Schlagwort: No Wave

THE MURDER CAPITAL – Live-EP mit FKA Twigs-Cover

The Murder Capital haben gerade die Live-EP „Live From BBC Maida Vale“ über ihr Label Human Season veröffentlicht. Die drei auf der EP enthaltenen Songs wurden kurz vor der Pandemie in den BBC Maida Vale Studios für Annie Macs Future Sounds Sendung aufgezeichnet. Neben den Fan- und Live-Favoriten „Don’t Cling To Life“ und „Green &…

No Future Days

Post-Punk ist nicht unbedingt eine leicht konsumierbare Sache. Der mit deutscher Herkunft erst recht nicht. Und der der Gruppe Messer schon mal überhaupt nicht.

Das mag im Falle des neuen Albums „No Future Days“ (Trocadero) unter anderem daran liegen, dass Messer den Punk zunehmend aus ihren musikalischen Kreationen verbannen. Er bleibt jedoch als schaffensphilosophische Grundlage bestehen: im Tun dessen, wonach Einem der Sinn steht, ohne das Gefühl, Begrenzungen akzeptieren zu müssen. Das ist alles andere als eine solide Absicherung für die Zukunft, daher auch – vielleicht – der Albumtitel. Seine Rente sichert sich das Münsteraner Musikerkollektiv mit Werken wie diesen wohl nicht. Dafür aber die Zuneigung von echten popkulturellen Feinschmeckern, in die Jahre gekommener Can-Fans und musikalischer Nerds.

Denn nur sie bringen die Geduld auf, die Herausforderung anzunehmen, die Hendrik Otremba mit seinen Texten als schwer zu durchdringende Wortreihen anbietet. Aber auch auf ihren musikalischen Überbau lässt sich schwer instinktiv reagieren. Da braucht es Logik. Die neun Songs des Albums sind abgeklärt, mechanisch, kühl und wenig abwechslungsreich. Reggae-Rhythmen, Hall und der nivellierte näselnde Gesang (ich wollte es nicht, musste aber an Jan Delay denken) erschaffen einen karg ausgestatteten Raum, in dem man sich nicht wegen seiner gemütlichen Atmosphäre niederlässt.

„No Future Days“ zu hören ist eine bewusste, intellektuelle Entscheidung. Nicht der Entspannung wegen, sondern wegen der Stimulation. Das ist nichts für Jede/n. Mit Absicht.

 

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When I Have Fears

Etwas ist faul im Brexit-Land. Veraltete politische Eliten, Johnson-Anhänger und Fans einer obsoleten Weltordnung mögen mit markigen Sprüchen und verkrampften Gesichtern die Größe ihrer Nation und das Goldene der Zukunft beschwören. Aber ihre Kinder glauben ihnen nicht mehr. Die sind sauer und schlagen quer.

Es ist kein üblicher Generationenkonflikt, der Bands wie Idles, Life, Sleaford Mods oder Fat White Family hervorgebracht hat. Auf gereizte bis provokante Weise grenzen sie sich komplett ab von dem, was gemeinhin als die Gesellschaft bezeichnet wird. Und das aus der Überzeugung heraus, dass selbige ihnen nichts mehr zu geben hat – keine schönen Kindheitserinnerungen, keine soziale Wärme und schon gar keine rosige Zukunft. New Weird Britain nennen Musikkritiker diese mehr oder weniger neue kulturelle Erscheinung gern. Was sie so beeindruckend macht, ist ihre Verbittertheit, aber auch die wilde Entschlossenheit, ihre eigene Welt zu schaffen und zu verteidigen.

Nun gesellen sich The Murder Capital dazu. Musikalisch mögen sie sich nicht so wild wie manche ihrer Wegbereiter geben. Dafür stehen sie ihnen in Sachen Grimmigkeit in nichts nach. Was diese neue Band ihrem Umfeld, ihrer Elterngeneration, ja der Welt an sich mit ‚When I Have Fears‘ (Human Session Records) zu sagen hat, beschämt. Und ist geradezu bedenklich. Es muss uns mindestens aufrütteln aus der scheinbaren Zufriedenheit, in der wir leben. Denn so düster, wie die Grundstimmung des Albums gehalten ist, sollte es in einer jungen Seele nicht aussehen.

