für irgendeinen Kerl und bleibt stark und unabhängig („Girlfriend Degree“). Macht außerdem, wonach Euch der Sinn steht – egal, was andere denken („Courtney“). Wenn doch mal alles zu viel wird, gönnt Euch eine Pause und begebt Euch eine Zeit lang metaphorisch in den Winterschlaf („Bear“).

Mit „Carnage Bargain“ erteilen The Paranoyds gängigen weiblichen Attributen wie immer nett, höflich, zuvorkommend und hübsch angepasst zu sein eine klare Absage. Statt dessen sind sie in bester Riot Grrrl-Tradition laut, rumpelig und rüpelig. „Girls to the front!“ ist wieder die Devise. Falls das in der männlich dominierten Punk-Szene für Paranoia sorgt – Pech gehabt, The Paranoyds haben sich ihren Platz verdient. 

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Suicide Squeeze

 

 

MUDHONEY – Digitaler Müll zum Frühstück

Im vergangenen Jahr haben Mudhoney ihr zehntes Album ‚Digital Garbage‘ veröffentlicht. Am 20. September schieben sie nun ‚Morning In America‘ nach: eine 7-Song-EP mit Tracks, die während der Album-Sessions letztes Jahr entstanden sind. Zu den Tracks gehören ‚Let’s Kill Yourself Live Again‘ (eine alternative Version von ‚Kill Yourself Live‘ und der Bonustrack für die japanische…

BIG JOHN BATES – Neues Video ‚Skinners Cage‘

Big John Bates präsentiert ein neues Video zu ‚Skinner Cage‘, dem Titelsong seines im April erschienen Albums:   Zudem setzt er mit seinem Noirchestra die Tour durch deutschsprachige Landen fort: 01.06.19 Siegen, VEB 05.06.19 Dresden, Groove Station 06.06.19 Halle, Objekt 5 07.06.19 Karlsruhe, Alte Hackerei 08.06.19 CH-Basel, Humbug Club 09.06.19 Donaueschingen, Kulturbahnhof13.06.19 A-Steyr, Roeda15.06.19 A-Innsbruck, pmk 19.06.19 Fürth, Kopf & Kragen20.06.19…

BIG JOHN BATES – Video zu ‚All The Devils‘

Big John Bates hat parallel zum Erscheinen des neuen Albums ‚Skinners Cage‘ auch ein Video zur Single ‚All The Devils‘ veröffentlicht. Dazu lässt er verlauten: The song is a ragged rocker but instead of a hyper-amped guitar, an insane violin drives the track. The video was shot in a mad grindshow-style that compliments the B-movie…

LOCUST FUDGE – Lernen im Schlaf

Locust Fudge haben im letzten Jahr ihren Dornröschenschlaf beendet und 21 Jahre nach der letzten EP ihr Album ‚Oscillation‘ veröffentlicht. Am Wochenende geht die Band erneut auf Tour und durchstreift den äußersten Westen und Süden der Republik. Whiskey-soda.de präsentiert und hatte zu diesem Anlass auch ein paar Fragen an die Schrammelrock-Urgesteine Schneider und Krite. Nicht…

PLAGUE VENDOR – Video zu ‚New Comedown‘ kündigt neues Album an

Die US-Alternative-Rock Band Plague Vendor wird am 07. Juni 2019 ihr neues Album ‚By Night‘ auf Epitaph Records veröffentlichen. Produziert wurde der Drittling und Nachfolger von ‚Bloodsweat‘ (2016) von John Congleton (St. Vincent, Sharon Van Etten, Chelsea Wolfe). Als ersten musikalischen Vorboten präsentieren die Amerikaner nun den Opener-Song ‚New Comedown‘ samt Video: Frontmann Brandon Blaine sagt…

The Devil You Know

Über ‚Bimbo‘ sagt Sängerin und Gitarristin Julia Kugel, dass er einer der Songs des neuen Albums sei, die sich quasi von selbst geschrieben haben. Tatsächlich transportiert der Opener eine so unerhörte Leichtigkeit, dass man meinen möchte, es hier mit einem lockerflockigen Frühlingsalbum zu tun zu haben.

