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ROCKAVARIA 2018 – IRON MAIDEN begeistern mit spektakulärer Show an neuem Standort

Dabei begann der Samstag sehr beschaulich, wenn auch potent mit dem amerikanischen Blues-Rocker Johnny Gallagher. Der füllige Rauschebart groovte mit seiner Fender-Gitarre und seiner Begleitband inklusive Rockabilly-Piano sehr launig zum Auftakt des Festivals, als noch die Sonne schien und der große Ansturm der Metalheads noch ausstand.

Der erste Auftritt des Festivaljahres für die englischen Powermetaller Dragonforce auf der wenige Minuten entfernten „Green Stage“ geriet dafür beinahe zum Fiasko. Die technischen Probleme, die vermutlich auch zur Verzögerung des Startschusses um gut 20 Minuten führten, konnten die Techniker der Band auch nach dem Beginn des Konzerts nicht in den Griff bekommen. Total unausgewogen abgemischt, viel zu leise und ohne Druck kam die eigentlich immer sehr launige rüber. Wenn echte Gitarren-Hochgeschwindigkeits-Helden wie Herman Lee und Sam Totham ihre Kunst mit angezogener Handbremse zelebrieren wollen, kommt keine Stimmung auf. Auch wenn Frontmann Marc Hudson sich redlich Mühe gab und auch die hohen Töne traf, die fehlende Power mit den Lautstärkeauflagen entschuldigte und das Sound-Team zumindest noch die gröbsten Mankos in den Griff bekamen, blieb die Show der beliebten Metaller bis zum Ende nur so mittelprächtig, trotz des Band-Klassikers ‚Through The Fire And The Flames‘.

Zurück bei der Mainstage war davon beim ersten richtigen Highlight Killswitch Engage zum Glück nichts mehr zu spüren. Der melodiöse und kraftvolle Metalcore der Amis sorgte in den vorderen Reihen für die ersten begeisterten Circle-Pits und die explosiven Gymnastikübungen von Gitarrist Adam Dutkiewicz für grinsende Zustimmung. Natürlich wurde ein Loblied auf das gute bayrische Bier und die stimmungsvolle Location zwischen den klassischen Gebäuden des Königsplatzes angestimmt, die Jungs machten das großartig und über jeden Zweifel erhaben. Inzwischen hatte der erste kleinere Schauer eingesetzt, der sich aber zum Glück schon bald wieder legte und so eher für eine willkommene Abkühlung gesorgt hatte.

Leider erhitzten sich die Gemüter bereits kurz darauf erneut. Fans, die die sich mit den US-Jungs überlappende Show der Schweizer Folkmetaller Eluveitie besuchen wollten, wurden am Durchgang wegen Überfüllung abgewiesen. Auch wenn sich dies objektiv aus Sicherheitsgründen nachvollziehen ließ, ein nicht zu verzeihender organisatorischer Faux-Pas. Ein Open-Air-Festival, das explizit mit zwei Bühnen wirbt und von seinen Gästen einen entsprechenden Preis verlangt, muss seinen Besuchern Zugang zu allen Bands gewähren. Auch wenn sich der Veranstalter bei der Absage des Headliners Die Toten Hosen sehr kulant gezeigt hatte und einen Teil des Eintrittspreises als Entschädigung rückzuerstatten angekündigt hatte, war die Stimmung am Einlass zur Green Stage zu diesem Zeitpunkt verständlicherweise miserabel. Schließlich machte man das Beste daraus, besorgte sich ein kühles Bierchen und unterhielt sich mit seiner Begleitung über die noch anstehenden Bands.

