Schlagwort: Dance

JAN LÖCHEL – „Irgendwann konnte ich sagen: Stimmt, ich lebe ja davon!“

Der Singer/Songwriter Jan Löchel hat mit „The Last Song“ eine neue Single veröffentlicht. Der Musiker aus Münster ist neben seiner eigenen Karriere auch als Produzent, Texter und Komponist für zahlreiche andere Künstler*innen aktiv und war als Berater und Coach in der Sendung „The Voice of Germany“ zu sehen. Sein Name steht unter anderem in den…

Fever

„Wenn du jemanden liebst, lass ihn gehen, wenn er zurück kommt ist er dein, wenn nicht, hat er dich nie geliebt.“

Ähnliches trifft auch auf die Entstehungsgeschichte des vierten Albums von Balthazar zu. Die beiden Frontmänner hegten eigene Interessen im Songwriting, worauf eine Bandpause veranlasst und Soloprojekte gestartet wurden. Während Maarten Devoldere mit seiner Lou-Reed-Stimme unter dem Pseudonym Warhaus zwei Platten Richtung minimalistischem Indie-Rock rausbrachte, bewegte sich Jinte Deprez als J. Bernardt auf der souligen R&B-Ebene.

Und so kam es, dass nach drei Jahren der Trennung die erfrischende Einsicht kam, dass  man als alleiniger Frontmann und Taktgeber „der Einzige mit der Verantwortung [ist]. Es ist nicht so einfach, alles alleine zu machen“. Die Energie der neu entdeckten Sounds wollten Devoldere und Deprez nun bündeln – in Fever.

Raus kam ein Mix aus teils Dance-Indie-, teils lässigen R&B-Beats, tollen psychedelischen bis hin zu arabisch angehauchten Geigensoli, Background-Vocals und Rhythmen, wie sie bei Foster The People vorkommen und einer Bandbreite an verschiedenen Stimmungen innerhalb dieser elf Tracks. Mit Wrong Faces, Whatchu Doin’ oder I’m Never Gonna Let You Down folgen sie den Spuren von Chet Faker. Der Titeltrack Fever gleich zu Beginn überrascht auf positive Art mit größtenteils instrumentalen Parts, welche genug Freiraum für die Ideen der einzelnen Instrumente bietet. Zwar ist nicht jeder Song ein Hit – Grapefruit klingt wie eine anstrengende Mischung aus Kylie Minogues Can’t Get You Out Of My Head und Dare von den Gorillaz. Doch macht es am Ende die gesamte Konstellation des Albums wieder wett, sodass die Vermengung der beiden belgischen Kreativköpfe zu einem gelungenen Mix aus R&B und Indie-Rock führt.

The Burning Spider

Fließbandarbeit oder schöpferischer Genius? Selten ist ein Musiker in den letzten Jahren so produktiv gewesen wie Marcus Füreder. Aus seiner Feder – Verzeihung, aus seinem Mischpult – kamen in 16 Jahren stattliche 13 Alben rum. Auf der anderen Seite kann man ihn weniger als Komponisten, sondern vielmehr als Arrangeur und ‚Aufpepper‘ verstehen. Sobald ihm eine passende Melodie über den Weg läuft, untermalt er diese mit dickem Bass und Electro-Beat, um ihm vom relativ leichten Bademinton- zum wuchtigen Basketball-Sound zu verhelfen.

Und wie man einem Song Fahrt verleiht, darauf versteht sich Parov Stelar exzellent. Der Österreicher schleicht sich zunächst über das melodische Motiv – meistens von Gesang oder Blechbläsern – in den Song rein, um den Zuhörer zu catchen. Danach faded der knallende Beat ein, der Bass wird per octaver fetter und ab geht die brennende Spinne! Selbst, wenn manche Discohasser von derartigen, stereotypischen Klängen die Ohropax noch härter in den Gehörgang rammen würden, können sie sich kaum dem Sound von Parov Stelar entziehen. Denn seine nicht erfundene, aber als Pionier vorangetriebene Combo aus Electro-Beat und Swing – bzw. auf diesem Album tendenziell eher Blues – ist einmalig dynamisch und lässt keinen Fuß am Boden Wurzeln schlagen.

Und wenn es dann mal ans Songwriting tatsächlich gehen soll, wie bei der Single ‚Step Two‘ von seiner Ehefrau vorgetragen zu hören ist, merkt man die Defizite seiner eigenen, kreativen Schaffungsgabe. Ein Heureka!-Funke wäre wohl zu viel verlangt. Aber so sehr er sich sonst an eingängigen Melodien bedient, so wird hier hauptsächlich monoton vor sich hingesprochen, eingebettet in eine endlos repetierte Chorus-Phrase. Das von ihm gerne genutzte Element der Wiederholung erinnert gerade bei seinen Songs ‚Soul Fever Blues‘ an Gigi D’Agostino und macht mindestens genauso nostalgisch wie der 50er-Blues, den Lightnin‘ Hopkins oder Muddy Waters auf dem Album verströmen lassen.

