Schlagwort: Fuzz Rock

Wrestler

No one knows, what the fuzz is about
but it’s wrestling time.

Beim Fuzz in Darbietung von The Entrepreneurs geht es ziemlich eindeutig um vergangene Zeiten. Und/oder um eine Parallelwelt. In dieser heutigen jedenfalls wollen sie sich nicht so richtig einpassen. Was wiederum immer ein guter Ansatz für Rockmusik ist. Allein darum ist „Wrestler“ (Crunchy Frog) sehr willkommen. Und auch wegen seiner musikalischen Ideen.

What’s so fucking strange about my idea?

Eben gar nicht so viel. The Entrepreneurs sind bei Weitem nicht die ersten, die gemischte und womöglich irritierende Gefühle in Songs verpacken. Man würde sie nur weder im kühlen Dänemark, noch in der zweites-Album-Bandphase verorten. Akustisch passen sie besser in den Nordwesten der USA. Es ist aber North Carolina, wo die drei Dänen einige Zeit verbracht und auch Songs für „Wrestler“ aufgenommen haben.

Die klingen häufig nach einer in den 1990ern verlebten Jugend. Das kommt bei den drei jungen Herren wohl nicht ganz hin, daher Hut ab vor so viel authentischem Bezug. Sehr überzeugend jedenfalls ist die betont desinteressierte und entrückte Attitüde des Albums. The Entrepreneurs driften gern ab und schaffen oft eine etwas umnebelte Atmosphäre. Dabei entsteht mal eine Art Space-Rock, mal ist alles sehr grungig. In einem Moment gibt sich die Band schmeichelnd, im nächsten dann wieder schroff.

Don’t hate me just because I hate you.

Chapeau! Spätestens damit dürfte klar sein, dass The Entrepreneurs auf keinen Fall irgendeinem Trend hinterherlaufen. Eher introvertiert, schaffen sie sich ihr eigenes fuzziges Universum. Das ist alles andere als leicht durchschaubar – allein schon deshalb, weil viel mit Stimmverzerrern gearbeitet wird. Von den asymmetrischen und abrupten Songstrukturen ganz zu schweigen.

„Wrestler“ ist ein bisschen psychedelisch, etwas krautig und bisweilen avantgardistisch. Es ist aus der Zeit gefallen, aber definitiv nicht langweilig – wie ein Regenbogen, bunt und surreal.


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Backseat

Oumuamua

Im Oktober 2017 wurde das erste als „interstellar“ klassifizierte Objekt „Oumuamua“ in unserem Sonnensystem entdeckt, das inzwischen als Komet eingestuft worden ist. Der zigarrenförmige Himmelskörper wurde anfangs hektisch sogar für ein außerirdisches Raumschiff gehalten.

Im August 2020 klassifizieren wir den vierten Longplayer „Oumuamua“ (Noisolution) des Dortmunder Trios Daily Thompson als beinahe außerirdisches Objekt, das mit psychedelischen Tönen und starken, genreübergreifenden Sounds nicht nur das Sonnensystem durchquert, sondern direkt bei uns landet. Alle Freunde des psychedelischen Space- und Noiserock, aber auch Fuzzer, Stoner, Desert Blueser und Hardrocker sollten sich wartend bereitstellen, wenn „Oumuamua“ mit einem Donnern niedergeht. Nach drei Alben sind Daily Thompson in der Stoner-Szene keine Unbekannten mehr und haben bereits viel Lob einstecken können. Warum das so ist, zeigen sie wieder eindrucksvoll mit der neuen Platte.

