Ob das derzeit wiedererwachende
Interesse am Nu Metal auch kommerziell rentabel wird, bleibt
abzuwarten. Denkbar wäre es, denn wer vor zwanzig Jahren zu Korn,
Limp Bizkit und Co in den Tanztempeln und Clubs zappelte, ist heute
Mitte Dreißig und somit offiziell in der ersten Nostalgiephase
seines Lebens angekommen. Noch dazu ist seit dem Tod von Chester
Bennington die Position des Gralshüters des Nu Metal verwaist –
etwas verwunderlich ist es dennoch, dass der Opener des neuen Papa
Roach-Albums „Who Do You Trust?“ mit seinem elektronischen
Grundgerüst und den deutlich zahmeren Gitarren mehr nach einem von
Imagine Dragons aufgenommenen verschollenen Linkin-Park-Song als nach
Papa Roach selbst klingt.
Die Band hatte ja angekündigt, auf
ihrem aktuellen Album neue Wege begehen zu wollen. Das ist ja
grundsätzlich zu begrüßen, dass Papa Roach aber 2019 zu einer
ziemlich beliebigen Imagine-Dragons-Kopie mutieren, ist schon etwas
schwerer zu schlucken. Ja, der Sound ist fraglos hochmodern und
radiotauglich ausgefallen, aber so klingen tatsächlich derzeit
Millionen anderer Bands, was mit Ausnahme von Jacoby Shaddix Stimme
zu höchst geringem Wiedererkennungswert führt. „Anstatt zu
versuchen, die Lieder möglichst einheitlich klingen zu lassen, haben
wir das genaue Gegenteil gesucht“, so Shaddix. „HipHop
klingt jetzt nach HipHop, Punk nach Punk, Rap nach Rap, Rock nach
Rock und Pop nach Pop.“ Liest sich schön und gut, aber der gute
Vorsatz ist eher die Entschuldigung dafür, möglichst viele
Pfannkuchen (sprich: radiotaugliche Musikstile) an die Wand zu werfen
und zu hoffen, dass einer davon kleben bleibt. Da gibt’s neben dem
Imagine-Dragons-mäßigen Synthiegedriesel auch noch eine
Maroon-5-Ballade in Form von ‚Problems‘, einen zu hundert Prozent
albernen Versuch, sich mit ‚I Suffer Well‘ an digital gesäubertem
1982er Cali-Hardcore zu profilieren und den absoluten Tiefpunkt der
Scheibe, dem Flach-Pop von ‚Top Of The World‘, bei dem man
tatsächlich darauf wartet, dass eine Ariana Grande oder ein
ähnliches Disney-Produkt mit in den Gesang einsteigt.
Was die Wende zu möglichst
glattgebügelten Chartsounds noch weniger nachvollziehbar macht, ist
die Tatsache, dass Papa Roach eigentlich über die letzten zwanzig
Jahre nicht nur einen absolut eigenständigen Sound entwickelt
hatten, sondern auch, dass sie diesen Wechsel gerade jetzt
vollziehen, wo Nu Metal in den USA wieder dank Reunions und
Nostalgietouren einen Aufschwung erlebt. So oder so bleibt ein sich
unfassbar an den aktuellen Massengeschmack anbiederndes Album mit
kitschig-nichtssagenden Songs und steril-langweiliger Produktion.
Selbst im Vergleich zu den klar als Vorlage angestrebten Imagine
Dragons ziehen Papa Roach klar den Kürzeren, da ihnen deren
zynischer, schamlos-arrogant aus den Billboard-Seiten
herausgrinsender Glitsch-Kleb-Zucker-Boygroup-Faktor fehlt.