Schlagwort: New Age

The Visit – The Definitive Edition

Muß man über „The Visit“ selbst noch Worte verlieren? Eigentlich nicht. Dieses Album ebnete den Weg von Loreena McKennitt zu Weltruhm. Eine folkloristische Künstlerin mit einem starken Drang zur Esoterik war nicht unbedingt die, von der man meinen könnte, sie sei für Weltruhm geschaffen. Zu wenig Popstar, zu wenig offensive Selbstinszenierung. Musikalisch und gesanglich sucht jedoch auch 30 Jahre später die Szene noch ihresgleichen. Zusammen mit Enya hat Loreena McKennitt ein Genre salonfähig gemacht, das üblichweise ein eher außenseiterisches Dasein geführt hat.

Die nun vorliegende „definitive“ Edition zum 30. Geburtstag des Originals ist ein nicht überladenes, aber dennoch feines Hardcover mit 4 CD’s, plus eine fünfte bluray Audio mit hervorragendem Dolby Atmos Sound. Neben dem 2004 remastertem Original von 1991 gibt es noch eine Interview-Disc und eine Disc mit den im Radio übertragenen Live-Konzert-Aufnahmen von 1992 mit einer veränderten Tracklist, die auch Stücke wie „Standing Stones“ enthält sowie ein Livemitschnitt eines Radioauftrittes in Philadelphia, der abwechselnd kürzere Interviewfetzen und solo interpretierte Songs enthält – ein wunderbares Zeugnis amerikanischer Radiokultur (ja! Die gab es! – und gibt es noch…) das als solches fasziniert, zum reinen Hörgenuss allerdings wenig beiträgt. Der schmale Grad zwischen Melancholie, Kitsch, Entrücktheit, Naturverbundenheit und Träumerei, den McKennitt in ihrer Musik so perfektioniert hat funktioniert dann am besten, wenn man sich mit geschlossenen Augen davontragen lässt – und Interviewfragen lassen diese Atmosphäre nicht aufkommen. Beim Abspielen der Live-CD einfach die Interviewantworten ausblenden, dann passt das.

Die vierte Disc enthält einen für (die richtigen) Kopfhörer optimierten 3D-simulierenden Surround-Mix, der durch seine Klarheit und den wirklich allumfassenden Klang die Musik noch einmal auf ein anderes Level hebt – die BinauralHeadphone Version von „Tango for Evora“ nimmt einen nach nicht einmal 2 Sekunden so mit, dass man alles um sich herum vergisst. Neben den Headphone Mixes gibt es noch Soundboard-Trio Aufnahmen aus dem Jahr 2016, auf Wesentliche reduziert, ebenfalls live, ebenfalls herausragend.

Hinzu kommen Textbeiträge von McKennitt selbst und ihren Wegbegleitern sowie Fotodokumentationen und Lyrics.

Daher ist diese Ausgabe ein Pflichtkauf für alle Fans des Genres, dazu ein interessanter Einblick für Leute, denen sie noch kein Begriff ist ( sollte es das geben…).  

Da Loreena McKennitt im Augenblick musikalisch kürzer tritt, um politisch aktiv zu sein kann man sich über dieses wunderschöne Stück Erinnerung freuen und hoffen, dass die Zeit der musikalischen Abstinenz nicht zu lang währen möge.

https://loreenamckennitt.com/

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Empath

Devin Townsend lebt seit seit seinem Einstieg ins Profibusiness in einer andauernden Serie von Existenzkrisen. So unschön das für ihn selbst ist, als Fan zieht man dank der daraus resultierenden Alben einen enormen Nutzen. Mit dem neuen Album „Empath“ kündigt Townsend nun – nicht zum ersten Mal – einen Neustart an. Seine bisherige Karriere war immer von einer gewissen Dualität bestimmt – die hasserfüllten Alben von Strapping Young Lad entstanden zeitgleich mit positiv gestimmten Werken wie „Ocean Machine“ oder „Synchestra“, dem chaotischen „Deconstruction“ stellte er das New-Age-lastige „Ghost“ entgegen, das spaßig-überdrehte Metal-Musical „Dark Matters“ erschien gar als Doppel-CD mit seinem melancholischen Gegenstück „Sky Blue“. Auf „Empath“ soll nun alles Eins werden – die dunkle Seite soll nun mit der hellen Seite verschmelzen und im Endstadium eine Welt erschaffen, in der die bösen Monster und die friedlichen Lebewesen in Balance miteinander koexistieren. So Devins im Vorfeld verkündeter Plan.

