Schlagwort: 70s Rock

Hurricanes And Halos

Avatarium sollten mittlerweile jedem Freund anspruchsvollerem Metals ein Begriff sein. Mit „Hurricanes And Halos“ veröffentlichen die Schweden ihr drittes Album und festigen ihre Position als eines der spannenderen Projekte die es im Augenblick gibt.

Grundsätzlich ist das eher doomig, düster und typisch schwedisch. Wenn da nur nicht diese Stimme wäre…. Der Gesang von Jennie-Ann Smith ist das Beste, was es an der Female-Fronted-Front im Augenblick gibt. Eigentlich sollten Avatarium mal einen Titelsong für einen James Bond- Film komponieren, oder zumindest mal irgendetwas von Shirley Bassey covern. Smiths Stimme ist so druckvoll und hat sowohl Charakterzüge von Rock und Röhre als auch von einfühlsamen (aber klar nicht-elbischem) Frauengesang. Dazu fühlt sie sich ersichtlich wohl, wenn die Musik gen Siebziger kippt – und das tut sie häufig und auf allerhöchstem Niveau.

Die Songs sind mitreißend, grandios durchkomponiert (Leif Edling…natürlich…) stellenweise wunderschön (das überragende „The Starless Sleep“). In kaum einer anderen Band, die sich daran versucht ist die Hammondorgel so perfekt integriert und genutzt wie bei Avatarium. Der Vorgänger „The Girl With The Raven Mask“ war schon ein Highlight der schönen, anspruchsvollen und düsteren Kunst. „Hurricanes And Halos“ steht diesem in nichts nach, im Gegenteil. Der strategische Aufbau des Albums mag zwar konzeptuell ähnlich sein, die Songs selbst sind aber allesamt noch ausgefallener, noch etwas bekiffter, aber auch mit noch mehr Drive. Tracks wie „Road To Jerusalem“ schaffen es sofort, den Hörer einzufangen und das zu vermitteln was sie aussagen möchten. Die Percussion ist hypnotisch, orientalisch. Vertracktere, progressive Konstrukte gab es in der Bandgeschichte schon immer, und mit „Medusa Child“ geht es natürlich auch auf „Hurricanes And Halos“ mal sperriger zu.

Ansonsten greifen sich Avatarium so ziemlich bei jedem Genre die Sahne vom Kuchen, auch wenn der Fokus klar auf dem psychdelischen Doomrock der Siebziger liegt. Klar, das ist gerade mächtig en vogue, aber Avatarium haben eine eigene Spielart. Sie sind eine moderne Doom Metal-Band die in ihren originellen Sound jede Menge Psychedelik verpackt und nicht einfach nur versucht „zu klingen wie“.

Dadurch hebt man sich von der Masse der lediglich die Siebziger kopierenden Bands massiv ab.

Ein origineller Sound, mitreißende Songs, eine fantastische Sängerin und Instrumentalisten auf der Höhe ihres Schaffens. Mehr geht nicht.

The Girl With The Raven Mask

Wenn ein Musiker über sein neues Album sagt, dass es nahe dran an Perfektion sei und dass, wenn man ein perfektes Album fände, man ihn erschießen dürfte, dann gibt es nicht so viele Kandidaten im Metalzirkus, die hinter dieser Äußerung stehen könnten. Da wären zwar schon ein paar Kandidaten, die sich für die Allergrößten halten, aber gerade über Leif Edling halten sich hartnäckig Stories, insbesondere in Bezug auf Candlemass.

Nun, Leif Edling hat eine neue Band – Avatarium –, und seine Aussage bezieht sich auf das Debütalbum „The Girl With The Raven Mask“. Wenn es denn stimmt, dann darf man solche Sprüche klopfen (auch wenn es nicht unbedingt sein müsste …), und bei Avatariums Debüt trifft es (leider? zum Glück?) voll und ganz zu.

Wenn man nicht weiß, dass der ehemalige Candlemass-Bassist hier am Start ist, dann fragt man sich zunächst, woher einem dieser Stil bekannt vorkommt. Der rauchig-kratzige Bass und insbesondere die Melodien des Gesangs ähneln Candlemass sehr. Da aber kein tiefes Geknödel vom Messias den Sound bestimmt, sondern die wirklich hervorragende Rock-Röhre von Frau Smith, verbieten sich Vergleiche sofort. Außerdem ist die Musik weit weniger schwer, poppiger, stellenweise gar seicht („Iron Mule“), aber immer voller Energie und Enthusiasmus. Hier werden 70er Psychedelic-Helden (was eine Orgel … herrlich!) mit Doom, Pop und klassischem melodischen 80er-Jahre-Female-Fronted Metal vermengt, dass es eine Freude ist.

Die Balance zwischen Klischee und unbändiger Spielfreude ist fantastisch. Der Titeltrack steht ganz oben auf der Liste der eingängsten Stücke des Jahres und ist ein absoluter Volltreffer. Das ziemlich schnelle Stück verfügt über einen Drive der wirklich mitreißenden Sorte, aber auch die langsameren Stücke, die fast komplett im Doom angesiedelt sind überraschen wirklich, so wie beispielsweise „The January Sea“, das mit sperriger James-Bond-Titeltrack-artiger Theatralik überzeugt. Mit „Pearls And Coffins“ besucht man staubige Straßen im Südwesten der USA und begegnet dort dem Blues (und Jon Bon Jovi). Bei „Run Killer Run“ geht es noch mal in die Melodic-Metal-Vollen vom Feinsten. Auch „The Master Thief“ lebt die Symbiose von Blues und 70er Doom in absoluter Perfektion. Was für ein Album!
Doro, Lee Aaron, ihr könnt gepflegt in Rente gehen: Mr. Edling und Mrs. Smith sind das neue musikalische Traumpaar. Dass Lars Sköld, Stammdrummer von Tiamat, auch noch mitmischt, macht die Sache umso besser.

Avatarium haben hier mit ihrem ein – ich zitiere –

„Album nahe an Perfektion“

herausgehauen. Ja! Noch eine (im gröbsten Sinne) Doom-Scheibe im Jahr 2015, die nicht in Vergessenheit geraten wird. Ganz groß.