Beim Domino in Berlin ist man ganz aus dem Häuschen, denn ab sofort gehören die legendären Shoegazer My Bloody Valentine zum Label-Portfolio. Zunächst werden nun alle drei Studioalben plus die Compilation „EP’s 1988-1991 and Rare Tracks“ neu veröffentlicht. Digital sind sie seit dem 31. März erhältlich, physisch wird am 21. Mai nachgeschoben. „Isn’t Anything“ und…
Ein hehres Anliegen haben Typhoon, mit ihrem fünften Album der Magie des Mitgefühls auf den Grund gehen zu wollen. Anlässe dafür gibt es allemal, allen voran das Trump-Erbe eines gespaltenen Amerikas und eine Pandemie, die die Menschen zusätzlich auf Abstand hält. Die Band aus Portland weiß sich in dieser Situation scheinbar nicht anders zu helfen, als eine überbordende Menge an Emotionalität auf die Hörer auszuschütten. Wer sich darauf einlässt, braucht starke Nerven.
And the waves of darkness fold over me As the dying sun goes down
Das ist schonmal eine schwierige Ausgangslage. Begleitet wird das Gefühl der Verzweiflung von Bläsern und Glöckchen, mit denen der letzte Rest Weihnachten verklingt. Nur kurz brechen im betreffenden „Empire Builder“ die Verzerrer durch und sorgen für einen der wenigen starken Momente auf „Sympethetic Magic“ (Roll Call Records). Ansonsten herrscht ein sauberer, meist minimalistischer Sound vor, der sich einige Ausbrüche in den Pomp des Dreampop genehmigt.
Angesichts der Umstände, mit denen die einzelnen Bandmitglieder meist getrennt voneinander das Album in ihren Wohnzimmern und Kellern eingespielt haben, ist der Sound erstaunlich kohärent. Anders als so mancher der Songtexte, die nicht nur Mitgefühl, sondern oft auch Mitleid mit dem Verfasser hervorrufen. Kyle Morton zeigt Mut zur Unsicherheit. Das ist menschlich und schafft Nähe. Irritierend hingegen ist die pure Unentschlossenheit, die sich in den Texte zunehmend Ausdruck verschafft, sowie die Unfähigkeit, aus nicht allzu ungewöhnlichen Problemlagen einen anderen Ausweg zu finden als die Hoffnung auf das nächste Leben:
And so I held my breath and listened To my own beating heart Fucking time bomb ticking And fantasized about the next life Come back as a rocking chair Just want to hold you in the rhythm
Es ist durchaus bewundernswert, offen vom eigenen Versagen zu singen – wenn es nicht durchweg auf so weinerliche Art und Weise passieren würde. Mit sentimentalen Melodien und einer glattpolierten Produktion schießt das Ganze ein ums andere Mal weit über das Ziel hinaus. Bei vollem Bewusstsein allerdings. „Sympethetic Magic“ soll zerbrechlich klingen und verfolgt daher akustisch wie textlich ein konsequentes Konzept. Die sehr intimen Geschichten von Verlust und Selbstzweifel geben Hörern in ähnlichen Situationen sicherlich Halt. Beim Selbstmord-Song „Room Within the Room“ könnte sich dieser Effekt aber schon ins Gegenteil umkehren, und mit „Masochist Ball“ verliert sich dann jedes Verständnis.
You deserve to die You deserve painful burning needles in your eyes (…) Don’t be angry Don’t raise your hand like Cain (…) When I get too comfortable I just start imagining a world where Everybody wants me Then I’m imagining a world where Everybody hates me And I just try to split the line
Wer sich an der Stelle innerlich nicht verabschiedet, kann offenbar viel aushalten und dem ewigen Lavieren von Typhoon etwas abgewinnen. Das bisschen Hoffnung, das Kyle Morton in seinen Texten zu transportieren versucht, ist in diesen Zeiten einfach nicht ausreichend. Zu tief wird der Hörer in das Leid von „Sympethetic Magic“ hineingezogen, und so Mancher wartet im letzten Drittel des Album nur noch sehnlichst auf dessen Ende. Das kommt – sehr bezeichnend – mit „Welcome to the End Game“ und der Zeile „there’s not a Savior left in sight“. Unter anderen Umständen könnte das Album vielleicht als interessant durchgehen. Jetzt gerade sorgt es aber für noch mehr Verwirrung, als tragbar ist.