Das wäre nun äußerst irritierend, weil untypisch für The Coathangers. Und zum Glück hat sich der erste Eindruck spätestens beim dritten Track verflüchtigt. Nicht dass sie ihn nicht drauf hätten, den Pop-Punk der intelligenten Sorte. Das soll sich mit ‚Memories‘ etwas später noch einmal bestätigen. Aber es ist doch der etwas düstere Post-Punk mit den ausgeprägten No Wave-Elementen, den wir von dem Trio aus Atlanta so gern hören wollen.

Dennoch, mit ihrem sechsten Album ‚The Devil You Know‘ setzt die Band eine Art Zäsur in ihre Diskografie. Der Schreibprozess sollte so offen wie möglich sein, das war die Prämisse. Alter Ballast, festgefahrene Gewohnheiten, Erwartungshaltungen sollten abgeschüttelt, der innere Teufel, den man so gut kennt, bekämpft werden. Tatsächlich merkt man der Platte ihre Ausrichtung nach vorne an. Und der Band ihre Kohärenz. Das meint nicht, dass sie auf einmal geschmeidig geworden wäre. Im Gegenteil, den Großteil des Albums prägt ein kantiger Garage-Sound, der sich seiner Einfachheit nicht schämt und mit seiner Wut nicht hinter’m Berg hält (‚Fuck the NRA!‘). Dabei wissen die drei Musikerinnen hörbei genau, was sie tun. Das macht die einfachsten Rifffolgen (‚5 Farms‘) zu einer stilvollen Angelegenheit. Mit dieser klaren Orientierung kann es mit The Coathangers jetzt gerne ewig so weiter gehen.

Blomst IL

Nicht zufällig haben Blomst den Internationalen Frauentag als Veröffentlichungsdatum ihres zweiten Albums gewählt. Die Band aus Oslo schmückt sich nämlich nicht nur mit ihrem weiblichen Gesang, sondern legt eine deutliche Riot-Grrrl-Attitüde an den Tag. Dass diese sich auch in den Texten der zehn vorliegenden Songs widerspiegelt, müssen wir Mitteleuropäer, die des Norwegischen nicht mächtig sind (und das dürfte auf den Großteil unserer Leserschaft zutreffen), der Band und ihren Marketingbeauftragten jetzt einfach mal glauben.

Grund zum Zweifel daran gibt es wenig, denn ‚Blomst IL‘ ist der unkaputtbare Sound in der Tradition von Bands wir The Baboon Show zu eigen. Das meint Punk’n’Roll mit weiblicher Schnodderschnauze, die dem Ganzen eine pfeffrige Note verleiht. Schon im Opener beweist Sängerin Ida Dorthea Horpestad, zu welcher Kanonade sie fähig ist. Wirklich konsequent zieht sie das aber leider nicht das ganze Album über durch. Trotzdem bleibt ihre Stimme das markanteste Merkmal der Musik von Blomst.

Das Songwriting erweist sich nämlich im Verlaufe des Albums als begrenzt, der Sound als recht monoton. Bisweilen werden Ska-Bläser hinzugefügt, die auf althergebrachte Weise für etwas Abwechslung sorgen sollen. Der Mix wirkt letztlich aber eher unentschlossen als einfallsreich. Hinzu kommt die etwas impertinente Feierlaune der Mittzwanziger, die in ‚Bare ha‘ gipfelt und sich ihres Musical-Charakters à la ‚Grease‘ nicht schämt. Eingängige Mitsingelemente und so gefällig balladeske Einlagen wie ‚Dø manns kyss‘ zielen auf einen breiteren Geschmacksnerv ab, als es sich für eine anständige Riot-Grrrl-Band schicken sollte. Das Kalkül geht wenig überraschend auf, weswegen Blomst auch schon eine große Zukunft in der norwegischen Rock-Landschaft vorausgesagt wird. Sollte sich das bewahrheiten, werden auch wir, das Publikum jenseits der skandinavischen Gefilde, in Zukunft noch Einiges von Ida und ihren drei Mitstreitern hören.