Schlagwort: Folkrock

White Water

Manchester ist seit jeher Ansammlungsbecken für legendäre Indie-Bands, inklusive Frontmännern mit Hang zur Dramatik. Industriestadtflair, nie aufhörender Regen und die Verschreibung zur verträumten Romantik prägen den Musikstil seit geraumer Zeit. Denkt man also an Manchester, denkt man The Smiths, Joy Division, Oasis oder Eskapaden, neue Musikstile und extravagante Abgänge. Viel interessanter ist aber eigentlich das, was sich im Schatten der Insel-Lieblinge platziert hat. Dort machen es sich eher Bands wie I Am Kloot gemütlich. Bescheiden, unglaublich talentiert und auf der zweiten Bank sitzengeblieben. Ähnlich schleicht sich nun ein nächstes Schmuckstück von hinten an: Ein Quintett, das Sänger und Kreativkopf Rob Goodwin zu seiner The Slow Show machte. Zusammen tragen sie die Bilder der englischen Romantik in ihrem Geschichtenköfferchen umher, überraschen dabei aber mit ungewöhnlich unenglisch klingendem Sound.

Ganz kess stellen sich The Slow Show gegen die nordenglische Rüpelattitüde. Statt die Pfunde im Pub zu verpfeffern, gaben sie diese lieber für Studioaufnahmen mit Orchestern aus. Die Streich- und Bläserarrangements sind die stützenden Pfeiler dieses Debüts und geben das Fundament für den Americana-Sound der Herren. In perfekter Harmonie wechseln sich Violinen und Trompeten mit den bluesigen Gitarrenklängen und dem tiefen Bariton Rob Goodwins ab. Dabei erzählt er authentische und intime Geschichten.

Elf erlesene Titel zählt ihr Debüt ‚White Water‘. Es geht um Tod (‚Brother‘), Verlust (‚Flowers To Burn‘) und der Suche nach dem Sinn. Die Dramatik und Melancholie wird dabei von so ausgeklügelten Kompositionen getragen, dass einem am liebsten das Herz zerspringen mag. Allein wenn die ersten Töne von Liedern wie ‚Bad Day‘ erklingen, prasselt der trostlose Manchesterregen umgehend an das eigene Fenster. Auf anderen Songs ziehen einen gefühlvolle Klaviermelodien oder Kirchenchöre (‚Dresden‘) hinfort in den Sumpf des Kummers. In der Tat, das ist mit Vorsicht zu genießen. Schnell wächst die Regenwolke im Kopf zu unbequemer Größe heran. Aber nur, wenn man nicht genau hinhört! So streicheln einem die sanft im Hintergrund ertönenden Violinen die geschundene Seele.

‚This is a long way from home / but I don’t feel alone / I’m desperate to get high / desperate to be on my own / this is a long, long road / but I don’t feel alone.‘

(‚Long Way From Home‘)

Eine Ode an die Einsamkeit und den Neuanfang. Rob Goodwin weiß, dass auch in den aussichtslosesten Momenten ein Funke Hoffnung entspringt. Ein vorsichtiger Verweis darauf, dass Leid und Trennungsschmerz Pfade zu neuen Abenteuern bergen. Jedes Begleitmotiv des Orchesters unterstützt dabei die in den Liedern transportierten Emotionen. So untermauert Goodwin auf ‚Bloodline‘ mit Pauken und Trompeten seinen Befreiungsschlag aus einer alten Beziehung:

‚This is the last time / the last time I call / Wont let you get me down no more.‘

‚White Water‘ ist ein kleines Meisterwerk. Hier gilt es die sagenhafte Kunst zu erkennen, Musik und Text in perfekten Einklang zu bringen. Intime Geschichten zu erzählen, ja auch traurige Geschichten zu erzählen und dennoch so viel Hoffnung zu spenden, dass der Kopf sich nicht im Sand verliert. Trotz aufwendiger Arrangements wirken die Lieder niemals überladen, eher leben sie vom andächtigen Klang der Streicher, Chöre und Blasinstrumente. Mit diesem Debüt haben The Slow Show mit Sicherheit eines der packendsten Alben seit langer Zeit geschaffen.