Die Grammy-nominierte und hierzulande nur leidlich bekannte Indie-Rock/Dream-Pop Band The Choir haben bei Kickstarter eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, um ihr neuestes Album zu produzieren. Das Trio aus Kalifornien ist seit Mitte der 80er aktiv ist, das für Oktober angekündigte Werk „Deep Cuts“ wird ihr 16. Studioalbum sein. Bereits bei den beiden Vorgängern „Bloodshot“ (2018) und „Shadow…
Die meisten guten Rocksongs sind im Schmerz geboren. Ein gebrochenes Herz und ein am Boden zerstörter Songschreiber sind die besten Voraussetzungen für ergreifende Texte, für Hymnen und für das Mit-Fühlen und Mit-Leiden der Hörerschaft. Jeder kann sich damit identifizieren; die Sympathien sind dem Betrogenen sicher. So ist es nur plausibel, dass Apex Manor diese Thematik zum Konzept für ihr neues Album erkoren haben.
In den acht Jahren, in denen man von der Band aus Kalifornien seit ihrem Debütalbum ‚The Year Of Magical Drinking‘ nichts mehr gehört hat, hat sich offenbar so Einiges an Herzschmerz angesammelt. So viel, dass es für eine ganze Stadt reicht. Mastermind Ross Flournoy sieht sich selbst zwar nicht als Bewohner von ‚Heartbreak City‘; vielmehr wirft er im Titeltrack seinem Gegenüber (offenbar einer verflossenen Liebe) etwas verbittert vor, dort zu leben. Nach dem Durchhören des Albums schleicht sich dennoch der Verdacht ein, dass auch Flournoy sich an diesem Ort irgendwie Zuhause fühlt.
Die Songs von ‚Heartbreak City‘ erzählen uns nämlich nicht nur von missglückten amourösen Episoden und gescheiterten Beziehungen, sondern zelebrieren auch den Schmerz, der darauf folgt. Mit Wonne setzt Flournoy sein Herz immer wieder auf’s Spiel und durchlebt ergeben sowohl Höhen als auch Tiefen. Leidenschaft als Lebens- und Liebesprinzip, wer will ihm das vorwerfen? Allerdings wird zunehmend deutlich, dass die Tiefen in den Geschichten womöglich deswegen überwiegen, weil Flournoy als Ich-Erzähler eine passiv-leidende Rolle einnimmt. ‚Am I ever gonna be the kind of man you want from me?‘ drückt in ‚Asked & Answered‘ noch gesunde Zweifel aus. Mit ‚I was waiting for you to tell the truth, I was waiting for you to decide‘ überlässt in ‚The Long Goddbye‘ bereits Anderen das Handeln und mit ‚It’s all I’m asking for to pick me up‘ wird in ‚Sanctuary‘ die Kapitulation komplett.
Vielleicht käme die Erlösung der Leiden mit dem Einnehmen einer aktiveren Rolle in Sachen Liebe, Leben, Beziehungen? Allerdings würde uns das einige gute Songs vorenthalten. Tatsächlich beginnt das Album mit drei starken Tracks, in denen vor allem die klaren Reminiszenzen an Dinosaur Jr. erfreuen. Dynamischer Schrammelrock, der einer romantischen Tragik huldigt – das passt bestens zu den Texten. Im Albumverlauf gewinnt aber eher eine tragische Romantik an Gewicht, wird es mit ‚Diamond In The Dark‘ und ‚Sara Now‘ nicht nur poppig-verträumt, sondern auch leicht verkitscht. Selbst wenn mit ‚Nervous Wreck‘ noch einmal Ohrwurmpotential aufklingt, verliert das Album doch mit den letzten beiden Songs seinen Elan. Letztlich kann ‚Heartbreak City‘ die großen Erwartungen, die es mit seinem großartigen Anfang erweckt, leider nicht erfüllen.
