Schlagwort: Garage Rock

Far Enough

Wie weit ist weit genug?

Das fragt sich derzeit womöglich ein Jeder, der den virussicheren Abstand zu seinen Mitmenschen zu halten versucht. Oder andererseits Künstler, die unter den derzeitigen Bedingungen ganz neue Wege ersinnen müssen, Reichweite zu entwickeln und ihr Publikum zu finden.

Das wird den Cable Ties mit ihrem neuen Album „Far Enough“ (Merge Records) problemlos gelingen. Und das nicht nur, weil es nach dem in Eigenregie veröffentlichten Debüt von 2017 mit dem Rückhalt und den Promo-Mechanismen eines etablierten Labels erscheint. Obwohl die abgesagte Tour für die Band ebenso schmerzlich sein dürfte wie für die Hörerschaft, wird für letztere die hier gefundene Liebe weit genug gehen, um (un)geduldig einige Monate auf neue Termine zu warten.

Denn das Trio aus Melbourne weiß mit wenigen, aber prägnanten Mitteln Fans zu gewinnen. Ihr knarziger Garagen-Sound, ihre direkte Art und nicht zuletzt Jenny McKechnies markanter, nicht immer nur angenehmer Gesang zwingen zunächst zum Hin- und dann immer wieder Hören. Cable Ties erlauben sich eine gewisse musikalische Hartnäckigkeit: Ganze drei der acht Stücke auf „Far Enogh“ sind um die sieben Minuten lang. Mit mal psychedelischen, mal düster-punkigen Anleihen ist die Band in ihrem Spiel aber so unmittelbar und zugänglich, dass man gar nicht merkt, dass ein Song so viel Zeit einnimmt.

So barsch Cable Ties auf ihrem Zweitling mitunter daherkommen, so deutlich ist doch aber auch die weibliche Note, die dieses Album trägt. Und das liegt nicht zwingend am Gesang, der sich gern in kreischige Höhen schraubt. Aber eben auch knurren kann. Es ist die besondere Energie von „Far Enough“, der man sich nicht entziehen kann. Die geht dank Ausdrucksstärke, Konsequenz und Selbstbewusstsein genauso weit, wie es eben nötig ist.

 

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Cargo Records

THE PARANOYDS starten durch

Life in plastic, it’s fantastic – zumindest in L.A., wo The Paranoyds ihr Hauptquartier haben. In seinem Clip zur Single „Girlfriend Degree“ liefert das zu drei Vierteln feminine Quartett allerdings einen zynischen Abgesang auf Beauty-Wahn, Oberflächlichkeiten und den Drang, gefallen zu wollen. In welche Richtung es auf dem am 13. September erscheinenden Debüt-Album „Carnage Bargain“…

By Night

Und nun frickeln sie doch.

Auf ihren bisherigen zwei Alben legten Plague Vendor vor allem Wert auf Unmittelbarkeit, auf die Direktheit von Live-Einspielungen mit möglichst wenig Takes. Mit ‚By Night‘ entledigt sich die Band nun diesem Korsett und fügt ihm einen Frickel-Faktor bei, der uns in unverhoffte Sphären trägt.

Um ihrem Spieltrieb freien Lauf zu lassen, schlossen sich die vier Kalifornier gemeinsam mit Produzent John Congleton (St. Vincent, Chelsea Wolfe) elf Tage lang in die EastWest Studios in Hollywood ein – angeblich ohne klare Vorstellungen darüber, was dabei entstehen sollte. An Inspiration herrschte offenbar wenig Mangel, denn das Ergebnis sind zehn neue Songs, die ein ums andere Mal mit Wonne die Grenzen des Garage- und Punkrock einreißen. Plague Vendor begeben sich für ihr drittes Album auf noch ungenutzte Pfade in Bluesrock- und Psychedelic-Gefilde, lassen sich in musikalische Ideen fallen und ihre Songs ein eigenes Leben entwickeln. Dafür fanden zusätzliche Piano- und Synthesizer- und sogar Streicher-Frequenzen ihren Einsatz.

