Schlagwort: Crossover

LETLIVE mit neuem Album im Juni

letlive. überraschen uns am 10. Juni 2016 mit ihrem mittlerweile vierten Album. ‚If I’m The Devil …‘ wird erneut auf Epitaph erscheinen und lässt Böses in Form von gewohnt sozialkritischen Texten und rauem bis groovigem Sound erahnen. letlive. sind bekannt für ihre unnachahmlich-intensive Bühnenpräsenz, das führte unter anderem dazu, dass das Magazin KERRANG! Sänger Jason…

Autonomous

Atmosonic? Wer von dieser Band noch nie etwas gehört hat, muss sich nicht schämen, denn ‚Autonomous‘ ist das Debüt der vier Marburger. Wenn man in einem Musikvertrieb arbeitet, hat man eigentlich keine andere Möglichkeit, als selber auch Musik zu machen. Wenn drei von vier Bandmitglieder in einem Musikvertrieb arbeiten, dann werden aus Kollegen schnell Mukke-Kumpels. Für die Vocals, sowohl gerappt als auch gesungen, haben sich die Drei einen Lehrer an Land gezogen. Entstanden ist ein Comeback des Crossover. Elemente aus Stoner, Rap, Metal und Punkrock verschwimmen zu einem abwechslungsreichen Song nach dem nächsten.

Auffällig ist, dass alle Songs sehr klar strukturiert daherkommen. Es gibt klare Parts, die recht elegant miteinander verbunden werden. Ins Chaos stürzt sich der Hörer also nicht gerade. Drummer Frank Rohe variiert seine Beats ständig und weiß, was wann benötigt wird. Sowohl vom Aufbau des Drumsets als auch die Art es zu spielen erinnern an Boysetsfire. Atmosonic mögen es halt fett. Fette Beats, fetter Bass und fette Riffs. Hier hängt es jedoch leider manchmal an der Besetzung, denn eine zweite Gitarre würde den Songs mehr Fülle verleihen. Besser gesagt: Atmosonic sind (noch) nicht so ein Brett, wie sie es sein könnten. Sänger Janosch, der auch für alle Texte zuständig ist, setzt Akzente mit Sprechgesang, melodiösen, fast souligen Refrains und immer mal wieder Effekten, wie im Opener ‚Sick Of It‘.

Dieser Song ist zweifelsohne auch einer der Hits der Platte. Auch ‚Honey Trap‘ und ‚People‘ bleiben sofort im Ohr. Die Lieder sind aufgeräumt, aber nicht langweilig. Vorhersehbarkeit kann eben auch etwas Positives sein, denn so vermitteln Atmosonic ein irgendwie wohliges und heimisches Gefühl. Erst klingt es nach Stoner-Wüsten-Rock, im nächsten Moment geht es funkig in Richtung Rage Against The Machine. Ansonsten fallen Vergleiche schwer, denn eigentlich war Crossover seit den 90ern tot. Atmosonic bringen ihn wieder zurück und überzeugen mit eingängigen und abwechslungsreichen Songs, die groovig, emotional und manchmal einfach nur hart sind und den Hörer süffisant grinsend mit dem head bangen lassen. Bei Sänger Janosch fällt es schwer, zu entscheiden, was besser gefällt: Rap oder Gesang. Insgesamt scheint die Band in ihrer noch recht jungen Geschichte schon ein gutes Gefühl dafür entwickelt zu haben, was wann in welchem Song gebraucht wird. Dieses Gefühl macht ‚Autonomous‘ zu einem ausgewogenen und aufgeräumten Album, auf dem jeder Song schlichtweg funktioniert.

Freedom

Was macht man, wenn man eine ganze Generation musikalisch geprägt und immer wieder überrascht hat? Nun, im Fall von Refused wird erst mal die Trennung bekannt gegeben. Das Überraschungsmoment war, nachdem sie sich bereits 1998 auflösten, vor drei Jahren mal wieder auf der Seite der Schweden. Glücklicherweise haben es die Musiker nicht lange ausgehalten und kehrten 2014 mit zahlreichen Reunion-Shows, jedoch nicht mit neuem Material zurück.

