Schlagwort: Crust Punk

Re-evolve

Crossover war einmal die Fusion aus der Energie des Hardcore mit der hochwertigeren Struktur des Thrash Metals. Später wurde Hardcore mit HipHop, Metal mit Funk gekreuzt. Heutzutage werden Stile vereint, die als unvereinbar galten, so zum Beispiel der theatralische Black Metal mit engagiertem Hardcore als auch gradliniger Crust mit ausschweifendem Post Metal. Letztere Kombination wird als Neo Crust bezeichnet, in den inzwischen auch viele Kader eingestiegen sind. Ein echter Leckbissen in diesem Subgenre ist das Debüt der Polen Orphanage Named Earth.

Acht erlesene Hymnen zwischen ausdrucksstarker Wut und nicht enden wollender Verzweiflung. Lange, wunderschön-trostlose Instrumentalpassagen bzw. verzweifelte Schreie vor driftender Kulisse steigern sich zu einem Inferno an Wut, das alles niedertrampelt, was sich ihm in den Weg stellt. Das große Bild von einer im Sterben liegenden Welt malen Orphanage Named Earth auf „Re-evolve“ mit allen Grautönen, die das Auge erblicken kann.

Mit seiner eindrucksvollen Dramatik lässt der Fünfer die Türme der Zivilisation einstürzen. Kapitalismus, Korruption, Folter und Kriege sind die Krebsgeschwüre, denen Orphanage Named Earth ihre ganze Aufmerksamkeit widmet und diese genüsslich ausweidet. Solch desolate Bilder in den Kopf zu transferieren, das vermochten bisher nur wenige, als Beispiel sei Neurosis‚ „Through Silver In Blood“ zu erwähnen.

Orphanage Named Earth nehmen einen mit auf eine Reise in eine Welt aus Ruinen, aus denen kein Phoenix aus der Asche auferstehen wird. Ganz schwer nur kann man sich dieser gewaltigen Kakophonie entziehen, so fesselnd sind die 58 Minuten Soundtrack zum Untergang. Das Artwork von Andy Lefton von War//Plague und Tau Cross spiegelt genau diese ausweglose Endzeit-Atmosphäre wieder. „Re-evolve“ ist „Apocalypse Now“ für die Ohren.

https://orphanagenamedearth.bandcamp.com/

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Rape Killing Murder

Making Finland great again! Erst vor Kurzem ließen die Releases von Lapin Helvetti, Death Toll 80K und vor allem die Hammerscheibe von Kohti Tuhoa aufhorchen, schon schlägt die nächste Granate in direkter Nähe ein. „Rape Killing Murder“ heißt das Debüt des Crust-Quartetts Dropzone aus Helsinki und beschert uns eine räudige Mischung aus klassischen Discharge und post-grindigen Extreme Noise Terror, also die gute alte Englische Schule. Tiefe kehlige Growls und wütend-keifende Vocals werden von schneidenden Riffs und einem stumpfen D-Beat mit gelegentlichen Blasts angetrieben.

Wilde, strukturlose Gitarrensolos dürfen natürlich auch nicht fehlen. Dropzone halten sich streng an die althergebrachten auf Leder- und Jeanskutten überlieferten Traditionen im Crust und gehen dabei mit einem herrlich asigen Charme zu Werke. Die acht Songs sind wie ein bierseeliger Toast auf all das Schlechte in der Welt. Der Sound ist zwar ein wenig zu metallisch, was aber bei Songlängen von maximal zwei Minuten egal ist. Hauptsache es knallt. Und das tut es es ordentlich, auch wenn 14 Minuten viel zu kurz sind, um den Untergang der Welt ausgiebig zu feiern, wie es auf dem – ganz ehrlich etwas sehr klischeehaften und nicht den Gestaltungsvorschriften des Crust entsprechenden – farbig illustrierten Artwork zelebriert wird.

„Rape Killing Murder“ – also all die Dinge, auf die Menschen abfahren – ist ein Album aus den 80ern, das nach 30 Jahren endlich ausgekotzt wurde und trotzdem zeitgemäß ist. Dropzone haben ganz offensichtlich Spaß am Crust, was deutlich zu hören ist. Diesen kleinen Happen Freude am Armageddon sollte sich dann auch jeder Crustie für zwischendurch gönnen.

