Schlagwort: Synth-Pop

Confessions & Doubts/Tanzzwang

Gleich zwei Alben bringt der ehemalige Wolfsheim-Sänger Peter Heppner derzeit unters Volk – eines davon ein „traditionelles“ Synthpop-Album namens „Confessions & Doubts“, das Andere ein Remixalbum. Im Gegensatz zu den üblichen Remixscheiben gibt es aber auch auf „Tanzzwang“ ausschließlich bislang unveröffentlichte Songs zu hören, deren Original in der Deluxe-Box-Set-Version von „Confessions And Doubts“ enthalten sind. Hier geht’s aber nur um die beiden regulären CD-Veröffentlichungen – die sollten auch dem Durchschnittsfan ausreichen.

Heppner hat bekanntlich eine dieser unverkennbaren und emotional aufgeladenen Stimmen, die auch in der Lage sind, eher mittelmäßiges Material durch ihre pure Präsenz aufzuwerten. Das kommt speziell „Confessions & Doubts“ zugute, auf der sich Songs wie ‚Viele schöne Stunden‘ und ‚Gib mir doch’n Grund‘ (mit schwer Reggae-infiziertem Groove!) durchaus dem Deutschpop-Radio-Mainstream annähern und eigentlich nur vom engagierten Vortrag über den Durchschnitt erhoben werden. Alte Wolfsheim-Fans werden hier nicht mehr viel finden, was ihr finsteres Herz zum Beben bringt, Heppner bekennt sich mehr denn je klar zum puren Pop. Den bringt er auch ohne Frage oder Mühe jederzeit ins Ziel, zum Skippen lädt hier nicht ein einziger Song ein. Sofern man, wie erwähnt, nicht unbedingt irgendwelche Remineszensen an die „schwarze Szene“ (gibt’s die überhaupt noch?) erwartet. Auch die erneute Zusammenarbeit mit Joachim Witt auf ‚Was bleibt?‘ hat musikalisch gesehen wenig vom apokalyptischen Szenario ihres ersten gemeinsamen Hits ‚Die Flut‘, selbst wenn die Lyrics dem mit lakonischen Überlegungen zum Tod vehement widersprechen.

Das zweite Album „Tanzzwang“ ist das extrovertiertere von beiden, klar dem Thema geschuldet. Der Opener ‚… und ich tanz‘ (Latches Mix)‘ funktioniert dabei mit am Besten, da die Beats sich hier dem Song unterordnen. Auch Apoptygma Berzerk und Schiller liefen gewohnt gute und jeweils für sie urtypische Arbeit ab – gerade der Apoptygma Berzerk-Mix von ‚All Is Shadow‘ erinnert dann doch an die ollen Wolfsheim und macht Hoffnung auf eventuelle weitere Kollaborationen von Heppner und APB. Gelegentlich aber, beispielsweise beim VIZE-Mix von ‚Fremd in diesem Land (feat. Volkan)‘ greife nicht alle Elemente nahtlos ineinander – natürlich aber ein typisches Problem von Remixalben. Als interessantes „What if?“, das den typischen, aber eben auch ein wenig eingefahrenen Heppner-Sound durch die Kollaborationen mit anderen Künstlern auffrischt, ist „Tanzzwang“ aber fraglos auch eine lohnenswerte Sache für Fans des Hamburgers.

Seinen Fans wird dieser Doppelschlag also mit Sicherheit schmecken, und Heppner hat es durchaus auch verdient, sich den Mainstream noch einmal „abzugreifen“ – denn auch Mainstream-Musik hat ihre Berechtigung, wenn sie qualitativ hochwertig und mit genügend eigenen Ideen und Charakter gemacht wurde. Und genau das ist es, was Peter Heppner hier bietet – nicht mehr und nicht weniger. Feine Sache.

Der Katalog 3-D (Limitierte CD-Version)

Das Kraftwerk-Boxset „Der Katalog 3-D“ hat ja die Fangemeinde der Ur-Elektro-Lurchis durchaus gespalten, ebenso wie das auf eine Einzel-DVD reduzierte Best-Of-Konzentrat gleichen Namens. Nun gibt’s – als limitierte Auflage – den Audiopart besagter Einzelveröffentlichung noch als CD zu kaufen.