Jetzt, 17 Jahre nach dem letzten Studioalbum, gibt es erneut einen großen Knall. ‚Freedom‘ heißt das wohl am längsten von Fans ersehnte Album der Schweden. Da man jedoch daran gewöhnt ist, dass Refused immer alles anders und unkonventionell machen, ist der Druck groß. Nicht nur auf die Band, auch auf den Fans. Denn wenn man so lange gewartet hat, muss man das neue Material ja fast schon toll und bewusstseinserweiternd finden. Die Angst vor ‚früher waren die irgendwie besser‘ ist riesig. ‚Freedom‘ ist ein eckiges, kantiges und oft unbequemes Album mit Überraschungen am Fließband. Während der vorab schon veröffentlichte Opener ‚Elektra‘ ein rockiger Weckruf im scheinbaren Chaos ist, der schon ein wenig an ihren Evergreen ‚New Noise‘ erinnert, geht es danach mit dem groovigen ‚Old Friends/New War‘ in ruhigere, aber nicht weniger energiegeladene Gefilde. Mit verzerrter Stimme und einem ‚gehechelten‘ Beat beginnt der Song fast unheimlich. Plötzlich setzt eine Akustik-Gitarre ein und den Rest macht Sänger Dennis Lyxzén mit seinen Schreien und an 80er-Synthie-Pop erinnernder Gesang. Ja, Herr Lyxzén singt tatsächlich ungewohnt oft. Es ist nicht mehr ausschließlich das verzweifelte und wütende Geschrei. Wütend sind die Schweden noch immer. Das wird vor allem im ebenfalls vorab veröffentlichten Song ‚Dawkins Christ‘ deutlich. Hier sind wir wieder beim Hardcore-Punk, der diesmal mit harten Metal-Riffs gespickt ist.

Besonders hervorzuheben ist ‚Francafrique‘. Zunächst eher funkig, aber mit klarer Message, den ein Kinderchor rappend durch die Boxen schreit. ‚[i]Exterminate The Brutes. Exterminate All The Brutes. / Murder, Murder, Murder, Murder, Murder, Murder. / Kill, Kill, Kill[/i]‘ Hier wird auf sehr direkte Weise die nach wie vor existierende Ausbeutung Afrikas angeprangert. Trotzdem klingen die neuen Songs keinesfalls wie Protest-Songs à la Bob Dylan. Es ist das perfekt durchstrukturierte Chaos, das Refused schon immer auszeichnete. Bei jedem Song fragt man sich, selbst als Musiker, wie sich alle Bandmitglieder ihre Parts überhaupt merken können. Keiner gleicht dem anderen. Auf ‚Freedom‘ gerät eine sehr funkig-rockige Seite immer wieder in den Vordergrund. In ‚War On The Palaces‘ setzen sogar Bläser ein. Der Gesang erinnert vereinzelt an Dave Grohl. Für die, die nicht daran geglaubt haben, dass Refused noch überraschen können: Sie können es – und wie. Die Schweden sind perfekte Musiker, die in jedem Augenblick wissen, was sie tun. Von einer angezogenen Handbremse kann man trotzdem nicht sprechen. Kaum eine andere Band kann so viel Leidenschaft, kritischen Inhalt und diverse Genres so vermischen, wie Refused. Das lässt sie auch nach 17 Jahren ohne neues Material noch immer zu den wichtigsten Musikern unserer Zeit gehören. ‚Freedom‘ ist nicht nur für die Fans, die das Ganze ja toll finden müssen, ein Pflichtkauf. Ein unbequemer Leckerbissen für jeden, der sich mit Musik beschäftigt.

Sol Invictus

Leicht haben es Faith No More dem Nebenbei-Hörer noch nie gemacht, zu verschroben und spleenig waren der Großteil ihrer Songs, die sich abseits von Hits wie „Easy“, „We Care A Lot“ oder „Evidence“ auf den Alben befanden. Eine gefühlte Ewigkeit nach „Album Of The Year“ ist das Comeback-Werk „Sol Invictus“ schon eine musikalische Sensation einer Band, die müde von der Musik-Maschinerie war.

Wann kommt also eine Band, die seither gern den Hörer vor den Kopf stieß, sich nie als Metalband gesehen hat und gnadenlos ihr Ding durchzieht zurück? Richtig, wenn sie ebenso dieses in Eigenregie machen kann und das Feuer neu entfacht wurde.

