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Skuggsjá

„Vikings“ ist eine exzellente und sehr erfolgreiche Serie über das Leben zur Zeiten der Wikinger. Ohne Klischee, Lagerfeuerromantik, Methornheben und Freßgelagen. Ein echter, unverstellter Blick auf das extreme Leben zu diesen Zeiten, aber ohne zu extreme dramaturgische Übersteigerungen. Kein Wunder also, dass die Produzenten der Serie bei der musikalischen Untermalung ihres Historiengemäldes unter anderem auf die Kunst von Einar Selvik zurückgriffen. Mit Wardruna hat Einar Selvík eins der ehrlichsten, wahrhaftigsten und originalsten musikalischen Projekte über die Folklore der Wikingerzeiten ins Leben gerufen. Ein Ambient-Folkloristisches Themenprojekt über die Runen des alten Futhark von solch emotionaler Wucht und Intensität gibt es sonst nicht, da üblicherweise viele Musiker zu sehr dem Kitsch und den Klischees anheim fallen.

Auf der anderen Seite steht mit Ivar Bjørnson der Gitarrist und Mastermind von Enslaved. Die mit sehr wikingerlastigem Black Metal begonnene Band hat über die Jahre eine Entwicklung genmmen, die man auf den ersten Alben so nicht erahnen konnte. Mittlerweile sind Enslaved von jeder restriktiven Genrekette befreit und betreiben progressive Musik, die mit Elementen von Folk bis Black Metal spielt.

Wenn diese beiden anerkannt genialen Musiker gemeinsam ein Projekt ins Leben rufen, kann man fast schon ohne Hören des ersten Tons garantieren, dass es sich um Qualitätsware handelt.

Was die beiden unter dem Namen Skuggsjá dann aber wirklich anbieten ist weit jenseits herkömmlicher Qualität. Beide Musiker haben es geschafft, ihre Identität und ihre Liebe zur Musik einzubringen. Die manchmal sehr sperrig und andersartig wirkenden Kompositionen von Einar Selvik bei Wardruna werden entsperrt, zugänglicher gemacht und mit Pathos angereichert. Die Progressivität von Ivar Bjørnsons Musik wird vereinfacht, strukturierter und verständlicher.

Dadurch entsteht ein wunderschönes Koglomerat von harten Gitarren und nordischer Folklore, die ihresgleichen sucht. Jeder Vergleich mit den üblichen Verdächtigen der heutigen Folk Metal-Szene verbietet sich von selbst, denn trotz aller Anpassungen bleibt Identität, Schönheit und Ehrlichkeit der Musik beider Protagonisten gewahrt und wird nicht durch vordergründige Klischees simplifiziert.

Die rituelle Percussion bleibt, wird auch weiter – wie bei Wardruna – durch Flöten und einem ganzen Sammelsurium an klassischen nordischen Folkloreinstrumenten (die von den übrigen Wardruna-Musikern eingespielt wurden) unterstützt, wird aber durch verzerrte Instrumente erweitert und unterstützt. Neben dem rituellen Gesang gibt es auch den hohen, cleanen Gesang, der Enslaved so gut zu Gesicht steht, aber natürlich auch Shouts, Chöre und Frauenstimmen.

„Makta Og Vanaera“ fängt sogar an wie ein echter Enslaved-Song mit kreischenden Gitarren und schrägen Drums, aber mit dem Einsetzen der in diesem Augenblick stark an Bathory erinnernden Chorälen ist schon klar, dass hier etwas ganz anderes zelebriert wird. Spätestens bei dem wunderschönen „Tore Hund“ ist es dann so weit, dass tatsächlich der Vergleich zur absoluten Legende des Genres angebracht ist. Skuggsja schaffen es spätestens mit diesem Song, Storm mit ihren 1994’er Album „Nordavind“ zu erreichen und zu übertreffen. Das ist Metal mit folkloristen Elementen und Nordische Folklore mit Metalgitarren in absoluter Vollendung.

Ob der Gesang nun wirklicher Gesang ist oder wie hauptsächlich auf „Skuggsja“ eine Art Geschichtenerzählen – egal. Die Stücke sind mitreißend und lassen einen mit den ersten Tönen in Träume von anderen Welten abdriften. Das rituelle Element in Kombination mit den grandiosen, immer klaren Melodien schafft eine Nähe und Intensität, die in diesem Bereich ihresgleichen sucht. „Skuggsja“ ist ganz klar jetzt schon das Album des Jahres, und die beste Kombination aus ehrlichem Metal und originaler nordischer Folklore die je gemacht wurde.

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