Noch einmal kurz zur Rekapitulation: es handelt sich bei „Der Katalog 3-D“ um Livemitschnitte aus den letzten Jahren, bei denen allerdings sämtliche Hinweise auf die Existenz eines Publikums vollständig entfernt wurden. Das Endergebnis sind also technisch perfekte, zeitgenössische Neueinspielungen einiger der größten Klassiker der Band. Diese unterscheiden sich freilich von den Originalen aus den Siebzigern und frühen Achtzigern teilweise stark und sind eher angelehnt an die tanzbaren Remixes von „The Mix“ (1991). Somit ist das Ganze natürlich eine enorme Geschmacksfrage. Denn Kraftwerk sind in Sachen musikalischer Entwicklung irgendwann 1986 mit den ersten aus Chicago herüberschwappenden House-Klängen stehengeblieben, und somit klingen auch die aktuellen Neuinterpretationen wie etwas, das ihnen auch bereits 1986 in etwa genauso hätte einfallen können. Schade bei den älteren Stücken, speziell ‚Autobahn‘ und ‚Radioaktivität‘, bei denen durch die typischen Mittachtziger-Four-On-The-Floor-Discobeats (remember ‚Jack Your Body‘?) viel von der Atmosphäre verloren geht. Passender wirkt das bei den Stücken von ‚Computerwelt‘, ‚Electric Café‘ und ‚Tour De France‘, die ja auch ihre Wurzeln in der entsprechenden musikalischen Ära haben.

Natürlich, eine echte Best-Of-Scheibe mit den Originalfassungen ist im Falle Kraftwerk seit Langem überfällig, und auch vorliegende CD kann diese Lücke nicht füllen. Auch als Livealbum ist man mit „Minimum-Maximum“, welches alle vertretenen Stücke PLUS ein Publikum enthält besser bedient – und „The Mix“ ist das bessere, weil umfangreichere und experimentierfreudigere Remixalbum. Trotzdem kann man diese Audio-CD natürlich durchaus genießen – als knapp 75minütigen Stand der Dinge bei Kraftwerk und ein unterhaltsames Album für’s, nun ja, Autoradio. Mehr soll das Ganze aber offensichtlich auch nicht sein, und somit erfüllt die CD-Version des „Der Katalog 3-D“-Konzentrates absolut ihren Zweck.

The Best Of Depeche Mode Vol.1 (Deluxe Vinyl-Edition)

Das 2006 veröffentlichte „The Best Of Depeche Mode Vol. 1″ macht, pünktlich zur Vorbereitung auf die in vier Wochen beginnende Europatour seine Premiere als feine Vinyl-Edition – beste Gelegenheit also, für Nachkommer eine Depeche Mode-Vinylsammlung zu starten. Auch optisch sieht das Dreifach-Set mit der matten, leicht rauen Hülle und dem damals aktuellen Bandlogo als Reliefprägung ziemlich schick aus. Zu den bedruckten, aus schwerem Karton gefertigten (leider nicht gefütterten) Innersleeves gibt’s noch ein achtseitiges Booklet mit Fotos und einem zweiseitigen Essay, das einen knappen, aber informativen Überblick über die Bandhistory bis dahin vermittelt.

Aber zum Musikalischen. Eigentlich hätte das Album, das exakt in der Originalabfolge und ohne Bonusmaterial ins analoge Format umgesetzt wurde, mit seinen 76 Minuten Spielzeit ja die perfekte Länge für eine Doppel-LP. Die Entscheidung, die Songs auf drei Vinylscheiben aufzusplitten, führt nun eben dazu, daß man jede der drei Scheiben im Schnitt nach 12 Minuten bereits umdrehen muss. Seien wir aber fair: einfaches Handling und Nutzerbequemlichkeit steht für gewöhnlich ehedem nicht sonderlich hoch auf der Prioritätenliste von Plattensammlern, und für Vinyl-Verhältnisse wurde hier bisweilen wirklich verflucht laut und basslastig gemastert. Da stellt sich die Frage, warum man nicht konsequenterwese auf 45 rpm ausgewichen ist – ist aber im Endeffekt auch schnuppe. Die 18 Songs kommen nämlich auch so mit ordentlich Druck aus den Boxen, und alle drei Scheiben sind vorbildlich gepresst. Da läuft alles schön rund, es gibt kein Leiern, Knistern, keine Zerrung. Allerdings fällt im Analog-Format auch auf, wie viel besser die älteren Songs produziert sind. Wo bei ‚People Are People‘ oder ‚Master And Servant‘ jeder Ton ganz gestochen scharf im Raum steht und die ganze Breite an Frequenzen ausnutzt, klingen die (damals) aktuelleren Songs wie ‚Suffer Well‘ oder ‚Dream On‘ deutlich flacher, mit bisweilen überbetontem Bass und wenig Druck aus den Mitten. So produzierte man aber eben damals (und heute eher noc extremer), somit ist das eben im Material verankert.