Und dass Samplen eine Kunst für sich ist, soll hier nicht in den Hintergrund geraten. Definitiv ist die Musik von Parov Stelar besser als die Disco-Pop-Charts, welche langweilig zum Dancen animieren sollen. Im Vergleich dazu wirkt ‚The Burning Spider‘ wie ein Tempel voller hybrider Tanzeinladungen – egal ob auf der Stelle wippend, zum Beat hüpfend oder etwas ‚traditioneller‘ Lindy Hop bouncend. Bei diesem Album findet jeder seinen passenden Groove, und die Massen zum Bewegen zu bringen, egal ob freiwillig oder unterbewusst – das können nicht viele. Marcus Füreder kann es.

PAROV STELAR – Neues Album in einer Woche

In einer Woche ist es soweit, dann kommt die neue Scheibe von Parov Stelar auf den Markt. Sein nun bereits 13. Album in 16 Jahren trägt den Namen ‚The Burning Spider‘. Darauf präsentiert der Österreicher nach seinem innovativen Elektroswing neue Töne in Richtung Jazz und Blues kombiniert mit seinen eigenen Stilmitteln aus den Anfängen. Gesampelt…

CHET FAKER mit neuem Namen und neuer Single

Chet Faker war 2014 DER Soul-Shootingstar. Mit seinem Debütalbum ‚Built On Glass‘ füllte er Hallen und spielte auf den Festivals Glastonbury oder Primavera Sound. Nach zwei Jahren hat der Australier aber genug und möchte sich weiterentwickeln – unter seinem neuen ‚Pseudonym‘ Nick Murphy. Warum er seinen bürgerlichen Namen nun auch künstlerisch nutzen möchte, erklärt der…

PET SHOP BOYS – Neues Album im April

Es soll nach den 90ern klingen, es wurde in München begonnen zu schreiben und hätte zuerst auch Munich heißen sollen. Aber es wird ‚Super‘ am 1.04.2016. Was soll man über die Pet Shop Boys sagen, das nicht schon hundertmal geschrieben wurde? Nun, mal sehen, wenn das Album raus ist, wissen wir mehr. Clubbiger soll es…

Mutant

Die Feuerprobe der ersten eigenen LP, der ersten One-Man-Show liegt mittlerweile ein Jahr zurück. Über die gedeihlichen Kollaborationen mit FKA twigs, Kanye West und Björk muss gar nicht erst ein Wort verloren werden. Seit den lautstarken Einschlägen der personifizierten Zukunft wuchs Arcas Mut, seine Persönlichkeit auch optisch nach außen zu kehren. Schrille Posen in noch schrillerem Geschirr – denn als kaum etwas Anderes lassen sich die Kleidungsstücke Alejandro Ghersis beschreiben – und kryptisch-provokative Visual-Botschaften belegen das. Es wäre schade gewesen, hätte der Venezolaner das Ausloten seiner bislang noch außer Sichtweite gelegenen Grenzen nicht auch im Feld der Musik weiter vorangetrieben.

Doch Arca enttäuscht nicht. Weder er noch sein kongenialer Partner Jesse Kanda, der sich für diesen mit Spannung erwarteten neuen Release einmal mehr als visueller Sidekick verdingt. Einen Mutanten hat er schaffen dürfen, eine Art dümmlich dreinschauendes, rotes Knetwesen, aus dessen Schädel sich riesige schwarze Hörner ergießen. Ja, ergießen. Wachsen war gestern; der Tumor von heute ist flüssig und kommt überall hin. Bei aller Groteskheit des Anblicks: Mit dieser doch recht griffigen Beschreibbarkeit bleibt Mr. Play-Doh weit hinter den Tracks zurück, für die er Pate steht. Denn ein Album mit dem Titel ‚Mutant‘ darf zunächst einmal: alles. Stauchen, strecken, aufblasen, zerknittern und zerstören – dabei stehts einem bösartig unvorhersehbaren Masterplan folgend.

Während ‚Xen‘ noch einiges an Eitelkeit erkennen ließ, unterwirft sich ‚Mutant‘ in weiten Teilen der unkontrollierten Wucherung. Eine Wonne nicht nur für Freunde der elektronischen Avantgarde, wie Arca hier die Klangquellen bis zur Unkenntlichkeit verschleiert und den Begriff des Hörvergnügens völlig neuen Ufern entgegentreiben lässt. Harmonie und Rhythmus zerknautscht er wie ein wütendes Kind das ungeliebte Spielzeug; sehr vereinzelte, heillos zerfetzte Voice-Samples tragen zur Schau, wie wenig Macht der Mensch – oder überhaupt komplexere Organismen – in diesem Kosmos hat. Nein, dieses Album ist nicht für Hörer geschaffen worden, sondern aus Liebe zum schlicht unendlichen Potential des Unvollkommenen. Als dystopischer Gegenentwurf zu … nun ja … allem, vielleicht?