So bietet „Sol Invictus“ gefühlt mehr als in der Vergangenheit schräge Songideen, manchmal fast schon unhörbare Passagen, aber immer wieder diese grandiosen Melodielinien und Atmosphären, die nur Faith No More und Vokal-Spezi Mike Patton hinbekommen.

„Sol Invictus“ beginnt mit melancholischer Pianomelodie und manischem Gesang Pattons. Gibt nicht Vollgas, baut aber eine fast schon pathetische Stimmung auf und ist eindeutig Faith No More. „Superhero“ erinnert an „King For A Day“, hartes Riff, funky Bass und ein Stimmband-malträtierender Patton erfreut die Fans.

„Sunny Side Up“ ist eine der Bandnummern, die nicht abgeht, sondern in ihrer eigenen Welt lebt und herrlich verschroben ist. Der Refrain ist fast Sommerhit-verdächtig. „Separation Anxiety“ fordert und setzt auf hypnotische Wiederholungen, verliert aber nach einigen Durchläufen an Wirkung, während „Cone Of Shane“ westernartig beginnt, etwas vor sich hindümpelt, um hintenraus stark aufzutrumpfen. Insgesamt typisch-eigenartige Struktur.

„Rise Of The Fall“ ist nicht minder abwechslungsreich und überrascht mit poppigen Gitarren und typisch irren Gesangsparts. „Black Friday“ beginnt flott mit Akustikgitarre und fernab der typischen Radiostrukturen, ein weiterer komplexer Klangbrocken, der genüsslich den Großteil der Menschheit überfordert. Der vorab bereits veröffentlichte Song „Motherf***er“ stellt den wohl zugänglichsten Track des Albums dar, obwohl er nicht sonderlich eingängiger als der Rest des Materials ist. Düsterer Gesang in den Strophen, brillante Bridge und ein hymnischer Refrain erfreuen alle Musikvermarkter und viele Nebenbeihörer. Definitiv ein Kandidat für Live-Konzerte und Compilations.

Das nachfolgende „Matador“ wirkt dagegen im direkten Vergleich wieder ungreifbar und extrem sperrig, ist aber dennoch schön unwirklich und gespenstisch. „From The Dead“ versprüht Flower Power-Atmosphäre und zeigt erneut den Humor und den dicken Mittelfinger der Band zu den Gesetzen der Musikindustrie.

Wie bewertet man nun ein Album, dass nach 18 Jahren eine einflussreiche Band wieder aufleben lässt, das in den ersten Durchläufen zu komplex und verwirrend ist, um sich darauf einzulassen, das nicht wirklich die großen Hits bietet und merkbar einer Band zuzuordnen ist, die nur noch das macht, worauf sie wirklich Lust hat? „Sol Invictus“ braucht Zeit, muss sich einschleifen und schön gehört werden, bevor man es genießen kann. Ob sich viele darauf einlassen? Wer weiss. Songs wie „Easy“ sucht man vergeblich, allerdings aber auch auf „King For A Day“ oder „Album Of The Year“. Dennoch zündeten diese Scheiben schneller und intensiver. Trotzdem gibt es viele tolle Ideen und anspruchsvolle Songs, die für ein gelungenes Comeback sorgen.

MOLOTOV auf Europatour im Sommer

Nachdem die mexikanische Crossover-Band Molotov im letzten Jahr ihr aktuelles Album ‚Agua Maldita‘ veröffentlichten, kommen die vier Musiker nun auch nach Europa, um ihren Fans die neuen Lieder live vorzuspielen. Neben einigen Festivals werden im Sommer auch diverse Clubs im deutschsprachigen Raum bespielt. Welche genau, haben wir für dich zusammengefasst: 18.07.15 Ottakringer Arena Wiesen –…

FAITH NO MORE – Tourdaten zum Comebackalbum

Nach dem ’97er Werk „Album Of The Year“ veröffentlichen Faith No More mit „Sol Invictus“ wohl DAS Comebackalbum des Jahres. Ab Ende Mail sind Faith No More auch wieder auf deutschen Bühnen zu erleben, nachdem sie in den letzten Jahren schon vereinzelt bei Festivals auftraten. 29.05. Nürburgring – Grüne Hölle Festival 31.05. München – Rockavaria…

