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Spooky Action

Mansun waren die wohl seltsamste Band, die mit dem Britpop-Trend hochgespült wurde. Mit den depressiven Texten und der oft weinerlichen Stimme von Frontmann Paul Draper ähnelten sie einerseits Radiohead, musikalisch aber bedienten sie sich einer weit größeren Palette. Von Beatles-lastigen Songs, wie sie für den Britpop charakteristisch waren, über cheesige Discosounds und Garagen-Punk bis zu spacigem Progrock erlaubten sie sich alles. Mit „Six“ sogar ein Konzeptalbum, dessen Songs im Schnitt zwischen sechs und neun Minuten dauerten und für das „The Voice“ Tom Baker (Doctor Who) Gedichte rezitierte. Dennoch schafften es ihre ersten drei Alben in die UK-Top 20, das Debüt „Attack Of The Grey Lantern“ sogar auf Platz 1.

Nachdem die Band 2003 implodierte und nur noch durch Gerichtsverhandlungen von sich hören ließ, tauchte Paul Draper in den letzten Jahren mit zwei EPs („EP1“ mit Steven Wilson als Gast) und als Kollaborateur der großartigen Catherine Anne Davies aka The Anchoress wieder auf. Nun gibt es mit „Spooky Action“ sein seit Jahren in Arbeit befindliches erstes Soloalbum – und immer noch existiert Draper in einem Paralleluniversum, in dem es keine musikalischen Konventionen zu geben scheint. Einige Songs wie ‚Things People Want‘ und ‚Jealousy Is A Powerful Emotion‘ tragen deutlich die Handschrift von The Anchoress, die bei fast allen Songs als Co-Autorin, Keyboarderin und Background-Sängerin aufgelistet ist, aber damit hat sich’s schon mal mit leichten Vergleichen. Kraftvoller Indie-Pop mit Wave- und leichtem Progeinschlag, könnte man sagen. So hätten Radiohead vielleicht klingen können, wenn sie nach „OK Computer“ nicht in die Electronica eingetaucht wären, sondern ihre Liebe für Iggy Pop, „Scary Monsters“ und die ersten drei Simple Minds-Alben entdeckt hätten. Das bedeutet natürlich alles Andere als einfachen Stoff, aber ganz ehrlich: hat jemand von Paul Draper ein Easy Listening-Album erwartet? Immerhin hat er sich die überlangen experimentellen Epen diesmal „gespart“. Zwischen sperrigen Songs wie dem Opener ‚Don’t Poke The Bear‘ und ‚Friends Make The Worst Enemies‘ gibt es aber ausreichend Eingängiges wie die beiden oben Erwähnten, das an den Oasis-Nachfolger Beady Eye erinnernde Drei-Minuten-Popstück ‚Feel Like I Wanna Stay‘ oder auch die tanzbaren (!)’Feeling My Heart Run Slow‘ und ‚Can’t Get Fairer Than That‘, die den Einstieg in „Spooky Action“ erleichtern.

Zwar fehlen dem Solodebüt von Paul Draper noch die überragenden Highlights, die Mansun und das The Anchoress-Debüt hervorbrachten, aber es freut, einen der interessantesten Musiker der Neunziger endlich wieder in Aktion zu erleben. Vor allem, weil Paul sich auch auf eine kleine UK-Tour begeben hat, ist zu hoffen, daß es nicht wieder vierzehn Jahre dauert, bis man von Draper etwas hört.

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