Die Songs von The Murder Capital, egal ob laut und schnell oder leise und bedacht, saugen alle Trostlosigkeit und Falschheit ihrer Umgebung auf und erschaffen eine Atmosphäre und eine Spannung wie aus dunkelsten Thatcher-Zeiten. Das Brexit-Sein bestimmt das Bewusstsein, und die fünf Musiker verfügen über ein ungewöhnlich klares Bewusstsein. Anders ist nicht zu erklären, dass schon auf ihrem ersten Album ein so starker, weil reifer Song wie ‚How The Streets Adore Me Now‘ auftaucht. Es ist nicht Wut – Teenage anger –, was die Grundhaltung der Band formt, sondern Verdruss, Abkehr, Melancholie. Die jungen Briten zeigen der Gesellschaft nicht aus luxuriösem Trotz den Mittelfinger, sondern sind mitten in ihr schlicht auf sich allein gestellt. Eine Generation, die kaum mehr Hoffnung hat. Nur die in sich selbst.

Das schöne ‚On Twistes Ground‘ verrät, dass damit auch viel Trauer und verletzte Gefühle einhergehen. Die Gegenreaktion ist das Aufbäumen und die volle Energie, die etwa ‚Don’t Cling To Life‘ entfaltet. In ihrer Tragik und ihrer Abgeklärtheit, vor allem wenn so elegisch wie in ‚Green And Blue‘ oder ‚Slowdance II‘, sind die Songs des Albums geradezu angsteinflößend. Denn es kann kein Zweifel daran bestehen, dass The Murder Capital genau wissen, was sie tun. ‚When I Have Fears‘ ist keine spätpubertäre Koketterie, keine Provokation aus Prinzip. Es ist eine Kampfansage. Die Beschwörung der Apokalypse. Aus der bitteren Überzeugung heraus, dass uns allen heimgezahlt wird, was wir verbockt haben.

THE MURDER CAPITAL – Albumveröffentlichung rückt näher, neues Video

Nach ‚Feeling Fades‘ und ‚Green & Blue‘ veröffentlichen The Muder Capital mit ‚Don’t Cling To Life‘ den dritten Video-Vorboten zu ihrem mit Spannung erwartetem Debütalbum. Selbiges erscheint am 16. August unter dem Titel ‚When I Have Fears‘.    Live kann man The Murder Capital im November erleben:12.11.2019 – Molotow, Hamburg13.11.2019 – Musik & Frieden, Berlin14.11.2019…

The Devil You Know

Über ‚Bimbo‘ sagt Sängerin und Gitarristin Julia Kugel, dass er einer der Songs des neuen Albums sei, die sich quasi von selbst geschrieben haben. Tatsächlich transportiert der Opener eine so unerhörte Leichtigkeit, dass man meinen möchte, es hier mit einem lockerflockigen Frühlingsalbum zu tun zu haben.

Das wäre nun äußerst irritierend, weil untypisch für The Coathangers. Und zum Glück hat sich der erste Eindruck spätestens beim dritten Track verflüchtigt. Nicht dass sie ihn nicht drauf hätten, den Pop-Punk der intelligenten Sorte. Das soll sich mit ‚Memories‘ etwas später noch einmal bestätigen. Aber es ist doch der etwas düstere Post-Punk mit den ausgeprägten No Wave-Elementen, den wir von dem Trio aus Atlanta so gern hören wollen.

Dennoch, mit ihrem sechsten Album ‚The Devil You Know‘ setzt die Band eine Art Zäsur in ihre Diskografie. Der Schreibprozess sollte so offen wie möglich sein, das war die Prämisse. Alter Ballast, festgefahrene Gewohnheiten, Erwartungshaltungen sollten abgeschüttelt, der innere Teufel, den man so gut kennt, bekämpft werden. Tatsächlich merkt man der Platte ihre Ausrichtung nach vorne an. Und der Band ihre Kohärenz. Das meint nicht, dass sie auf einmal geschmeidig geworden wäre. Im Gegenteil, den Großteil des Albums prägt ein kantiger Garage-Sound, der sich seiner Einfachheit nicht schämt und mit seiner Wut nicht hinter’m Berg hält (‚Fuck the NRA!‘). Dabei wissen die drei Musikerinnen hörbei genau, was sie tun. Das macht die einfachsten Rifffolgen (‚5 Farms‘) zu einer stilvollen Angelegenheit. Mit dieser klaren Orientierung kann es mit The Coathangers jetzt gerne ewig so weiter gehen.