Searching For Zero

Crossover ist seit einiger Zeit wieder in. Ein Grund dafür sind die Cancer Bats, die sich in den vergangenen Jahren zu einer echten Größe in der Vermischung aus Metal, Southern Rock, Hardcore mit einer Prise Punk entwickelt haben. Anfangs als Vorband von Headlinern wie Parkway Drive oder Comeback Kid, füllen die Kanadier ihre Clubs und Hallen selber. Auch mit ihrem neuesten Werk dürften sie ihre Fans nicht enttäuschen. Zu hören gibt es wieder einmal eine bunte, aggressive und düstere Mischung der genannten Genre. Dem Titel nach zu urteilen sucht die Band nach der ‚Null‘. Nimmt man das wörtlich ist das eher nichtssagend. Die Metapher weist jedoch darauf hin, dass die Cancer Bats ihre Wurzeln, quasi ihren Punkt Null, suchen. Zurück zu alten Kamellen? Das machen viele, die Kanadier jedoch nicht. Die Songs klingen frisch, ohne gewohnte Stärke und Eingängigkeit abzugeben. Gleich der zweite Song, ‚True Zero‘, beginnt wie ein besonders düsteres stück von Black Sabbath, wandelt sich aber in Handumdrehen zu einer gestampften Rockhymne. Die Strophe spuckt Sänger Liam Cormier seinen Hörern so dermaßen ins Gesicht, dass das selbst ‚Ober-Zecke‘ und Sex Pistol Johnny Rotten vor Scharm erröten würde.

Der epische Titel ‚Arsenic In The Year Of Snake‘ macht genau da weiter, wo ‚True Zero‘ aufgehört hat. Angepisstes Gekreische, fette Gitarren-Riffs unterlegt mit eingängigem Schlagzeug-Beat. Die Songs galoppieren förmlich nach vorne und machen zwischendurch nur zum kurzen Durchatmen Halt, um dann explosionsartig die heimischen Boxen regelmäßig an ihr Limit zu bringen. Bei ‚Beelzebub‘ scheinen die Cancer Bats vorerst ruhiger und erdigere Töne anzuschlagen. Hier kommt der Southern Rock mit stark verzerrten Gitarren und langsamem, aber kraftvollem, fast schon bluesigem Refrain. In der Strophe klingt Herr Cormier mit seinem angestrengtem Krächzen fast schon wie Marilyn Manson und beweist damit abermals seine Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit. Im Song hat sich die Band mehr aufs Wesentliche, auf die Atmosphäre konzentriert. Während der Rest der Platte eher nach vorne peitscht und Instrumente sowie Gesang sehr extrovertiert daher kommen, üben sich in ‚Arsenic In The Year Of Snake‘ alle, bis auf die Gitarre in Zurückhaltung. Sicherlich einer der auffälligsten Lieder auf dem Album. Der Groove und die perfekten Wechsel der Genre sind sonst nur bei den finnischen Kollegen von Kvelertak zu hören. Zusammen würden diese beiden Bands sicherlich jedes Lokalität bis auf die Grundmauern niederreißen.

Bei allen Vergleich, die zusammen auch nur in etwa widerspiegeln, wer die Cancer Bats wirklich sind fehlt noch genau einer. Dieser ist vor allem im letzten Song der Platte zu hören. ‚No More Bullshit‘ klingt wie eine sehr groovige und zugegebenermaßen langsamere Version von Slayer. Messerscharfe Riffs, die auf den Gitarren nahezu geschruppt werden. Dazu wieder einmal Liam Cormier, der es schafft, einen selbst beim Sprechgesang anzubrüllen und damit zum erschaudern zu bringen. ‚Cursed With A Conscience‘ fasst das ganze Album und die Diskografie der cancer Bats wohl am besten zusammen. In diesen gut vier Minuten ist alles drin: Epischer Hardrock, Düsterer Metal und gekreischte Hardcore Lyrics. Immer irgendwie zuviel von allem, dennoch authentisch und gnadenlos brachial. Im Gesamten ist ‚Searching For Zero‘ ein Lehrbuch in Sachen Headbanging und Air-Guitar. Wie gemacht für Open Air Festivals, auf denen die Kanadier ja sehr umtriebig sind. Schwer, das Ausmaß der Zerstörung abzuschätzen, wenn diese brachiale Gewalt in einem kleineren Club auf das Publikum hereinbricht.

