Schlagwort: Hamburger Schule

Löwen am Nordpol

2017 philosophierte das Berliner Indie-Rock-Trio mit „Vom Stochern in der Asche“ erstmals auf charmante Weise über Politik, Nostalgie, Wut und andere große Gefühle. Nun ist das Trio mit dem selbstbetitelten Nachfolger zurück. Wenn das zweite Album beim Ersten Durchhören eine etwas andere Gefühlslage zu widerspiegeln scheint, melancholischer, ja fast hoffnungsloser daherzukommen scheint, ist das ein Trugschluss. Vermutlich sind die Jungs einfach vier Jahre reifer, ein wenig desillusionierter, schlicht realistischer geworden. Aber das meiste von dem, was beim Debüt gefiel, ist nach wie vor da.

Es ist das emotionale Reflektieren des eigenen Lebens und der Welt, in der man seinen Platz finden muss. Es ist die bittersüße Wehmut, mit der man an Kindheitserinnerungen oder die erste Liebe zurückdenkt. Es ist Abschied nehmen, wieder auf die Füße kommen, das mit sich selbst ins Reine kommen. Es sind die Geschichten, die das Leben schreibt und in denen man selbst manchmal nur der Korrekturleser ist. Das alles erzählen Andreas, Daniel und Christoph wundervoll einfühlsam mit einer ungewohnten Posie für die manchmal als rauh beschriebene Deutschen Sprache. Mit ihren Texten ziehen die Löwen am Nordpol einen ihren Bann und bleiben gleichzeitig immer ein wenig vage in der Aussage. Begleitet von Gitarre, Bass und Schlagzeug malen die drei Musiker mit ihren Textzeilen mal abstrakte, mal expressionistische Bilder auf die Leinwand in den Köpfen der Zuhörer.

Musikalisch bleiben sich die drei Herren aus der Bundeshauptstadt treu. Geprägt von Indie- und Alternative-Rock der 90er Jahre ist der Sound, mit einem guten Schuss Hamburger Schule und einer Note Punkrock bei der verzerrten Gitarre. Das entspricht alles andere als dem breiten Geschmack, dürfte allerdings bei der Generation X um die 40 umso mehr ankommen. Deren Lebensgefühl trifft das Album Mitten ins Mark. Mit einem gemächlichen Beat und drei simplen, schönen Akkorden beginnt die Platte mit der Liebesballade „95“, die bereits eine volle, potente Breitseite der ausdrucksstarken Texte abfeuert, ohne im Pathos zu versinken:

„Und aus grau wird weiß // und aus schwer wird leicht // Aus Dämonen werden Götter
und aus Schatten wird Licht // Wirklich alles wird besser // wenn Du bei mir bist.

In „Es bringt mich um“ blickt Sänger Andreas Kolczynski zärtlich auf die Ferien bei seiner Großmutter und den verzweifelten Abschied an ihrem Sterbebett zurück. „Man muss das Leben nicht verstehen“ ist eine kämpferische Hymne eines vom Leben Gezeichneten an das „Aufstehen und Weitermachen“. Mit einer mitreißenden, punkrockigen Gitarre scheinen sich die drei Künstler hier selbst Mut zuzusingen. Authentisch, ein wenig desillusioniert und ein wenig hoffnungsvoll singen sie hier:

„Immer weiter, wieder aufsteh’n, besser scheitern //
Kopf erheben, niemals Zweifeln, weiterleben //
Es wird leicht, wenn man versteht // man muss das Leben nicht verstehen
Das was bleibt, ist das was zählt // man muss das Leben nicht verstehen.“

Daß das Leben aus Ambivalenzen zwischen Hochs und Tiefs, zwischen Schmerz und Weitermachen besteht, thematisieren die drei Jungs auch im schonungslosen „Aber sonst geht’s mir gut“. Daß das, was man nach Außen manchmal an Floskeln abgibt, alles andere als das vernarbte Innenleben widerspiegeln muss, geben die Löwen hier unverblümt zu. Weitere Highlights eines reifen, glaubwürdig-wehmütigen Albums sind „Wenn man weint“, „Ich werde dir davon erzählen“ und die Videosingle „Mein Letztes Kapitel“. Daß Andreas, Daniel und Christoph trotz aller Kratzer an der Seele immer noch über genügend Wut verfügen und tatsächlich noch lange nicht aufgeben, schreien sie den Demagogen, Schmalspurideologen und anderen Dünnbrettbohrern dieser Welt in „Bevor du Sprichst“ ordentlich angepisst und reichlich unverblümt entgegen:

„Ich schlage vor, du fällst tot um // oder trinkst einen Liter Gift //
und dann beten wir zu Gott // daß du im nächsten Leben //
Daß du vielleicht, vielleicht, vielleicht kein Vollidiot mehr bist //
Daß du vielleicht mit etwas Glück // dann erst Mal denkst, bevor du sprichst.“

Wie auch sonst sollte man diese Welt wahrnehmen, als zwischen Idealen, die Federn gelassen haben und Wut , zwischen den Realitäten des Erwachsenseins und den herzerwärmenden Erinnerungen an Kinder- und Jugendtage? Vielleicht ist das eines der Geheimnisse, warum man sich trotz der Uneindeutigkeit mit den Texten und den transportierten Stimmungen so gut identifizieren kann. Sie lassen Raum für Interpretation auf dem eigenen Lebenshintergrund, der eigenen Freuden und Tränen. Das alles ist uns eine glatte Eins und den Preis für das Album des Monats Mai wert.