Näkyjä Helvetistä

Das Land, in dem die Sonne, sich regelmäßig weigert zu scheinen, hat seit jeher eine illustere Untergrund-Musikszene, sei es Heavy Metal oder Punk oder Artverwandtes. In den 80ern waren es die Punk-Bands, die für Furore sorgten, danach schossen Symphonic-Metal-Bands wie Pilze aus dem Boden und als deren Antithese kam Crust und Grindcore wieder zum Leben. Aber in der finnischen Musikerseele scheint keine Sonne, so auch auf der zweiten Schwarzrille der jungen Finnen von VVorse „Näkyjä Helvetistä“ (Inverse Records) aus Jyväskylä.

In den insgesamt acht Visionen der Hölle – so der Albumtitel mit dem Unterschied, es sind neun höllisch räudige Kompositionen – wie sie dem Quartett erscheinen, ist viel Aggression und Frustration gepaart mit wilder Verzweiflung zu spüren. Der donnernde D-Beat kämpft gegen die Black-Metal-Riffs als wären sie unvereinbar, doch in Verbindung mit den gequälten kratzigen Schreien und den atmosphärisch-melancholischen Passagen zeichnet sich ein phantastisches Bild der exquisiten, finnischen Schwermut.

Bei all den Stimmungsschwankungen innerhalb der neun Songs, bleibt der Punk-Faktor das bestimmende Element. Das abwechslungsreiche Songwriting kann nicht darüber hinweg täuschen, dass VVorse, eher Chaos und Untergangsstimmung verbreiten möchten als mit ihrer Musik irgendwelche weiß bemalten Figuren beeindrucken wollen. „Näkyjä Helvetistä“ ist ein nicht gerade zimperlicher Volltreffer auf den Kopf mit einer Flasche billigen Fusel-Wodkas.

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A Fragile King

Der Musiker-Inzest in England nimmt fast schon schwedische Ausmaße an. Daher werden viele Vallenfyre als Death Metal Supergroup bezeichnen, ein reines Studioprojekt soll es aber nicht sein. Zur Geschichte: Gregor Mackintosh von Paradise Lost hat sich ein Stell-dich-ein mit Hamish Glencross von My Ding Bride, Scoot von Doom/Extinction of Mankind, und Adrian Erlandsson von At The Gates und Mully in einem Pub gegeben. Bei diesem Namedropping läuft es einem kalt den Rücken herunter, denn wenn bei dieser Allianz namens Vallenfyre kein Ausnahme-Death Metal-Album heraus kommt, dann kann man die fünf Musiker nur verfluchen.

Wer „Infernal Torment“ von „Vile Vibes“-Sampler kennt, der weiß, wie sich Vallenfyre anhört: Tiefe, schwere Gitarrenriffs treffen auf Old School Death Metal, der sich mit viel Doom Metal paart sowie einem gutem Schuss britischen Crust. Der daraus geborene Bastard ist bester Death Metal der guten alten englischen Schule. Besonders die langsamen, düsteren Teilstücke machen die insgesamt elf Kompositionen aus. Diese klingen herrlich verzweifelt und wunderschön dunkel.

Death Metal Superstar

An diesen Stellen wird einem offenbar, dass „A Fragile King“ eine starke persönliche Note besitzt. Laut Gregor Mackintosh ist „A Fragile King“ ein Andenken an seinen verstorbenen Vater, der intensiv mit Krebs zu kämpfen hatte. Ein schwerer Grove und ein gebremstes Up-tempo sind neben den markanten Gitarrensoli Mackintosh’ Stilelemente, die ein geschulter Hörer bereits von genannten Bands kennt und liebt. Manchmal ist der orchestrale Bombast allerdings ziemlich dick aufgetragen. Gesanglich orientiert sich der Mastermind ebenso an den alten Tagen seiner Hauptband wie beim Sound, der harmonisch und sehr bedrückend ausgefallen ist.

„A Fragile King“ ist ein Album ohne große Überraschungen, dafür aber mit vielen Stilmitteln, die einen schon mit „Lost Paradise“ und „As the Flower Withers“ ans Herz hat wachsen lassen. Mackintosh hat mit Vallenfyre einen überzeugenden Kontrapunkt zu all den modernen überproduzierten Death Metal Bands gesetzt, in dem er sich ganz auf die Stimmung von „A Fragile King“ konzentriert hat. Und er hat gut daran getan.

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