Dabei geht das nach dem britischen Zehnkämpfer Daily Thompson benannte Trio durchaus minimalistisch vor und überrascht gerade deswegen mit einem dichten Soundgewebe. Gitarrist Danny Zaremba und Bassistin Mercedes Lalakakis teilen sich die Vocals, was immer wieder für Abwechslung und Spannung sorgt. Dazu gibt es tighte Drums von Matthias Glass – fertig ist die elektrisierende, groovende Mischung, die manchmal an Kyuss oder Monster Magnet erinnert, aber unterm Strich doch einfach nur nach Daily Thompson klingt.  Fuzz, WahWah, Distortion ohne Ende, Soundwände, hin und wieder auch akustische Parts wie auf ‚Half Thompson‘ oder im letzten Track ‚River Of A Ghost‘ – großes Ohrenkino.

Die beiden Longtracks ‚She’s So Cold‘ und ‚Cosmic Cigar (Oumuamua)‘ bleiben trotz jeweils über zehn Minuten Spielzeit abwechslungsreich und nehmen den Hörer gefangen auf einer groovenden Reise ins tiefe Innere und in ferne Welten. Stampfende Beats bei ‚Sad Frank‘ und spacige Samples im Titeltrack und beim schon erwähnten ‚River Of A Ghost‘ setzen genau die richtigen Akzente in einem sehr starken Album, mit dem Daily Thompson weitere große Schritte nach vorne machen und sich etablieren als eine wichtige und nicht zu unterschätzende Band der Psychedelic- und Stoner-Szene.

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Deuce Ex Machina

Pabst hatten vielleicht eine der schönsten Ideen, mit dem ausfallenden Festivalsommer umzugehen. Sie haben sich mit jedem einzelnen Song ihrer neuen Platte „Deuce Ex Machina“ (Ketchup Tracks) und per Green Screen auf verschiedene Festivalbühnen gebeamt. Man kann wehleidig werden, wenn man sich den „PABST’s Virtual Festival Summer“ anschaut. Oder – besser – halt einfach abrocken, als gäbe es kein Morgen mehr.

Denn das ist die eigentliche Mission der Band aus Berlin, und die verfolgt sie auch mit ihrem zweiten Album fast orthodox. Übertreibung? Da reicht es, in den Opener reinzuhören. „Machina“ klingt so gar nicht nach Maschine, sondern nach guter alter Handarbeit, nach Blut, Schweiß und Tränen. Die Spezialität des Trios sind erdige Rocktöne, die gerne noch aus der analogen Zeit vor 50 Jahren stammen könnten. Allerdings, wenn der Song zur Mitte hin an Tempo zunimmt, kommen auch Pabst auch im 21. Jahrhundert an. Mit „Ibuprofen“ sollten auch die partyerprobten Kids von heute was anfangen können.

Überhaupt trifft die Band zwischen den Zeilen und in ihren Videos die Ästhetik ihrer Generation Y. Zur Musik ihrer Eltern vermitteln sie uns ein Gefühl zwischen Allwissen, Fatalismus, Verlorensein, Alles-zu-verlieren-haben, Provokation und konsequentem Grenzenüberschreiten „Throw me away, all over the place / I’m useless scum“ oder „This city is no place for losers like us / This city’s got no skyline“ – sind das Hilferufe oder Posen?

Wirklich entscheiden müssen sich weder die Band, noch die Hörer. Mit „Deuce Ex Machina“ kann man sich dank fuzzigen und wüstigen Tunes erden lassen. Oder auf leicht psychedelischen und noisigen Lo-fi-Klängen abheben. Pabst lieben Gitarren und mehr noch, wissen damit umzugehen. Das Produktionstalent trägt sein Übriges dazu bei, Seventies-Rock, Grunge und das Timbre der Millennials in ein funktionierendes Ganzes zu fügen.

Vom verträumten „Wish.Com“ versöhnlich gestimmt, lässt sich als Fazit feststellen: Ist doch schön, wenn sich hier die Generationen treffen – und verstehen. Noch schöner ist, dass Pabst nicht im Überangebot und Mittelmaß der heutigen Zeit untergehen. Wem sich „Deuce Ex Machina“ nicht dauerhaft in Hirn und Herz einnistet (was sehr unwahrscheinlich ist), bei dem macht es mindestens einen mächtigen Eindruck.

 

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