Wem das schon zu esoterisch klingt, der sollte bei „Empath“ sofort Reißaus nehmen. Denn im Vergleich zu diesem Album agieren sowohl Neal Morse als auch Watain außerordentlich subtil mit ihren spirituellen Botschaften. Ein „vergeistigteres“ Album muss man im Pop-/Rock-Sektor wirklich lange suchen – und das ist nicht einmal negativ gemeint, sondern, wie das Statement von Devin, einfach eine Realität von „Empath“. Um diese Botschaft adäquat umzusetzen, bedient sich Devin aller möglichen Stilelemente, die er in seiner Karriere ausprobiert hat. Metal, Prog, sakral klingende Chormusik, New Age, Industrial, Pop, Musical, Country, Klassik, Avantgarde, Stadionrock, Elektronik, Atonales, Kinderlieder, erstmals sogar ein wenig Reggae – wirklich alles wird diesmal durch den Mixer gejagt und oft im selben Song verwurstet. Mal wähnt man sich klanglich wieder zurück in der ‚rainy season‘, mal gibt es Geräuschkulissen wie im „Devlab“, mal bestaunt man die Schönheit der Natur wie auf „Terria“, mal sieht man den körperlosen „Ghost“ über Allem schweben und schlußendlich wird das Meiste wieder in den modernen Metal, das „new black“ geschleudert. Die Songstrukturen sind deshalb alles Andere als einfach und leicht nachvollziehbar geraten – stilistisch am nächsten ist „Empath“ wohl, auch wegen des dominierenden Orchesters, dem legendär verfrickelten 2007er „Deconstruction“-Werk. Im Vergleich zu „Deconstruction“ findet man aber aufgrund vieler hochmelodischer Gesangslinien zu „Empath“ weit leichter Zugang, und auch der Sound wirkt trotz höchstmöglichem Bombast weniger überladen. Die opulenten Orchester- und Chorarrangements gehen diesmal eindeutig zu Lasten der nur in der zweiten Reihe agierenden Gitarren, und die früher so prägnanten Synthiewände fehlen fast völlig. Das ist ungewöhnlich und klingt für die Metal-Fraktion vordergründig vielleicht sogar negativ, ist aber exakt das Richtige für die Songs und läßt „Empath“ weit weniger stressig als das erwähnte „Deconstruction“ wirken. Einziger Kritikpunkt: die Vocals vergräbt Devin wie auf den Vorgängern leider wieder unter einer Tonne an Chören. Sehr schade, denn ich würde wirklich gerne mal wieder den wie immer ehrfurchtgebietenden Ausnahme-Gesang so im Vordergrund stehend hören wie zuletzt auf „Epicloud“ der Fall war.

Das Einzige, was man auf „Empath“ wirklich nicht findet, ist greifbare Aggression. Selbst in den brutalsten, mit Deathgrunts versehenen Double-Bass-Attacken des Strapping-Young-Lad-mäßigen ‚Hear Me‘ oder den Blastbeat-Eruptionen in ‚Singularity‘ steht ein durchweg positives Feeling im Vordergrund, und darüber schwebt Devin im Schneidersitz als Ober-Buddha, der jedem die Message von Selbstliebe, Balance und Frieden bringt – auch wenn er sie mal schreien muss. Das führt leider dazu, dass das geplante Taiji des Albums doch unvollständig bleibt. Auch der lange Jahre typische Townsend-Humor fehlt leider wie schon auf „Sky Blue“ und „Transcendence“ fast komplett, aber daran hat man sich ja mittlerweile schon ein wenig gewöhnt. Somit sieht sich der Schreiber dieser Zeilen in der ungewöhnlichen Lage, an einem musikalisch unfassbar abwechslungsreichen Album ausgerechnet fehlende Abwechslung – nämlich in Sachen Atmosphäre – zu kritisieren. Vielleicht ist „Empath“ aber mit 74 Minute Spielzeit auch einfach ein klein wenig zu lang ausgefallen. An dem Punkt, wo der Albumhöhepunkt ‚Singularity‘ noch einmal für 23 Minuten alle Register zieht, hat man wohl selbst als „trainierter“ Prog-Fan bei den ersten zehn Durchgängen bereits seine Aufmerksamkeitsspanne überschritten. Allerdings fällt mir beim besten Willen nicht ein, was man an welcher Stelle des Albums kürzen oder weglassen könnte – die ersten 51 Minuten fließen vollkommen organisch und funktionieren wohl auch nur synergetisch, und auch das dem folgende ‚Singularity‘ ist quasi in seiner Edelgaskonfiguration angekommen. Anders ausgedrückt: Et iss, wie et iss.

Wo „Empath“ auf Dauer im Vergleich mit Klassikern wie „City“, „Ocean Machine“, „Casualties Of Cool“ oder „Epicloud“ einzusortieren ist, bleibt abzuwarten und ist wohl frühestens in ein paar Jahren zu beurteilen. Die vergleichsweise schwachen „Sky Blue“ und „Transcendence“ (bei dem die Demo-Bonus-Disc mehr Spaß machte als das eigentliche Album) macht es aber ohne Frage vergessen, und auch ohne Dauertest ist „Empath“ definitiv eines von Devins interessantesten Alben geworden. Und das ist, wie Kenner seines Backkataloges bestätigen werden, auch schon mal ’ne ganze Menge wert…

Il Risveglio Del Principe

Die italienische Band Celeste hat 1976 ihr einziges offizielles Album veröffentlicht, das aufgrund seiner Rarität und der daraus resultierenden Obskurität unter Italo-Prog-Fans einen enormen Kultstatus erreichen konnte. Nach zwei Archivveröffentlichungen hat Keyboarder Ciro Perrino nun mit einer komplett neuen Mannschaft den Bandnamen wiederbelebt und mit „Il Risveglio Del Principe“ ein neues Album vorgelegt.