Das Chaos herrscht nur auf dem
Coverfoto. Ansonsten hört man ‚Remind Me Tomorrow‘ die Hektik nicht
an, die in Sharon Van Ettens Leben geherrscht hat, als das Album
entstand. Als Musikerin arbeitete sie an diversen Soundtracks mit,
begann zu schauspielern, studierte nebenbei Psychologie und wurde
zudem auch noch Mutter. Jede Aufgabe für sich allein würde den
Alltag eines Menschen völlig auslasten – Van Etten nahm
währenddessen noch ein Album auf.
Eines, das sich in so eindrucksvolle wie wichtige Veröffentlichungen von Frauen einreiht, wie sie in jüngster Zeit von Anna Calvi, Emma Ruth Rundle oder Sophie Hunger kamen. Ähnlich wie bei Letzterer und deren Abum ‚Molecules‘ rückt die Gitarre, die anfangs für Van Etten so charakteristisch war, zugunsten verschiedenster elektronischer Einlagen in den Hintergrund. Mit diesem Gerüst ist ein Album entstanden, das einerseits auf die innere Ruhe verweist, mit der die Songwriterin ihr ereignisreiches Leben in der Balance hält. Und das andererseits genau die Herausforderungen spüren lässt, mit denen sie es – genauso wie ein Jeder von uns – tagtäglich zu tun hat.
Die Grundlage von ‚Remind Me Tomorrow‘
bilden wunderschöne Melodien, par excellence in ‚No One’s Easy To
Love‘ oder ‚Jupiter4‘. Kitschig könnten diese wirken, bekämen sie
nicht durch abwechslungsreiche Arrangements sowie Van Ettens
bisweilen trotziger Gesang etwas Kantiges. Zudem verschaffen die
geschickt eingesetzten elektronische Elemente den Songs etwas sehr
Modernes. Im Gegensatz zur Zeitlosigkeit von Rock- bzw. Folk-Songs,
denen Van Etten auf ihren bisherigen Alben näher war, platziert sie
ihre neuen Stücke ganz bewusst in die heutige Zeit.
So persönlich die Motivationen für
das Album für Sharon Van Etten gewesen sein mögen, so allgemein
gültig sind doch seine Brüche. In jedem seiner Songs spiegelt sich
mehr oder weniger deutlich die Schizophrenie unserer Tage wieder. Auf
der einen Seite wirkt vieles zunächst wundervoll und klingt stimmig.
Trotzdem gibt es etwas, das die Harmonie subtil, aber beharrlich
stört. Leichte Dissonanzen sorgen für ein Unbehagen, das derzeit
allgegenwärtig zu sein scheint. Wohl nicht zufällig wurde das
lebendigere ‚Comeback Kid‘ als erste Single veröffentlicht, vereint
es doch ein irgendwie nicht erklärbares Unwohlsein, das Viele heute
verspüren, und besteht dennoch auf dem unbedingten Willen, selbiges
ausgelassen wegzutanzen.
Selbst in dem so zauberhaften ‚Jupter4‘
schwingt unterschwellig etwas Bedrohliches mit. Der Song sei ein
Fiebertraum, sagt Katherine Dieckmann, die das zugehörige Video
gedreht hat. Das kann tatsächlich für das gesamte Album gelten.
Hin- und hergerissen zwischen behaglich-schönen Motiven und nagenden
Zweifeln hinterlässt es uns leicht verwirrt und nachdenklich. Und
ist damit die perfekte Metapher für das Leben an sich.
Freundschaft ist etwas Schönes. Zumal, wenn sie so vorzügliche Früchte trägt, wie im Falle von Dean Wareham und Chris Porpora alias Cheval Sombre. Die Beiden haben sich das perfekte Herbst-Projekt erdacht: die Interpretation von zehn Songs aus den musikalisch goldenen Sechzigern und Siebzigern. Einige Traditionals sind darunter zu finden und als Zugpferd Blaze Foleys ‚If I Could Only Fly‘, das sogleich im aktuellen Biopic von Ethan Hawk Verwendung fand. Und letztlich wäre wohl eine solche Kompilation nicht komplett ohne den notorischen Bob Dylan, der in diesem Fall mit ‚Tomorrow Is A Long Time‘ grüßen lässt.
