Schlagwort: 70ies

5 Years Behind

Dass New York ein ziemlich gutes Pflaster für Punk-Bands ist, weiß der geneigte Musik-Nerd spätestens seit den Ramones und Blondie. THICK, ein all-female Trio, das die Kunst von massivem Angepisst-Sein bei gleichzeitig vorgetäuschter Niedlichkeit perfekt beherrscht, tritt mit seinem Debut „5 Years Behind“ (Epithaph) nun in diese namhaften Fußstapfen – und macht ihnen alle Ehre.

Wer Produzent Joel Hamilton im Rücken hat, kann allerdings schwerlich sein Erstlingswerk verkacken. Schließlich hat besagter Herr Hamilton bereits der unzerstörbaren Punk-Legende Iggy Pop unter die Arme gegriffen. Kein Wunder also, dass der Sound von THICK ein angenehm ruppiges 70s-Feeling verbreitet. Warum sollte man, respektive frau, schrammelig-jaulende Garage-Riffs auch einer Botox-Behandlung unterziehen und die Drumsticks mit Wattepuscheln bestücken? Schließlich macht laut und rotzig zu sein deutlich mehr Laune, und seinen Frust loszuwerden ist eh die beste Falten-Prophylaxe. Weezer und Rotten Mind wären stolz auf ihre ungehobelten Schwestern aus Brooklyn.

Die haben allerdings keinen gesteigerten Bock darauf, sich von Männern die Welt erklären zu lassen oder gar als Teil eines Girl-Band-Hypes wahrgenommen zu werden. Das machen THICK in „Mansplain“ mehr als deutlich: Zuckersüß und gleichzeitig maximal gelangweilt verbellt das Trio feminale allzu belehrungsfreudige Vertreter des anderen Geschlechts – mehrstimmig in bester 60s-Girl-Band-Tradition. Ein bisschen Hommage an die Wegbereiterinnen muss und darf schließlich sein.

Doch THICK können nicht nur böse. Der Titeltrack „5 Years Behind“ hadert mit den Etappen, die frau angeblich bis Alter X erreicht haben soll – wobei sie eigentlich nur scheitern kann, wenn sie ohnehin nicht ins gesellschaftliche Raster passt. Deswegen: kurz durchatmen im Low-Tempo-Refrain, von Track zwei bis zehn das Gaspedal durchtreten und zum Ausklang der Platte runter mit den Klamotten und „Party With Me“! Mit Lichtgeschwindigkeit klöppeln und schrammeln sich die Chicks durchs New Yorker Nachtleben und reißen jeden mit, der bei drei nicht in der nächsten Kaschemme untergetaucht ist.

„5 Years Behind“ von THICK ist das fulminante Debüt einer Girl-Punk-Band, die zwar keine Girl-Band sein will, sich allerdings ganz gewiss nicht hinter den Riot-Grrrls der 90er verstecken muss. Die drei Ladies leben das Motto „Girls to the front!“ auf ganzer Linie. Wer Nikki Sisti, Kate Black und Shari Page zähmen will, sollte sich eines Besseren besinnen und es lieber lassen. Oder die Beine in die Hand nehmen.

Bandhomepage

THICK bei Facebook

THICK bei Instagram

 

MOTHER TONGUE – Debütalbum auf Vinyl und neue Tour

Für Fans der kalifornischen Alternative-Rock-Band Mother Tongue haben wir guten Nachrichten. Nicht nur, dass die Truppe mit ihrem blueslastigen, an Jimi Hendrix und Led Zeppelin erinnernden Sound, in Kürze zu uns auf Tour kommt – das selbstbetitelte Debütalbum von 1994 wird außerdem bald zum allerersten Mal auf Vinyl verfügbar sein. Das Debütalbum war bereits 2004…

Love

Nicht verwechseln: Die Liebe ist zwar oftmals rot, und Waldemar ist ein deutscher Vorname, aber hier bekommt diese Liebe schon auf dem Cover mit den vielen Kreuzen einen irritierenden Beigeschmack. Waldemar ist der Nachname des norwegischen Künstlers, der mit „Love“ (Jansen Records  / Noisolution ) seinen dritten Longplayer veröffentlicht.

Torgeir Waldemar, groß und bärtig, sieht vielleicht aus wie der Frontmann einer norwegischen Black Metal-Kapelle, ist aber Singer / Songwriter und liefert entspannten Folkrock mit US-Westcoast-Einflüssen, Americana-Attitüden und einer Prise 70er-Rock ab. Fünf Songs sowie ein Intro und zwei „Interludes“ finden sich auf „Love“, das musikalisch eine Mischung aus dem melancholischen, ruhigen Erstling von 2014 und dem 2017er „No Offending Borders“ ist, auf dem es lauter und ziemlich fuzzy zuging. So lädt der Opener ‚Leaf In The Wind‘ den geneigten Folkrocker zum eleganten Schunkeln ein, während ‚Heart And Gold‘ musikalisch der Sprung aus den Fjorden über den großen Teich gelingt und mit countrylastigem Americana-Rock wohlig überzeugen kann. Wer The Band oder Neil Young mag, fühlt sich hier gut aufgehoben.