Nun ist dem Klischee nach der italienische Prog – und die bisherigen Veröffentlichung von Celeste im Speziellen – nicht für exzessive Rock-Attitude bekannt, aber „Il Risveglio Del Principe“ dürfte selbst den entspanntesten Prog-Freunden ein wenig ZU pastoral und harmonieverliebt sein. Viel Mellotron, Flöte und Akustikgitarre sorgen für ein grundsätzlich sympathisch-organisches Klangbild, aber um ehrlich zu sein hat das Endergebnis mit Progressive Rock oder auch nur Popmusik trotzdem nicht viel zu tun. Tendenziell kein Problem, ein Anthony Phillips schafft es auch, mit durchweg ruhiger und unaufgeregter Musik ohne Rock/Pop-Elemente progressive Meisterwerke zu erschaffen. In dieser Liga spielen Celeste aber leider nicht, weder qualitativ noch stilistisch. Unkonventionelle Songstrukturen, komplexe Arrangements, atmosphärische Wechsel oder verzwirbelte Melodielinien gibt es hier nämlich nicht zu hören. Jeder einzelne Song folgt relativ simplen Harmonien, die Soli sind allesamt eher auf Schönklang gebürstet und die (wenigen) Vocals bedienen leider auch noch alle Italo-Schlager-Klischees. Von „RPI“-Schwergewichten wie PFM, Banco oder Le Orme sind die flachen Melodielinien von „Il Risveglio Del Principe“ meilenweit entfernt. Das bedeutet leider unterm Strich, dass Celeste in ihrer aktuellen Inkarnation eher nach entspannter Fahrstuhlmusik zwischen Easy-Listening-Jazz und Kreuzfahrtreisendokumentations-Soundtrack klingen als nach einer legendären Symphonic-Prog-Band.

Das macht es nun auch schwer, das Album irgendeiner Zielgruppe zu empfehlen. Wer Musik sucht, um Opas Diashow vom Sizilien-Urlaub 1977 zu digitalisieren oder wem Anthony Phillips immer noch zu kantig komponiert, findet hier vermutlich das perfekte Album. Der durchschnittliche Whiskey-Soda-Leser wird aber hiermit nichts anfangen können – genau wie der Rezensent. Zu beziehen bei den Import-Spezis von Just For Kicks.

To Wake A Dream In Moving Water

Mal wieder stehe ich vor dem Album einer Band, die bereits seit Jahren aktiv ist, mir aber bislang nicht einmal namentlich begegnet ist. Offenbar sind Echo Us ein Ableger von Greyhaven, die ich zumindest dem Namen nach (immerhin…) kenne. Das spricht entweder dafür, daß ich viel zu wenig mitkriege – oder, positiver gedacht, daß der Prog-Underground in den letzten Jahren ein höchst robustes und gesundes Eigenleben entwickelt hat, das eine längst nicht mehr zu zählende, aber offenbar funktionierende Schar an Bands trägt.

Echo Us präsentieren auf „To Wake A Dream In Moving Water“, ihrem dritten Album, Synthie-getragene, nun ja, New-Age-Mucke mit keltischen Einflüssen und ein paar Prog-Farbklecksen. Die Frühachtziger-Scheiben von Kitaro hört man da ein wenig heraus, beispielsweise bei ‚May Moring Dew‘, auch wenn der fernöstliche Klangcharacter dem erwähnten keltischen Einfluss weicht. Bei den Gesangspassagen erinnert das Ganze auch gerne mal an Clannad (‚Begin To Remember v1‘). Vor allem hört man aber sehr deutlich auch den Mike Oldfield der Mitt- bis Spätneunziger, der Alben wie „Tubular Bells III“ und insbesondere das ebenfalls keltisch inspirierte „Voyager“ veröffentlichte. Im fünfzehnminütigen ‚From The Highlands‘ wird ab 8:54 gar ausgiebig ‚Taurus‘ von Oldfields „Q.E.2“ „Tribut gezollt“ (beziehungsweise abgekupfert – je nach Sympathielevel). Ähnliches hat ja auch Magenta-Boss Robert Reed mit seinen „Sanctuary„-Alben gemacht, doch im Direktvergleich kleben Echo Us weniger an den „originalen“ Oldfield-Sounds. Doch, und das ist das große Manko der tendenziell durchaus gefälligen Scheibe, einen Originalitätspreis gewinnen Echo Us mit diesem Album auf keinen Fall. Man muss schon damit umgehen können, daß hier von Tangerine Dream, Schiller, Oldfield oder eben Kitaro bekannte Elemente und Sounds den Ton angeben und ein origineller, die Band definierender Stil eigentlich nicht wirklich zu erkennen ist.

Dennoch, da Album geht als leckere Zwischendurchmahlzeit allemal in Ordnung. Für Rockfans haben Echo Us freilich eher wenig Relevanz, wer aber auf die oben genannten Acts kann, sollte hier definitiv einmal eine Hörprobe wagen. Beziehen könnt Ihr die Scheibe im Webshop von Just For Kicks.