THE STATESBORO REVUE – Crowdfunding-Kampage und Europa-Tour

2014 waren die texanischen Roots-Rocker The Statesboro Revue auf einer erfolgreichen Europa-Tour. Aus dem Nichts aufgetaucht legten sie eine astreine Tour auf die Bretter europäischer Club-Bühnen und begeisterten allerorten die Besucher ihrer Shows. Nun hat die Band nicht nur eine neue Tour am Start, sondern vor allem auch ein neues Album. Das noch unbetitelte, neue…

The Horse Comanche

Wer oder was zur Hölle ist das Pferd Comanche?! In den USA dürfte jedes Kind das Kavallerieross kennen, das nach der verheerenden Schlacht am Little Big Horn 1876 schwer verletzt zwischen toten Soldaten und Artgenossen gefunden und nach seiner Genesung zu einer Art Maskottchen wurde. Sein Präparat, dessen Grundgerüst das Cover von Chadwick Stokes‚ neuestem Wurf ‚The Horse Comanche‘ ziert, wird immer noch ausgestellt.

Für Stokes, der sämtliche Songs der Platte während einer Wohnzimmertour quer durch die Staaten geschrieben hat, ist Comanche nach eigener Aussage nicht nur mysteriös, sondern auch ein Sinnbild für den Ritt des Lebens: Niemand weiß, wo die fantastische, abenteuerliche Reise hingeht – so auch nachzuhören im Titeltrack.

Wie alles, was Stokes musikalisch anfasst, ist die Scheibe ein Prisma aus verschiedensten Gefühlslagen und Musikstilen. Leise Melancholie schleicht sich bei der gutherzigen ‚Mother Maple‘ ein, die zu den Klängen von zaghaften E-Drums für jeden mehr als genug Porridge in Reserve hat.

Karibische Leichtigkeit beflügelt in ‚Prison Blue Eyes‘, ein verspieltes Glockenspiel leitet die Anti-Resignations-Hymne ‚Our Lives Our Time‘ ein, schleppende Gitarren und Harmoniegesang tragen das sphärische ‚Hazy Maze‘.

Chadwick Stokes ist einer der wenigen Künstler, denen es mit jeder Platte gelingt, sich neu zu erfinden, ohne dabei ihren eigenen Stil zu verraten. Auf ‚The Horse Comanche‘ wurde dieses seltene Talent von den Impulsen des hochkarätigen Produzenten-Trios Sam Beam (Iron & Wine), Brian Deck (Modest Mouse) und Noah Georgeson (Joanna Newsom) auf die Spitze getrieben.

‚The Horse Comanche‘ ist eine Hymne an die Schönheit des Lebens, die Liebe und den Willen, die Welt zum Besseren zu verändern. Was bei anderen Musikern schnell in zuckersüßem Kitsch versandet, ist bei Chadwick Stokes schlicht die raffiniert erzählte Geschichte seines Lebens – eines Lebens, das offenbar erfüllter nicht sein könnte.

Sittin‘ By The Road

Jim Morrison. Amy Winehouse. Elvis Presley. Kurt Cobain. Dimebag Darell. John Lennon. Janis Joplin. Jimi Hendrix. Die wahren, unsterblichen Musiker-Legenden bleiben oft jene, die zu früh und unter tragischen Umständen starben. Der 1989 ermordete Folk-Country-Musiker Blaze Foley war so einer. Auch wenn er bei weitem nicht die Bekanntheit der oben genannten erlangte, war der Mann vor allem eins: Ein absoluter Nonkonformist, dem seine Art zu leben wichtiger war als alles andere. Als Singer-Songwriter lebte der Texaner ohne Obdach, schlief bei Freunden und in den Clubs, in denen er auftrat. Er setzte sich nicht nur mit seinen Songs für die Schwachen in der Gesellschaft ein, sondern machte auch sonst seinen Mund auf. 1989 wurde er mit knapp 40 Jahren erschossen. Erst posthum wurde er mit seinen authentischen Songs zu einem Geheimtipp. In Europa waren seine Alben bisher oft nur als teurer Import erhältlich, nun erscheint das in den USA bereits 2010 veröffentlichte Album „Sittin‘ By The Road‘ beim deutschen Label Elite Records erstmals als Vinyl. Die Aufnahmen stammen aus den 70er Jahren und wurden von Foley in Eigenregie mit einem einfachen Tonbandgerät aufgezeichnet. Erfreulicherweise wurde der neuen Veröffentlichung auch ein neues Album-Cover verliehen. Die einzige Entschuldigung für die Entgleisung des Original-Cover-Artworks wäre, daß Foley es selbst gemalt hat. Aber zum Album.