Ob kantig, abgeklärt cool, geheimnisvoll düster oder Space-Sound – ‚By Night‘ besticht vor allem Anderen durch seinen Groove. Und eine gewisse Strukturiertheit. Plague Vendor haben ihren Anarcho-Sound abgelegt. Sie sind laut und wild, aber nicht unkontrolliert; sämtliche Arrangements sind genau platziert. Das ist der Arbeit von Produzent Congleton zu verdanken, aber auch der zunehmenden Reife der vier Musiker. Womöglich wussten sie zu Zeiten ihres Debüts ‚Free To Eat‘ noch nicht konkret, wohin sie ihr Weg führen soll. Mittlerweile beschreiten sie ihn unaufhaltsam und entschlossen, ja fast stur weiter. Die Band hat eine Vision. Harte Arbeit steckt in ‚By Night‘, hat das Album zu einem sehr zielsicheren Werk gemacht. Spätestens jetzt sollte die Band als ernstzunehmen, sprich künstlerisch wertvoll gelten.

Und der Albumtitel? Wer nicht schon selbst drauf gekommen ist, dem hilft Sänger Brandon Blaine lakonisch auf die Sprünge: ‚Nothing cool happens during the day.‘ In diesem Sinne.

Debt Begins At 30

In der heutigen Zeit kann es bereits als Qualitätsmerkmal gelten, wenn eine Band auch nach drei Albumveröffentlichungen noch keinen Wikipedia-Eintrag hat. Da lässt sich noch unvoreingenommen, ohne vorgefilterte Informationen und abseits jeglichen Mainstreams etwas entdecken. Im Falle von The Gotobeds ist es ihr neues, besagtes drittes Album ‚Debt Begins At 30‘, von dem man sich im Idealfall Sneak Preview-mäßig überrollen lassen und dabei seiner wilden Emotionskurve hingeben sollte.

Allein, ihre Plattenfirma Sub Pop wollte uns die Band und ihren Sound vorab mit dem Label ‚Folk der Steel City Pittsburgh‘ schmackhaft machen. Dabei ist das schon wieder eine ungehörige Einschränkung! Auf ‚Debt Begins At 30‘ sind die Einflüsse derart mannigfaltig, dass Genregrenzen getrost ignoriert werden können. Das dürfte auch den zahlreichen Gastmusikern gedankt sein, von denen für jeden Song mindestens Einer hinzugezogen wurde und deren Liste bitte dem beigefügten Booklet zu entnehmen ist.

Erste musikalische Assoziationen, die in des Hörers Kopf aufpoppen, reichen von Fugazi und den Pixies über The Breeders bis hin zu New Order – und viel weiter. Anleihen von Garage-Rock, Grunge, No Wave und Noise der 80er Jahre sowie einer Prise Anti-Folk bilden ein dichtes Gebilde, mit dem The Gotobeds den Punk- und D.I.Y.-Werten in ihrer Ursprünglichkeit huldigen. Wir haben teil am Ausleben von künstlerischer Freiheit ohne Kalkül und Einordnung in beengende Strukturen. Da wird an den Songs nicht rumgedoktort, Akkorde nicht angepasst, der Gesang nicht professionalisiert, keine bekömmlichen Harmonien erdacht. Und ein Song wird auch nicht zugunsten einer leichter verträglichen, womöglich sogar radiotauglichen Kürze abgebrochen, wenn er doch gerade richtig Drive und den Charakter einer sich verselbstständigten Jam-Session bekommt (‚Bleached Midnight‘, 6:46).

Weil die Songs eben nicht um jeden Preis auf die Sympathien und das Wohlbefinden des Hörers abzielen, könnte der Sound von ‚Debt Begins At 30‘ als distanziert, stellenweise fast kühl erscheinen – aber nur Jenen, die dem Album nicht die volle Aufmerksamkeit widmen, die es verdient, ja erfordert. Im Gegenteil kann uns die Platte, wenn wir uns gänzlich auf sie einlassen, viel mehr geben als so viele hochproduzierte, empathische Alben, die womöglich professionell, aber eben keine Konventionen zu brechen bereit sind. Auch wenn The Gotobeds eine widerborstige Attitüde zu pflegen scheinen, legen sie uns ihr Herz und ihre Seele doch vollständig offen. Soviel Glaubwürdigkeit ist selten.­