Shackles‘ Gift

Es ist vertrackt mit Zun Zun Egui, die einem geich eine ganze Karrenladung Alleinstellungsmerkmale vor die Füße kippen, bevor man sich überhaupt erst in Position gefahren hat, sich auseinanderzusetzen. Das fängt schon mit dem sonderbaren Bandnamen an. Wo nur beginnen, wie einsteigen?, fragt sich da ein Rezensent. Vielleicht mit Mauritius? Ja, vielleicht mit Mauritius. Wer war schon einmal auf Mauritius? Mauritius ist so etwas wie Zun Zun Egui als Insel. Zwölf amtlichen Landessprachen und ähnlich viele Kulturkreise unterfälllt das 700 Kilometer östlich von Madagaskar mitten im indischen Ozean gelegene Eiland; die Gefahr, sich als Reisender wiederholt blaue Flecken an Sprachbarrieren einzufangen, ist entsprechend akut. Möglicherweise sollte einen das aber gar nicht abschrecken. Auf Mauritius ist es nebenbei nämlich auch relativ schön. So schön, dass es sich auszahlen könnte, Sprachen einmal links liegen zu lassen, sich mit gar niemandem zu unterhalten und auf eigene Faust durchzuschlagen, solange man nicht unbedingt die Hilfe eines Mauretaniers benötigt.

Mauretanier? Das sind die Einwohner Mauritius‘ (oder „Mauritii“?). Wer auch sonst. Kushal Gaya, der Sänger und Gitarrist von Zun Zun Egui, ist Mauretanier. Seine Partnerin Yoshino Shigihara am Keyboard ist Japanerin, und ihr Projekt Auffangbecken und Schmelztiegel mindestens genau so vieler Dialekte, wie sie Mauritius vermutlich inzwischen angehäuft hat. Was immer die Stücke auf ihrem zweiten, von Fuck Button Andrew Hung abgeschmeckten Album ‚Shackles‘ Gift‘ auch sein mögen, sie sind es zugleich auch wieder nicht. Hier wird nicht nur gekratzt und gekitzelt, sondern auch gestonert, gedancehallt, ge(post)rockt und gefunkt – und das nicht selten alles in ein und selben Moment. Stilrichtungen und Klangformen reagieren miteinander und neue, skurrile Molekülstrukturen bilden sich. Hat alles ein bisschen was von Darwin und seinen Finken, nicht wahr? Nur gehören die nach Galapagos – und machen nicht so schnell süchtig wie manche scheinbar beliebig zusammenfallende Tune-Kombos auf dieser Platte.

Selbst der Reggae hat sich auf ‚Shackles‘ Gift‘ unter Beimischung lokaler Folk-Elemente verwandelt. In Seggae nämlich. Und die Sprachaufzeichnung, mit der das Album beginnt, ist nur scheinbar Französisch. In Wirklichkeit ist der arme reiche Rezipient in der Fremde gelandet und muss sich seine Umwelt erst einmal erschließen. Genaues Hinhören kann sich dabei auszahlen, denn die extravagantesten Klänge setzt der Hintergrund frei. Perkussives Altglas, desorientierte Riffs, stockende Afrobeat-Bassläufe – von der forschen, in sich verrenkenden Rhythmik als heimlichem Dreh- und Angelpunkt dieses ganzen Durcheinanders sprechen wir am besten gar nicht erst.

Möglicherweise befasst man sich als Hörer besser auch gar nicht mit Genre-Schlagwörtern und klanglich-instrumentaler Aufdröselung. Auf ‚Shackles‘ Gift‘ ist es nebenbei nämlich auch relativ schön. So schön, dass es sich auszahlen könnte, Formalia einmal links liegen und sich auf eigene Faust durchschlagen und mal wieder so richtig akustisch durchkneten zu lassen, solange man nicht unbedingt Entspannung benötigt. Rattata-zong!