Die Lo-Fi-Produktion steht den charmanten, ungeschönten Folk-Songs sehr gut zu Gesicht. Foleys Stimme mit minimalen Hall-Effekten und seine Akustik-Gitarre. Mehr nicht. Aber mehr braucht es auch nicht. Höchstens noch ‚Big Cheeseburgers & Good French Fries‘, wie Foley zum Albumauftakt eindeutig autobiographisch und eifrig bekennt:

„I like to drink beer, hang out in bars. Don’t like busses, and I don’t like cars. Don’t like president, don’t like stars. Never had stitches, but I do got scars. Might just be stupid to you. Don’t seem that crazy to me. Well it shouldn’t be a bothering you.“

Die meist melancholischen Singer-Songwriter-Songs oszillieren zwischen Folk, Country und Blues, wie bei ‚Slow Boat To China‘. Neben Anekdoten aus seinem bescheidenen Alltag (‚Sittin‘ By The Road‘, ‚Cold, Cold World‘, ‚Fat Boy‘) und schaurig-traurigen Liebesliedern (‚The Way You Smile‘, ‚Faded Loves and Memories‘) besang Foley aber auch mit satirischer Sicht seine Meinung zu politischen Themen (‚Election Day‘). Auch die Wehmut und große Sehnsüchte kommen in den ungeschliffenen Diamanten von Songs immer wieder durch (‚If I Could Only Fly‘) – man darf sich fragen, ob Foley ein glücklicher Mann war. Sicherlich war er ein emotionaler Mann. Ein ehrlicher Mann. Und ein Poet von einem Singer-Songwriter. Wen die Person des hierzulande weitgehend unbekannten Musikers interessiert, dürfte die leider nur als US-Import erhältliche, preisgekrönte Dokumentation „Duct Tape Messiah“ über einen Mann begeistern, der in einem Baumhaus geboren wurde und in der Küche eines Freundes erschossen wurde. Auch wenn die Anerkennung für seine Musik spät kommt. Foley gehört inzwischen absolut berechtigt zum Club der unsterblichen Legenden. Vermutlich hätte er es gehasst.

The Third Three Years

Scheinbar teilt Frank Turner seine Karriere in Kreativ-Phasen ein, die jeweils drei Jahre andauern, bevor die nächste kommt. Die Alben entstehen spielend leicht. Dass in diesen Phasen jedoch noch viel mehr entsteht als die großartigen Alben des sympathischen Briten, zeigen diverse Songsammlungen, die er seinen Fans auch nicht vorenthalten will. Auf seiner mittlerweile dritten Songsammlung, treffend benannt ‚The Third Three Years‘, sind wieder einmal einige Raritäten, unveröffentlichte und gecoverte Songs zu finden. Im Opener huldigt Frank Turner gleich einer der größten Rockbands unserer Zeit – Queen. ‚Somebody To Love‘ ist recht klassisch interpretiert und sogar an den klassischen Backround-Chorus der Altrocker hat er gedacht. Damit zeigt er mal wieder die Vielfältigkeit seiner Einflüsse. Neben Queen covert Frank Turner Größen wie Bruce Springsteen (‚Born To Run‘), Paul McCartney (‚Live And Let Die‘), The Weakerthans (‚Big Foot‘) oder Tom Petty (‚American Girl‘). Gerade im Tom-Petty-Cover kommt die besondere Gabe von Frank Turner, wunderbar schief und gefühlvoll als Alleinunterhalter jeden Hörer zu begeistern, zum Vorschein.