Arcas Zweitling ist eine Reise tief in die Gedärme des Klangs. Dort ist es bisweilen auch dumpf und duster, sind die Texturen rau und hängen Melodie und Takt vom Zufall ab. Weniger Politur, mehr Impro-Unrat. Fast dreckiger Industrial, wären da nicht immer wieder diese abwartenden Schwebezustände zwischen den lodernden Herden des Unorthodoxen. Die Etappen sind kurz und ruckartig; die durchschnittliche Träcklänge übersteigt die Drei-Minuten-Grenze nicht. Es könnten akustische Unterlegmatten sein für das große Umkrempeln der Kunst oder schlicht Treibstoff für das Kopfkino deines Lebens. Im zehnten von insgesamt zwanzig Waschgängen passiert dann so ungefähr das, was man sich akustisch unter einer Vollverstrahlung vorstellt. Die Uhr tickt runter; der Biorhythmus findet seinen missratenen Meister in diesem Album. Arca ist erfreulicherweise immer weniger heilig. Wem das nicht passt, der kann ja weiter die Kalkbrenners hören gehen.

The Mindsweep: Hospitalised

Selten hat eine Posthardcore-Band einen Remix ihres aktuellen Albums so wenig nötig gehabt wie Enter Shikari. Immerhin fehlt es dem Electronicore-Sound ihres vierten Album keineswegs an brummenden Bässen, bepackten Beats und saftigen synthetischen Klängen. Doch zu einem weiteren Leckerbissen sagt man nicht nein. Vor allem wenn er so gut angerichtet ist wie ‚The Mindsweep: Hospitalised‘. Krankenhausreif war das Album allerdings bei weitem nicht. Es lebte, es vibrierte und es wurde geliebt – sowohl von Kritikern als auch den Fans. Das war jedoch kein Grund für die Band, nicht noch einmal an den Songs herumzudoktern. Für diese Operation suchten sie sich die besten Experten: Das Londoner Label Hospital Records gehört seit seiner Gründung 1996 zu den führenden Drum&Bass-Labels weltweit und begeisterte auch schon Enter-Shikari-Frontmann Rou Reynolds lange Zeit.

Jeder Track von ‚The Mindsweep‘ wurde von einigen der angesehensten und innovativsten Drum&Bass-Künstler bearbeitet. Dazu zählen Größen wie Metrik, S.P.Y, Danny Byrd, London Elektricity und Keeno. Pünktlich zur Album-Ankündigung veröffentlichen Enter Shikari mit dem Reso Remix von ‚Anaesthetist‘ den ersten Song mit Video. Kein anderer Song hätte sich hier thematisch auch besser angeboten.

Der Vorgeschmack ließ bereits auf einen guten Ausgang der Operation hoffen. Und tatsächlich lautet die Diagnose, dass alle Songs noch erkennbar sind, aber noch mehr an Wucht gewonnen haben. Kam das Album quasi als gesunder Mensch in den OP-Saal, so verließ er es als kraftstrotzender Cyborg. Ein Cyborg, der alle um sich herum zum Tanz auffordert. Nach mehreren energiegeladenen Minuten bietet Track acht mit dem eher ruhigeren Stück ‚Interlude (The Erised Remix)‘ und einer wunderschönen Frauenstimme eine schöne, wenn auch kurze Verschnaufpause. Dann geht es weiter mit Drum&Bass.

‚The Mindsweep: Hospitalised‘ ist ein Muss für alle Fans der Briten, aber auch eine Möglichkeit für Fans der Drum & Bass Szene, einen Zugang zur Band zu finden, die nicht nur mit guter Musik besticht – sondern vielmehr auch mit ihren soziopolitisch-kritischen Texten.

As if

Dance und Punk zu verbinden war Anfang der 00er-Jahre die Spezialität der amerikanischen Band !!!. In atemberaubender und beinzuckender Konsequenz lieferten sie wahnwitzige Symbiosen aus harten Gitarren und tanzbaren Beats ab. Die durchgeknallte Mischung lebten sie hemmungslos in teilweise an die zehn Minuten reichenden Songs aus.