Was den Inhalt betrifft, so kann man natürlich trefflich darüber streiten, ob hier wirklich „Das Beste“ der Band versammelt wurde. Immerhin wird von den frühen Vince Clarke-Songs ‚New Life‘ und ‚Just Can’t Get Enough‘ bis zum nur hier erhältlichen ‚Martyr‘ ein zeitlicher Bogen gespannt, der die – bis dato – komplette Karriere der Band umfasst. Allerdings sind 18 Songs natürlich keineswegs genug, die ersten 25 Jahre Depeche Mode auch nur annähernd zu erfassen. So gibt’s ausschließlich Obligatorisches wie ‚Strangelove‘, ‚Enjoy The Silence‘, ‚People Are People‘, ‚Walking In My Shoes‘, ‚Personal Jesus‘, ‚Dream On‘, ‚I Feel You‘ – alles unumstößliche Klassiker, die jeder kennt, der je ein Radio besessen hat. Aus Platzgründen fehlt aber natürlich auch eine ganze Menge. So gibt’s unverzeihlicherweise nicht einen einzigen (!) Song vom Meisterwerk „Black Celebration“ – weder die Hits ‚Stripped‘, A Question Of Time‘, ‚A Question Of Lust‘ noch Fan-Favoriten wie den Titelsong oder ‚Fly On A Windscreen‘. Auch auf ‚Policy Of Truth‘, ‚Only When I Lose Myself‘, ‚Blasphemous Rumours‘, ‚Barrel Of A Gun‘ oder ‚Get The Balance Right‘ muss leider verzichtet werden. Aber so ist das nun mal mit Best-Of-Zusammenstellungen, und „The Best Of Depeche Mode Vol. 1″ ist ja auch nicht für den Die Hard-Fan gedacht, sondern eben für die, die mit einem Tonträger möglichst viele Hits mit nach Hause nehmen wollen. Diese Mission wird auch definitiv erfüllt.

Wer also einen höchst kompakten Einstieg ins Depeche Mode-Universum sucht, ist mit „The Best Of Depeche Mode Vol. 1″ also auf jeden Fall gut bedient. Und das verschmähte „Black Celebration“ gehört als eines der genreübergreifend besten Alben der Achtziger sowieso auf den nächsten Einkaufszettel…

DEPECHE MODE – Hits auf Vinyl und Bowie-Cover auf YouTube

Nach ihrer restlos ausverkauften „Global Spirit“-Tour, die sie im Frühsommer 2017 hierzulande durch acht Stadien führte, haben Dave Gahan, Martin Gore und Andy Fletcher nun ein weiteres Highlight für ihre Fans parat: „The Best Of Depeche Mode Vol. 1″ erscheint am 29. September erstmals als 3 LP-Set. Das Album präsentiert die wohl bekanntesten Songs der…

The Punishment Of Luxury

Am Anfang war Düsseldorf. Zumindest, wenn es um den Synthiepop geht. Selbst eine in eigener Sache höchst einflußreiche Band wie Orchestral Manoeuvres In The Dark oder kurz OMD kommt nicht um den Einfluss der Spätsiebziger-Kraftwerk. Noch mehr als auf dem letzten Album „English Electric“ atmet das neue Album von OMD den Geist der Frühzeit der Synthiemusik. Auch wenn letzteres sogar einen Gastauftritt des langjährigen Kraftwerkers Karl Bartos verzeichnen konnte (wohl als Revanche für Andy McCluskeys Hilfe bei seinem Electric Music-Projekt), so deutlich wie zum Beispiel auf der Vorabsingle ‚Isotope‘ hat die Band sich noch nie der typischen Kraftwerk-Sounds und -Stilmittel bedient.

