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Trippin‘ With Dr. Faustus

Amplifier sind der typische Fall von Kritikerlieblingen, die sich für die Lorbeeren von der schreibenden Zunft aber bislang noch keine Ferraris kaufen konnten. Immerhin haben die Jungs aus Manchester sich eine kleine, aber treue Fangemeinde aufgebaut, die ihre Mischung aus Alternative, Prog, Britpop, einem Schuss Metal und viel Sixties-Psychedelia zu schätzen weiß und die Band fast kultisch verehrt.

Ich lehne mich jetzt einmal ein wenig aus dem Fenster und behaupte, daß Amplifier auch mit „Trippin‘ With Dr. Faustus“ nicht den Sprung in den Mainstream schaffen werden. An der Qualität des Gebotenen liegt es freilich nicht. Sel Balamir verfügt über eine Stimme mit hohem Wiedererkennungswert und ist mit Steve Durose (Oceansize) auch für die zwischen Syd Barrett, John Squire und Tony Iommi balancierende Gitarrenarbeit zuständig, die Gesangslinien sind auch in den schrägsten Momenten immer wunderbar ohrenfreundlich und nichts, aber auch gar nichts wirkt hier gekünstelt oder aufgesetzt. Alles fließt wunderbar organisch und verbreitet darüber hinaus trotz der immer präsenten, leichten Melancholie schlicht und einfach gute Laune, auch, weil die Band sich nicht allzu ernst nimmt. Selbst, wenn in ‚Silvio‘ Goethes Faust als Inspiration zitiert wird, was eigentlich ja die ultimate Prätention darstellt, wird das klassische Werk als Basis für eine ätzende Satire auf den italienischen Proto-Trump Silvio Berlusconi genutzt.

Also, warum wird der moderne Rockhörer einmal mehr Amplifier ignorieren? Nun, Indie-Hipstern geht genau dieses Sich-selbst-nicht-ernst-nehmen auf den Keks, denn, was ironisch ist und was nicht, entscheidet die Szene, nicht der Künstler. Den modernen Proggern ist das alles zu launig und positiv, und außerdem ist kein Zehnminuten-Song drauf (‚Freakzone‘ schafft es aber immerhin auf Achteinhalb). Bleibt also der Normalo-Hörer, und dem wird die Mischung zu wenig stromlinienförmig sein. Somit wird der Fanclub einmal mehr zurecht vor Begeisterung steilgehen, der Rest der Welt hingegen wird’s einmal mehr nicht mitbekommen oder nicht verstehen. „Trippin‘ With Dr. Faustus“ klingt, als ob Amplifier damit aber wunderbar leben können – das hier ist der Sound einer Band, die mit sich selbst im Reinen ist. Nicht nur, aber auch deshalb: einfach wunderbar.

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