Mit ihrem sechsten Studioalbum ‚As if‘ legen die Jungs von !!! nun ihren punkigen Wolfspelz ab und haben sich gänzlich dem Dance-Pop verschrieben. Die Gitarren sind zwar immer noch da, jedoch nicht mehr so verzerrt wie früher. Stattdessen sind nun Synthies und Frauenstimmen in die immer noch alles bestimmenden Beats- und Bassläufe eingearbeitet. Die Disco ist eindeutig in den Focus der Amerikaner gerückt. Das erinnert stellenweise an die überaus poppigen Scicssor Sisters, da Sänger Nic Offer im Vergleich zu früher eine hohe Kopfstimme für sich entdeckt hat.

‚As if‘ ist unheimlich tanzbar und verbindet scheinbar spielend Funk und Disco-Soul, ohne dass es verkrampft oder uninteressant klingt. Die Coolness, die diese Band seit jeher ausgezeichnet hat, bleibt bestehen, auch wenn eine kleine Ecke oder Kante an der richtigen Stelle für noch mehr Reizpunkte gesorgt hätte. Doch für Nic Offer, der eines der letzten beiden verbliebenden Gründungsmitglieder von !!! ist, macht dies gerade die Spannung aus.

‚Jede Band, die ihr sechstes Album veröffentlicht, muss Wege finden, sich ein Stück weit neu zu erfinden – und wir hoffen, dass wir das erreicht haben‘

, sagte er im Interview mit dem Deutschlandfunk. Das ist definitiv gelungen!

Howl

Es kann alles so einfach sein: das Leben, die Liebe, das Kochen, ja, mitunter sogar das Musizieren, wenn man es denn geerdet genug angeht. Ryan Lee West kann ein Lied davon singen, hat er sich doch die Einfachheit seiner musikalischen Schaffensprozesse selbst auferlegt: Wenige Spuren gleich weniger Zutaten gleich mehr Übersicht gleich mehr Raum für Magie. Mit übermütig garnierten akustischen Turmbauten prahlen sollen andere; das Etikett Rival Consoles steht weiterhin für echte Handarbeit. Ein Abstecher auf die Soundcloud-Seite des Musikers zeigt, wie ernst der Brite es meint: Dort hat er die Tracks seines neuen Albums fein säuberlich nach Spuren aufgedröselt, etikettiert und seinen Hörern separat zugänglich gemacht. Transparenz, von der sich der eine oder andere Politiker gut und gerne eine Scheibe abschneiden könnte.

Aus dieser Maxime heraus ist der Soundtüftler dann auch auf die Idee gekommen, Signale aus dem Synthesizer mit Gitarrenpedalen abzufangen und nach Belieben zu zerkneten. ‚Howl‘ heißt das Dokument dieses schlichten, aber ungemein spannenden Abenteuers; es ist Wests Full-Length-Debüt und lässt dessen zwei EPs umfassendes Vorwerk weiter hinter sich, als man sich hätte ausmalen können. Der Grund: Rival Consoles belässt es diesmal es nicht beim bloßen Ein- und Umkleiden der von ihm (meist oer Gitarre) erzeugen Klänge, sondern zieht ihnen gehörig das Fell über die Ohren. Vorwärts? Rückwärts? Pupsegal! ‚Howl‘, das seinen Titel nicht von ungefähr trägt, trumpft immer dann groß auf, wenn ein Signal aus der Fassung bricht (um nicht „gerät“ zu sagen) und zu heulen beginnt. Den Track ‚Low‘ nahm West mit Unterstützung eines Perkussionisten aus Fleisch und Blut auf: Fabian Prynn bringt passagenweise ordentlich Wallung in dieses ansonsten schlichte Stück. Es bleibt allerdings bei einem Gastauftritt, und so vollzieht sich die letzte knappe Viertelstunde des Albums wieder hinter dem Milchglas.

Doch nicht erst das Aushilfspersonal verleiht ‚Howl‘ so viele Facetten. Ryan Lee West kommt auch im Alleingang auf eine beachtliche Anzahl akustischer Ausdrucksformen, die von anschwellenden Heulattacken über Blubbern und Knacken im Duett bis hin zu verkopften Klangcollagen und dem Schlittern auf unbekannten Objekten reichen, bis schließlich ‚Looming‘ Rival Consoles künstlerischen Status Quo in aller Pracht erstrahlen lässt. ‚Howl’s große Stärke liegt in der brillanten Positionierung kontinuerlicher und abbrechender Klangzutaten und deren Abwägung und Ausspielung gegeneinander. Diese hausgebraute Dynamik lässt Rhythmus-Arbeit im eigentlichen Sinne an vielen Stellen praktisch entbehrlich werden und die Tracks eine geheimnisvoll-hypnotische Tanzbarkeit ausstrahlen.

Notiz am Rande: Rival Consoles war nicht nur das allererste Erased-Tapes-Signing, sondern inspirierte Robert Raths überhaupt erst zur Gründung des Labels. Und zu allem Großartigen, was wir ihm damit nun schon zu verdanken haben, gesellt sich nun auch diese Platte.