Doch natürlich ist „The Punishment Of Luxury“ kein Tribute-Album geworden. McCluskey und Humphries haben ja im Vorfeld selbst das „Dazzle Ships“-Album als Referenz aufgebracht, und hört man Songs wie das aus Gewehrschuß-Samples zusammengesetzte ‚La Mitrailleuse‘, das minimalistische ‚Art Eats Art‘ oder das atmosphärische ‚Precision And Decay‘ (mit klassischem McCluskey-E-Bass!), kann man dem Vergleich nur zustimmen. ‚What Have We Done‘ und ‚One More Time‘ sind hingegen pures Radiofutter – oder besser, wären es in den Achtzigern und frühen Neunzigern gewesen. Ihrer Klasse tut das keinen Abbruch, genausowenig wie bei der herzerweichenden Schnulze ‚Ghost Star‘ oder dem kinderliedhaften ‚Kiss Kiss Kiss Bang Bang Bang‘. Seinen Reiz bezieht „The Punishment Of Luxury“, wie die besten Arbeiten von OMD, eben genau aus diesem Kontrast zwischen experimentellen Klängen und den unwiderstehlichen, leicht naiven Popmomenten.

Ob „The Punishment Of Luxury“ sich wirklich auf Dauer als ebenbürtig mit den frühen Klassikern (zu denen ich übrigens auch noch das poppige, aber dennoch großartige „Junk Culture“ rechnen möchte) erweist, bleibt abzuwarten. So oder so ist es aber das in sich stimmigste und, nun ja, gelungenste Werk seit der Reunion der beiden Masterminds.

ORCHESTRAL MANOEUVRES IN THE DARK (OMD) live auf Facebook

Na, schon heiß auf die Veröffentlichung des neuen OMD-Albums „The Punishment Of Luxury“? Am Freitag ist es ja endlich soweit. Und um den Tag gebührend zu feiern, werden Orchestral Manoeuvres In The Dark an diesem Tag – 1.9.2017 – auf der offiziellen Facebook-Seite der Band ihr Release-Konzert live übertragen. Im Anschluss ans Konzert findet ein…

Neues Album von ORCHESTRAL MANOEUVRES IN THE DARK (OMD)

Für Fans klassischen Synth-Pops ist 2017 eindeutig ein gutes Jahr. Depeche Mode haben „Spirit“ bereits veröffentlicht, in wenigen Tagen lassen Erasure ein neues Werk an campigen Gutelaunemelodien folgen – und am 1. September lassen OMD ihr drittes Werk seit der Wiedervereinigung von Andy McCluskey und Paul Humphreys auf die Gemeinde los. „The Punishment Of Luxury“,…

PEAK CITY – Video zur Single ‚Schachmatt‘ online

Am 29. Juli erschien die ‚Schachmatt‘, die Debütsingle von Peak City. Sie ist die erste Auskopplung aus der im Herbst erscheinenden EP der fünf Jungs aus Berlin. Das Video dazu könnt ihr bei uns begutachten. ‚Unsere Musik ist wahrscheinlich nicht der typische Staubsaugersoundtrack‘, lacht Sänger Khang. In den Songs von Peak City treffen die verschiedensten…

Synthia

Mal webt hauchzarter Pop spinnenfadenfeine Melodie-Spitze, mal bricht paradoxerweise ebenfalls filigraner Bombast über den Hörer herein auf dem Album ‚Synthia‘ (nomen est omen), dem dritten der Truppe. Man kennt sich von der Uni und die zehn Jahre gemeinsamer Musikerfahrung merkt man der Scheibe auch an.