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LÖWEN AM NORDPOL – Berliner Indie-Rocker mit zweitem Album

Die Berliner Indie-Rocker Löwen am Nordpol stehen nach einer Durststrecke in den Startlöchern mit dem zweiten, selbstbetitelten Album. Das wunderbare, am Sound der Hamburger Schule angelehnte Debüt „Vom Stochern in der Asche“, das bei uns sehr gut bewertet wurde, hat über drei Jahre auf dem Buckel. Höchste Zeit, daß das Trio mit den tiefgründigen Texten…

#StayAtHomebola – Live-Ziehung der Hauptpreise im Livestream heute ab 18:00 Uhr

Grand Hotel van Cleef verkündet mit großer Freude, dass alle Lose für ihre #StayAtHomebola ausverkauft sind. Die Ziehung der Hauptreise findet HEUTE (23.04.2020) ab 18:00 Uhr im Internet statt. Dazu folgende Informationen: Die Ziehung der Hauptpreise wird von Reimer Bustorff (Kettcar) live aus dem GHvC-Büro gesendet. Die Ziehung startet am 23.04.2020 um 18:00 Uhr –…

Die Sterne

Die Sterne. Das ist Hamburger Schule in Reinkultur, das ist Rebellion der hintersinnigen Art, das ist Poesie, Intellekt und das sind Klänge, die sich weitab vom Gewohnten bewegen, aber trotzdem ein feinsinnig arrangiertes akustisches Zuhause bieten. Von den Gründungsmitgliedern ist nur noch Frontmann Frank Spilker übrig. Umso konsequenter mutet es an, das neueste Werk „Die Sterne“ (PIAS) zu taufen. Manch eineR mag dahinter Egomanie wittern. Doch angesichts der umfangreichen Liste der MitmusikerInnen – darunter das Kaiser Quartett, Düsseldorf Düsterboys und Spilkers langjährige Live-Kumpanen Dyan Valdes und Max Knoth – lässt sich konstatieren: Die Sterne sind inzwischen eine kleine Galaxie, deren Kern Frank Spilker mit seinen Ideen und Gedanken ist.

Für letztere schuf der gebürtige Herforder in zwölf Songs mehr als genug Platz zur freien Entfaltung. Er beginnt vergleichsweise harmlos: Leichtfüßig, sonnig, unbeschwert startet die Platte mit „Das Herz schlägt aus“, einer Ode an das metaphorische Zentrum unserer Emotionen. Spilker arbeitet sich kontinuierlich weiter vor, spielt in „Du musst gar nix“ durch, was wohl wäre wenn jeder alles und nichts tun könnte oder was passieren würde, wenn sich niemand mehr für die Organisation eines Staates zuständig fühlte („Der Palast ist leer“).

Doch dann wird es offen politisch. „Unterschiedlich subtil“, „Das Elend kommt nicht“ und „Die Message“ sind bitterböse, ebenso klug wie feingeistig formulierte Weckrufe. AdressatInnen: diejenigen, die auf dem rechten Auge nach wie vor blind sind. Die Sterne knallen ihnen unverblümt vor den Latz, was gerade passiert:

„Das Elend kommt nicht mit Fackelmärschen // Das Elend kommt nicht mit Kriegsandrohungen // Und es trägt auch keine Springerstiefel // Das Elend kommt nicht in Uniformen oder anderen Sachen, an denen man es erkennen kann // Das Elend kommt mit bunten Fähnchen // Es kommt mit neuen Liedern, die den Gepflogenheiten der Popkultur entsprechen // Und mit neuen schicken Frisuren“ („Das Elend“) 

Zum Ende der Platte hin wird es schließlich mit der düsteren Synthie-Pop-Nummer „Drinks & Love“ und dem sphärischen, von einer Akustik-Gitarre getragenen „Halbvergangener Tag“ ein wenig melancholisch. Ein sehr treffender Ausklang für ein anspruchsvolles Album, das nicht nur inhaltlich die grauen Zellen anregt: Die Sterne gönnen sich musikalisch jede erdenkliche Freiheit und fordern damit ihre HörerInnenschaft heraus. Pop und Easy-Listening-Einflüsse gehen Hand in Hand mit Fuzz-Gitarren, Funk und Disco-Sounds. Spilker und seine MitstreiterInnen kleiden jeden Titel in das passende Gewand, akzentuieren und pointieren sehr subtil, wodurch eine beeindruckende akustische Varianz entsteht.