FAITH NO MORE – Comeback mit neuem Album ‚SOL INVICTUS‘ im Mai

Es ist schon eine kleine Sensation und viele Fans haben wohl nicht mehr daran geglaubt, dass die Crossover-Pioniere nochmal mit neuem Material zurück kehren: Am 15. Mai erscheint das neue Album „Sol Invictus“ von Faith No More auf dem Label Reclamation Recordings / Ipecac Recordings. Deren letzter Longplayer „Album Of The Year“ wurde 1997 veröffentlicht.…

The Mindsweep

Exakt drei Jahre ist es her, da wurden Enter Shikari mit ihrem Album ‚A Flash Flood Of Colour‘ verdientermaßen weltbekannt. Seitdem spielen die Briten Shows auf dem gesamten Erdball. Großer Erfolg birgt jedoch auch große Erwartungen. ‚The Mindsweep‘ versucht diese zu erfüllen. Schon mal vorab: Das neue Album übertrifft zumindest meine Erwartungen bei weitem. Enter Shikari klingen vom ersten Song an nach ‚A Flash Flood Of Colour‘, aber irgendetwas ist anders. Der Opener ‚The Appeal & The Mindsweep‘ führt zunächst sehr atmosphärisch in das neue Werk ein – ähnlich wie beim Vorgänger-Album. Plötzlich aber ist auch der Sound der ersten beiden Platten zu hören. Das elektronische Chaos bricht herein. Das Lied verliert darüber jedoch nicht an Atmosphäre. ‚The Appeal & The Mindsweep‘ ist kein ein angenehmer Opener. Der Song kratzt und beißt, wo er nur kann. Der angenehme, aber nicht langweilige Part folgt im zweiten Song. ‚The One True Colour‘ ist eine Ode an das Weitermachen, das Aufstehen. Das spiegelt sich sowohl textlich als auch musikalisch wider. Inbrünstig schreit Sänger Roughton ‚Rou‘ Reynolds ins Mikrofon, sodass jedem Hörer gar nichts anderes übrig bleibt, als sich den Dreck von den Knien zu wischen und aufzustehen. Obwohl Enter Shikari immer mit den Extremen und Übertreibungen spielen, wirken sie stets authentisch. Es ist schwer, die Band mit anderen zu vergleichen, aber wenn es mal funktioniert, dann beispielsweise bei ‚There’s A Price On Your Head‘, der in einigen Parts schon sehr an System Of A Down erinnert. Psychotisches Chaos und teilweise gewollte Disharmonien. Zum Aufregen und Abfeiern.

Natürlich widmet sich die Band auch auf der neuen Platte wieder einigen Experimenten und neuen Einflüssen, die sie exzellent in ihre Songs einbauen. Es scheint ein wenig so wie bei The Darkness zu sein. Man denkt erst: ‚Ist das deren Ernst?‘ und danach: ‚Die können das machen. Bei jedem anderen wäre das doof‘. Lange Rede kurzer Sinn: In ‚The Last Garrison‘ starten die Briten mit einem gewohnten und riesigen Knall und emotionalen Lyrics. Doch dann kommt…ja, was kommt da eigentlich? Man könnte es als Chill-Out-Trance-Part bezeichnen, der den Gegensatz zum vorherigen Knall bildet und sich erschreckend gut in den Song einfügt. Sicherlich eines der Stücke, die nach den ersten paar Malen Hören sofort hängen bleiben und sich zu den Hits der Platte gesellen. Ein weiterer solcher Hit ist ‚The Anaesthetist‘. Neben schaurigen Krankenhausgeschichten bekommt der Hörer einen düsteren Beat, der sich im Refrain in schnellem Geknüppel auflöst. Dennoch ist er dominant und bildet zusammen mit dem Text mal wieder eine perfekte Symbiose. Hervorzuheben ist noch Song neun, ‚The Bank Of England‘. Ruhig, jedoch mit viel Energie, der wohl gesellschaftkritischste Song des Albums.

‚The Mindsweep‘ ist abwechslungsreich. Obwohl man ja gerade das von einem Enter Shikari-Album erwartet und annehmen mag, dass Überraschungen ausgeschlossen sind, ist sie spannend und ungemein stimmig. Die Songs sind aufdringlich, prägnant und extrovertiert, dennoch authentisch. Alles in allem ein würdiger Nachfolger des Erfolgsalbums ‚A Flood Flash Of Colour‘. Sänger Roughton ‚Rou‘ Reynolds tobt sich mehr aus als je zuvor und verhilft dieser Platte dazu, anders – und nicht erwartbar anders – zu sein.