Das Frank Turner auf seine Art und Weise jeden Coversong zu etwas Besonderem macht, weiß wohl jeder, der ihn schon live erlebt hat. Nichts Neues also…Auch, wen ‚lIve And Let Die‘ die wohl ausgefallendste Version des McCartney-Songs ist, die es je gab. Mit einem Mandolinen-Feuerwerk, nimmt der eigentlich rcht lässige, einfache Song richtig Fahrt auf. Die zahlreichen Cover sind aber vor allem eins: Indizien auf die Wurzeln des Musikers, die zum Glück nicht im Verborgenen bleiben. In Kombination mit den Livemitschnitten wird die Vielfältigkeit und die Dynamik, die Frank Turner in den vergangenen Jahren zu immer erfolgreicheren Alben angetrieben hat, deutlich.

‚The Third Three Years‘ ist, was es ist: Eine Songsammlung. 21 Songs, die nie auf einem Album gelandet sind oder landen werden. Dafür sind Fans und Kritiker sicher dankbar, denn es gibt Einblick in die musikalische Welt von Frank Turner. Wieder einmal schießt er, scheinbar mühelos, eine Scheibe aus der Hüfte, die sich wirklich lohnt zu hören, um damit die Wartezeit auf sein für 2015 angekündigtes sechstes Album zu verkürzen.

TRAMPLED BY TURTLES kommen nach Deutschland

Die amerikanischen Folker Trampled By Turtles machen weiterhin von sich reden: Nach der erfolgreichen Veröffentlichung ihres aktuellen Albums Wild Animals trat die Band Mitte Juli erneut in der Show des amerikanischen Talkmasters David Letterman auf. Außerdem veröffentlichte das Quintett aus dem US-Bundesstaat Minnesota das zweite Video zum Album, und zwar zum Titeltrack ‚Wild Animals‘. Wer…

Throw Me In The River

Nomen est omen. The Smith Street Band ist quasi permanent auf den Straßen nicht nur ihres heimatlichen Kontinents Australien unterwegs. Gerade hat sie eine zum guten Teil ausverkaufte Europa-Tour inklusive mehrerer Deutschland-Gigs absolviert, zuvor durchquerte man gemeinsam mit Frank Turner Nordamerika. Äußerst bemerkenswert, was der Vierer aus Melbourne in den wenigen Jahren seit der Bandgründung 2010 erreicht hat. Immer on the road zum nächsten Keller-Club oder Festival-Gig war irgendwie auch noch Zeit, das dritte Album mit dem Titel ‚Throw Me In The River‘ aufzunehmen.

Mit dem Verweis, dass die Herren von The Smith Street Band gute Kumpel von Meister Turner sind, ist das Wesentliche eigentlich schon gesagt. Seine Fans werden die ihren sein. Wenn sie es nicht schon längst sind. Musikalisch sind sich beide Acts maximal nahe, teilen ihr Verständnis von Gitarrenrock und ihre Leidenschaft. Letztere ist Leitmotiv auf ‚Throw Me In The River‘. Dessen emotionaler Punkrock mit Folkattitüde geht direkt nach vorn und hat einen zwingenden Drive. Die Songs präsentieren sich in ganzer Fülle, für die alles rausgeholt wird, was in den Instrumenten und Verstärkern steckt. Ein jeder ist tongewordenes Herzblut. Allein beim Hören des Albums kann man die Schweißperlen der Musiker geradezu fließen sehen und die eigenen kaum zurückhalten. Vor allem Sänger Wil Wagner liefert bei Songs wie ‚East London Summer‘ richtig harte Arbeit ab, und wer bei Konzerten nicht mindestens so verschwitzt wie die Band vom Parkett geht, hat kein Herz.

‚Throw Me In The River‘ ist ein Album, dass die Lebensgeister beflügelt, Energien freisetzt, Menschen verbindet. Man möchte in Euphorie spontan den zufällig neben sich Stehenden umarmen und die alltägliche Gleichgültigkeit aus den Vorbeigehenden rütteln. Wenn sich also innerlich mal wieder das Gefühl der Abgestumpftheit breitzumachen droht – The Smith Street Band auflegen und Kraft tanken!