Ganz egal ob Folk, Rock oder Country: Allen Tracks gemein ist die hohe Qualität des Songwritings sowie das hörbare Herzblut, das in die Interpretation geflossen ist. Waldemar wird gegen Ende sogar experimentell, wenn er im viertelstündigen Longtrack ‚Black Ocean‘ fast schon psychedelisch-progressiv zu Werke geht. Wabernde, simple Rhythmusfiguren steigern sich hier zu einem letzten spektakulären Song, der einen passenden Schlusspunkt für ein großartiges Album setzt.

So klingt es also, wenn ein Norweger amerikanischen Southern-Folk spielt: ausgezeichnet. Für Genrefans liefert Torgeir Waldemar schon nach zwei Wochen des neuen Jahres ein kleines Highlight ab, das wir hiermit gerne weiterempfehlen.

Einen Song aus dem neuen Album gibt es leider derzeit nicht als Video, aber hier ist ein neuer Clip zu einem alten Song:

Torgeir Waldemar bei Facebook

Tied Up In Red

Ist es Hardrock? Ist es Alternative Rock? Retro? Stoner? So richtig einordnen lässt sich die Musik nicht, und das ist ja auch gut so. Fuzz, 70er Vibe,groovender Jam und knackige Riffs verschmelzen bei der Schweizer Truppe Bell Baronets zu einem stimmigen Mix, der es wahrlich in sich hat.

„Tied Up In Red“ (Irascible Music) ist das zweite Album der selbstbewussten Schweizer Band, die in zwei intensiven Konzertjahren viel Liveerfahrung gesammelt hat. Das zeigt sich deutlich, ist das zweite Album der Band doch eine wahrlich runde Sache geworden. Fans von fuzzigen Gitarrensounds sollten unbedingt mal in ‚It’s Not Because Of You‘ reinhören. Eine leichte Stoner-Attitüde gehört dazu, aber macht eben nur einen kleinen Teil des Gesamtpaketes aus. ‚Gold In Them Hills‘ ist ein weiteres Highlight, das mit leicht schleppendem Groove sofort ins Ohr geht. Mehrfach fühlt man sich an Größen wie The White Stripes erinnert. Kompliment dafür!

Die Band dürfte außerhalb ihrer Heimat noch relativ unbekannt sein. Das wird sich mit „Tied Up In Red“ hoffentlich ändern, denn verdient haben es die Jungs auf jeden Fall. Sie liefern abwechslungsreichen Grooverock, von dem man sehr gerne mehr hören möchte.

 

Offizielle Facebookseite

Irascible Music

Club Majesty

Wer das Disco Inferno der 70er Jahre qua leicht verspäteter Geburt nicht live miterleben konnte hat nun die Gelegenheit, dem mutmaßlichen Revival beizuwohnen: Royal Republic graben die Glitzer-Jacketts und Disco-Kugeln aus, um auf ihrem neuen Album ‚Club Majesty‘ (Nuclear Blast) den schillernden Rausch einer durchtanzten Nacht exzessiv zu feiern.

Akustisch mutet das Ganze so an, als hätten Franz Ferdinand im Duracell-Häschen-Modus fatalerweise einen Dance Battle mit Howlin‘ Pelle Almqvist von The Hives angezettelt. Klingt abgefahren, ist es auch, aber auf die allerbeste Art und Weise. Royal Republic übertreiben es mit den Anleihen aus Glamrock – The Sweet lassen bei ‚Like A Lover Like You‘ lieb grüßen – und Disco dermaßen, dass es schon wieder cool ist. Und zwar saucool.

Die vier Schweden feiern Boogie Nights und Disco Lights (‚Can’t Fight The Disco‘) und besingen mehr als einmal die erotischen Spannungen zwischen Männlein und Weiblein, so zu hören im frech-frivolen ‚Under Cover‘ oder im 80er-verliebten ‚Anna Leigh‘. Dabei beherrschen sie die Klaviatur des Indierock ebenso meisterlich wie die eingängigen Beats der 70er. Royal Republic kreieren einen schweißtreibenden musikalischen Bastard, der die Hörerschaft nach allen Regeln der Kunst durch die Mangel dreht und am Ende mit Verachtung auskotzt – nur, damit man sich für diese Tour de Force auch noch demütig und beseelt bedankt.

Ausflippen, abgehen, den inneren John Travolta gepflegt von der Leine lassen – dafür ist ‚Club Majesty‘ der perfekte Soundtrack. Anspruchsvolle Gemüter sollten besser einen Bogen um die Scheibe machen, denn Intellektuelles oder Politisches haben Royal Republic nicht auf der Agenda, Hedonismus ist die Direktive. Bis die Glitzer-Jacketts vor lauter Extase in Fetzen am Leib hängen.

https://www.royalrepublic.net/

www.nuclearblast.de

www.starkult.de