Warehams Dream-Pop-Erfahrungen aus über 30 Jahren Musikeraktivitäten machen aus diesen zehn Stücken Folksongs der ganz sanften Art. Obwohl mit einer gehörigen Bandbreite an Instrumenten arrangiert, ist keines der Lieder in irgendeiner Form überladen. Die Country-Grundlage wird durch eindrückliche Akzente aufgehübscht. Manchmal ist das süßlich (‚Wayfaring Stranger‘ erinnert stark an The Mamas and the Papas), immer aber gut durchdacht und in perfekter Harmonie mit dem verträumten Gesang der beiden Barden.
Das, was im Titel durch das Wörtchen ‚versus‘ fast etwas Battle-haftes bekommt, ist im Gegenteil durchweg melancholisch, schön, sensibel. Das Album tut gut nach einem langen Tag, anstrengender Arbeit, einem Streit. Es lässt sich wunderbar dazu einschlafen, denn die Songs wiegen den Hörer regelrecht in ihren Harmonien. Freilich mit der Bestimmung, danach frohen Mutes wieder aufzuwachen und weiterzuziehen auf dem Weg des Lebens; mit Bedacht, aber auch neuer Kraft (‚I was born under a wand’rin‘ star‘).
Die Songs des Albums sind wunderbar beruhigend. Die versonnenen Arrangements schmeicheln dem Hörer, streicheln seine geschundene Seele und versichern ihm, dass letztlich alles gut werden wird. Wer nach danach nicht maximal milde gestimmt und bereit ist, Allem und Jedem zu vergeben, ist schlicht verloren.
‚The More I Sleep The Less I Dream‘ – das klingt wie eine ernüchternde Erkenntnis des Älterwerdens. Und tatsächlich haben wir es hier mit einer Art Coming of age-Album zu tun. So lassen sich zumindest die Äußerungen der vier Herren von We Were Promised Jetpacks zu dessen Begleitumständen verstehen: Abkehr vom permanenten Touren und von übereifrigen Albumproduktionen, Rückzug in die schottische Heimat und kontemplatives Arbeiten an Songs, die jugendlich-impulsive Emotionalitäten hinter sich lassen und ein neues Kapitel in der Bandgeschichte aufschlagen sollen.
Nun, ganz so abgeklärt funktioniert das, wenn man so will, Erwachsenwerden dann doch nicht, und so lässt sich der Opener ‚Impossible‘ doch als eine Weiterführung des bisherigen Schaffens interpretieren. Unmöglich, sich von ihm nicht völlig einnehmen zu lassen, bietet er doch ein großartiges Soundgebilde, das sich unaufhaltsam um Einen herum aufbaut und mit sanftem, aber sicherem Nachdruck alles umschlingt.
Solche schwärmerischen Postrock-Elemente bleiben im weiteren Verlauf zwar präsent, werden aber mit straighten Backbeats versehen und das Album damit konventioneller, als man sich das nach dem Opener wünscht. Somit erfüllt sich in gewisser Weise der Albumtitel, wenn das Traumhafte bewusst in den Hintergrund gerückt wird in ansonsten sehr geradlinigen Indierock-Kompositionen. Nur mit ‚Improbable‘ scheint noch einmal etwas Entrücktes auf. Im Ganzen ist ‚The More I Sleep The Less I Dream‘ so durchproduziert wie ein T-Bone-Steak well done. Vier ganze Jahre hat man daran gebastelt, und das hört man.
Trotzdem hat die Platte gehobene Qualitäten, dank des vollen Sounds und soliden Songkonstruktionen. Sowohl die rockigen als auch die versonnenen noisy Riffs werden gezielt und wohl dosiert eingesetzt. Reife darf man das wohl nennen. Was meint, dass die Herren genau wissen, was sie tun. Die Verkopftheit dehnt sich dann aber mit ‚Not Wanted‘ leider bis ins Langweilige. Die Band wirkt auf weiten Strecken des Albums allzu professionell und kühl-distanziert. Nur im schönen ‚Repeating Patterns‘ und auf den lezten Sekunden von ‚Hangin In‘ gehen die Herren nochmal aus sich raus.
Ihr Erwachsenwerden begreifen We Were Promised Jetpacks offenbar als ein Zügeln ihrer Leidenschaften. Wenn’s da mal nicht ein böses Erwachen gibt.