PLAGUE VENDOR – Exklusive Clubshow im August

Für den 7. Juni ist ‚By Night‘, das neue Album von Plague Vendor angekündigt. Nur wenige Wochen nach dem Release werden die Kalifornier eine exklusive Headliner-Show in Deutschland spielen: 20.08.2019 – Köln, Blue Shell     Einen ersten musikalischen Vorgeschmack auf das neue Album vermitteln die drei bisher schon veröffentlichten Songs:  

Heartbreak City

Die meisten guten Rocksongs sind im Schmerz geboren. Ein gebrochenes Herz und ein am Boden zerstörter Songschreiber sind die besten Voraussetzungen für ergreifende Texte, für Hymnen und für das Mit-Fühlen und Mit-Leiden der Hörerschaft. Jeder kann sich damit identifizieren; die Sympathien sind dem Betrogenen sicher. So ist es nur plausibel, dass Apex Manor diese Thematik zum Konzept für ihr neues Album erkoren haben.

In den acht Jahren, in denen man von der Band aus Kalifornien seit ihrem Debütalbum ‚The Year Of Magical Drinking‘ nichts mehr gehört hat, hat sich offenbar so Einiges an Herzschmerz angesammelt. So viel, dass es für eine ganze Stadt reicht. Mastermind Ross Flournoy sieht sich selbst zwar nicht als Bewohner von ‚Heartbreak City‘; vielmehr wirft er im Titeltrack seinem Gegenüber (offenbar einer verflossenen Liebe) etwas verbittert vor, dort zu leben. Nach dem Durchhören des Albums schleicht sich dennoch der Verdacht ein, dass auch Flournoy sich an diesem Ort irgendwie Zuhause fühlt.

Die Songs von ‚Heartbreak City‘ erzählen uns nämlich nicht nur von missglückten amourösen Episoden und gescheiterten Beziehungen, sondern zelebrieren auch den Schmerz, der darauf folgt. Mit Wonne setzt Flournoy sein Herz immer wieder auf’s Spiel und durchlebt ergeben sowohl Höhen als auch Tiefen. Leidenschaft als Lebens- und Liebesprinzip, wer will ihm das vorwerfen? Allerdings wird zunehmend deutlich, dass die Tiefen in den Geschichten womöglich deswegen überwiegen, weil Flournoy als Ich-Erzähler eine passiv-leidende Rolle einnimmt. ‚Am I ever gonna be the kind of man you want from me?‘ drückt in ‚Asked & Answered‘ noch gesunde Zweifel aus. Mit ‚I was waiting for you to tell the truth, I was waiting for you to decide‘ überlässt in ‚The Long Goddbye‘ bereits Anderen das Handeln und mit ‚It’s all I’m asking for to pick me up‘ wird in ‚Sanctuary‘ die Kapitulation komplett.

Vielleicht käme die Erlösung der Leiden mit dem Einnehmen einer aktiveren Rolle in Sachen Liebe, Leben, Beziehungen? Allerdings würde uns das einige gute Songs vorenthalten. Tatsächlich beginnt das Album mit drei starken Tracks, in denen vor allem die klaren Reminiszenzen an Dinosaur Jr. erfreuen. Dynamischer Schrammelrock, der einer romantischen Tragik huldigt – das passt bestens zu den Texten. Im Albumverlauf gewinnt aber eher eine tragische Romantik an Gewicht, wird es mit ‚Diamond In The Dark‘ und ‚Sara Now‘ nicht nur poppig-verträumt, sondern auch leicht verkitscht. Selbst wenn mit ‚Nervous Wreck‘ noch einmal Ohrwurmpotential aufklingt, verliert das Album doch mit den letzten beiden Songs seinen Elan. Letztlich kann ‚Heartbreak City‘ die großen Erwartungen, die es mit seinem großartigen Anfang erweckt, leider nicht erfüllen.

HOLLYWOOD VAMPIRES zeigen neues Livevideo

Sänger und Hauptinitiator Alice Cooper bezeichnet sie als „teuerste Bar-Band der Welt“ – Hollywood Vampires, die Band um Cooper und die Gitarristen Johnny Depp und Joe Perry lassen sich zumindest von keinerlei kommerziellem Druck leiten. So gibt’s das aktuelle Video zum Song ‚The Boogieman Surprise‘ auch nicht als pompös inszenierten Videoclip, sondern ganz schlicht und…