„Die Sterne“ hält fest, schüttelt durch, rüttelt auf, lädt zum Träumen und Verweilen ein, entführt, bereichert, fasziniert. Da ist schlicht keine Luft nach oben. Punkt.

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DIE STERNE – Sind wieder da!

Lange war nicht klar, ob Die Sterne noch einmal ein Album veröffentlichen werden. Doch jetzt steht fest: Am 28. Februar 2020 erscheint die bereits zwölfte Platte von Frank Spilker und seinen Kollegen. Ganz unprätentiös mit „Die Sterne“ betitelt enthält die Scheibe Songs, die Spilker über die Jahre in seiner Kreativ-Schublade gehortet hat und nun endlich…

KETTCAR veröffentlichen gemeinsamen Song mit Schorsch Kamerun, sookee, Bela B, Felix Brummer u.a.

Erst am Dienstag hatten Kettcar überraschend ihre neue EP ‚Der süße Duft der Widersprüchlichkeit (Wir vs. Ich)‘ angekündigt und die Single ‚Palo Alto‘ veröffentlicht. Nun legt die Hamburger Band unterstützt von zehn (!) GastsängerInnen mit ‚Scheine in den Graben‘ nach. Darin hinterfragen Kettcar gemeinsam mit ihren Gästen den Slogan ‚Tue Gutes und rede darüber‘. Das…

DER BÜRGERMEISTER DER NACHT – Neues Album & Tour

Seit heute ist mit ‚Viel Spaß in der Zukunft‘ (Label: Misitunes) der neueste Wurf des Hamburger Quartetts Der Bürgermeister der Nacht erhältlich. Intellektuelle Dichtkunst trifft auf klare Kompositionen ohne Schnickschnack, feinsinniger Humor geht Hand in Hand mit komplexen Emotionen. Zum Albumrelease hat sich Der Bürgermeister der Nacht ein besonderes Happening ausgedacht: In einem exklusiven 24-Stunden-Live-Konzert,…

Viel Spaß in der Zukunft

Aufgemerkt, es wird anspruchsvoll. Schließlich huldigen Der Bürgermeister der Nacht auch mit ihrem zweiten Album ‚Viel Spaß in der Zukunft‘ der Tradition der Hamburger Schule, die Legenden wie Die Sterne oder Tocotronic hervorbrachte und Bands wie Tomte und Anajo maßgeblich beeinflusste.

Texte, die sich zwischen Poesie und abstrakter Kunst bewegen, treffen auf klare, schnörkellose Akkorde – Chichi mit Schäumchen ist für andere reserviert. Der Sound mutet minimalistisch an, fast nackt, und legt sich doch gleich einem maßgeschneiderten Kleid um Zeilen wie ‚Man kann sicherlich im Leben vieles wagen // Doch was man nicht trinken kann // Kann man auch nicht ertragen‘ (‚Gläser, Kultur und Psychosen‘). Gelegentlich gönnen sich die Klänge ein wenig Exzess, sei es, wenn die Gitarre einen Ausflug in Richtung Surfsound wagt oder wie eine steife Brise gnadenlos durch einen Song schrammelt. Wer genau zuhört, wird wohldosierte Cellopassagen und Orgelklänge identifizieren.

Melancholie, schräge Gartenpartys, die depressive Seite Hamburgs, innere Konflikte, diffuse Gefühlszustände: All das verpackt Sänger Fynn Steiner in hintersinnige, intelligente Texte, die oft mit doppeltem Boden daherkommen oder mit Perlen wie ‚Sie sind so distinguiert wie ihre zwei Liter Rotwein // Selbst die nächste Sintflut wird ihnen zu seicht sein‘ (‚Die Unterirdischen‘) glänzen. Von der Zuhörerschaft fordert Steiner damit neben ungeteilter Aufmerksamkeit auch den Willen, sich mit seiner Kunst auseinanderzusetzen. Wer dazu nicht bereit ist, wird die Platte recht schnell frustriet in die nächste Ecke feuern.

‚Viel Spaß in der Zukunft‘ ist kein leicht zugängliches Pop-Scheibchen. Die Platte will entdeckt, zerlegt, erarbeitet werden – erst dann gibt sie ihre Schätze frei und offenbart eine vielschichtige Welt voller feinsinnigem Humor und intellektuellen Spitzfindigkeiten, gespickt mit einer Prise Ironie und sprachlichen Kleinoden. Besser kann die Hamburger Schule nicht repräsenteirt werden.

KETTCAR kündigen mit Single & Musikvideo ‚Palo Alto‘ ihre neue EP an

Nur 16 Monate nach ihrem letzten Album ‚Ich vs. Wir‘ kündigen Kettcar heute mit der Single ‚Palo Alto‘ ihre neue EP ‚Der süße Duft der Widersprüchlichkeit (Wir vs. Ich)‘ an. Ab Donnerstag ist die Band aus Hamburg wieder auf Tour. Mit ihrem aktuellen Album ‚Ich vs. Wir‘ veröffentlichten Kettcar Ende 2017 ein Album, das gleichzeitig…