Stimmlich ist das alles großartig, mit warmem Synthesizer instrumentalisiert und mit guten Texten zu einem unwiderstehlichen Ganzen zusammengefügt. Hier werden die 80er Jahre für das neue Millennium umgeschrieben – und erstaunlicherweise funktioniert das ausnehmend gut. Der Anfang von ‚A Message From My Mothers Passed‘ erinnert fast ein wenig an Kraftwerk, aber eben auch auf Körpertemperatur aufgewärmt.

Eigentlich möchte man gar nicht darüber schreiben müssen, wie schön dieses Album ist. Eigentlich möchte man sich nur entscheiden, mit wie vielen Ös das hingehauchte „schööööööööööön“ geschrieben werden muß. Gibt es überhaupt genug Ös für das Hauchen? Und warum will die Rezensentin, der Synthie Mucke und Frauenstimmen gar nicht so sehr liegen, überhaupt hauchen?

Die Antwort ist so komplex, wie simpel: Es ist und bleibt das Gesamtpaket. Es ist die Tatsache, dass dieser neu erfundene 80ies Synthie Pop vollkommen entpeinlicht ist, ohne Schulterpolster, Pastellfarben und grausige Friesen. Es ist die Wärme. Es ist die Qualität der Songs. Es ist das „schööööööööööööööön“.

Leider mußten die Tourtermine der Jezabels im März aufgrund der Krebserkrankung von Keyboarderin Heather Shannon vorerst abgesagt werden. An dieser Stelle wünscht die Whiskey-Soda Redaktion alles Gute und drückt die Daumen für eine baldige Genesung.

Gumption

So erwachsen, so professionell, so ernst erscheint das Debüt von Taryn Miller alias Your Friend. Dabei ist die US-Amerikanerin aus Kansas gerade einmal 24 Jahre alt. 2014 veröffentlichte sie ihre erste, selbst eingespielte EP Jekyll/Hyde, tourte als Vorband mit der ebenfalls noch sehr jungen australischen Singer-Songwriterin Courtney Barnett und kehrte Mitte des Jahres auf den Bauernhof ihrer Familie zurück. Was hat das mit dem Album zu tun? Nun, hier ließ sie sich von ihrer nostalgischen Kindheitserinnerungen inspirieren. Sie hatte sich eine Aufnahmegerät besorgt und versuchte sich am ‚Field recording‘, also der Aufnahme von Natur- und Umgebungsgeräuschen außerhalb des Tonstudios. Sehr außergewöhnlich. Aber genauso klingt ‚Gumption‘.

Und tatsächlich: Achtet man genau auf die vielschichtigen Klangstrukturen, so erahnt man zwischen dem verträumten, zum Teil melancholischen und trotzdem energischen Synthie-Pop bereits beim Opener (‚Heathering‘) leise Traktorengeräusche. ‚Come Back From It‘ ist dagegen von leicht bedrohlich anmutenden Beats im Hintergrund geprägt, die sich anhören, als wenn jemand gegen eine große Metallwanne schlagen würde. Natürlich alles schön nachträglich im Studio abgemischt. In ‚To Live With‘ plätschert ein Bächlein vor sich hin und auch bei den anderen Songs kann man sich durchaus im Wind wogende Kornfelder vorstellen.

Es braucht eine gehörige Portion Mut dazu, sich solch ein Klangexperiment bei der ersten Platte zu trauen und nicht in die gleiche Mainsteam-Kerbe hineinzuhauen, wie die meisten Konkurrentinnen in ihrem Alter und im selben Genre. Vielleicht spielt darauf sogar der Titel an (gumption, engl. Mumm, Schneid). Jedenfalls besticht gerade die instrumentale wie melodiöse Vielseitigkeit, die eng gewobene Songstruktur von Millers Musik, die sich mal düster, mal lebendig, mal bewegend, mal dynamisch ausnimmt – eben ein Abbild der Natur. Mit jedem weiteren Hören entdeckt man weitere versteckte Elemente und kommt auch langsam hinter die tiefgründigen Texte von der Verantwortlichkeit des Individuums für seine natürliche Umgebung und die Gesellschaft.

Wer nach Ohrwürmern sucht, wird von ‚Gumption‘ enttäuscht. Die Platte ist bestimmt nicht jedermanns Geschmack, aber könnte dennoch für viele ein ‚guter Freund‘ für verschlafene und nachdenkliche Tage werden.