Wenn auch ungewollt und ungeliebt war die kurze Pause hilfreich, um etwas durchzuatmen und dann beim Auftritt der Schwedisch-Kanadischen Arch Enemy umso mehr abzugehen. Frontfrau Alissa White-Gluz, gleichermaßen stimmgewaltig als auch attraktiv, leitete den Auftritt leidenschaftlich und wie gewohnt mit vollem Körpereinsatz. Kaum zu glauben, daß eine solch zierliche Person solche Growls hinbekommt! Mit Songs, die überwiegend von den beiden letzten Alben ‚Will To Power‘ und ‚War Eternal‘ stammten, sorgte die inzwischen auch kommerziell sehr erfolgreiche Melodic-Death-Metal-Band (das letzte Album belegte in Deutschland Platz 3 der Album-Charts und die Youtube-Videos gehen regelmäßig mit den Klickzahlen durch die Decke) für allgemeine Begeisterung.

Der nächste Schauer kühlte die Gemüter erneut etwas ab. Gegen Ende des Auftritts von Arch Enemy folgte ein rund halbstündiger Wolkenbruch, bei dem manch Einer an den spärlichen Stellen mit Bäumen Schutz suchte, erneut bei einem Kaltgetränk durchatmete oder sich einer virtuellen Drum-Challenge des Energy-Drink-Anbieters „Monster“ stellte. Dann war es endlich so weit. Iron Maiden. Seien wir mal ehrlich: Der Tag war nett, aber daß die meisten wegen der englischen Metal-Legenden gekommen waren, ließ sich zweifelsfrei an der Menge der Maiden-Shirts ablesen. Schätzungsweise jeder vierte Festivalbesucher trug seine Begeisterung für das in den letzten Jahren wieder besonders populäre Sextett auf Shirt oder Kutte zur Schau. Die alten Hasen sind wieder voll da, und das sollten sie auch mit ihrer komplett neuen Show eindrucksvoll bestätigen.

Los ging’s mit dem UFO-Cover ‚Doctor, Doctor‘ vom Band, gefolgt von Churchills berühmter Rede zum Auftakt der Luftschlacht in England. Selbstredend war der erste Song dann natürlich genau der, der diese Schlacht thematisiert: ‚Aces High‘! Das Lied ist kein seltener Opener für Iron-Maiden-Shows, aber das lebensgroße Modell eines über der Bühnen hängenden Spitfire-Fighters eine beeindruckende Neuheit. Mit einem Wolken-Backdrop als Hintergrund und sich drehenden Propeller zog der Flieger alle Blicke auf sich – dann kam Dickinson mit einem Sprung auf die Bühne gerannt und die restlichen Herren griffen in ihre Saiten. Dessen Stimme hatte keine Probleme mit den höheren Tonlagen des Titels und Drummer Nicko McBrain sorgte hinter seine Schießbude für den richtigen Beat. Was für ein Auftakt, was für ein visuell-akustisches Ausrufezeichen gleich zu Beginn! Passend zur Kriegsthematik folgte ‚Where Eagles Dare‘ und dem einen oder anderen durften erst jetzt die mit Tarnnetzen drapierten Bühnenaufbauten aufgefallen sein.

Freudig begrüßte der Frontmann seine deutschen Fans und kündigte ein „Schauspiel in Akten“ an – und genau das folgte auch. Iron Maiden erzählen mit ihrer neuen Show mehr als je zuvor eine Geschichte, eine epische Metal-Opera gewissermaßen, perfekt choreografiert und gemeinsam mit einer perfekten Licht- und Effekt-Show orchestriert. Bei ‚Aces High‘ wurden die Strahler so eingesetzt, daß das Bühnenbild wie von Maschinengewehrfeuer durchlöchert wirkte, mit von hinten durchscheinendem Licht. So ging es eindrucksvoll weiter mit ‚Two Minutes To Midnight‘, nicht ohne den Hinweis von Dickinson, daß der Krieg und Konflikte wie eh und je die Welt bestimmen. Unter dem Schlagwort ‚Freedom‘ folgte der epische „Braveheart-Rocker“ ‚The Clansman‘, gefolgt von ‚The Trooper‘ natürlich stilecht mit einem Zweieinhalb-Meter-Trooper-Eddie im Degengefecht mit Dickinson. ‚Sign of the Cross‘, begleitet von einer erneut imposanten Lichtshow mit einem tragbaren, beleuchteten Kreuz, bot eine komprimierte Dramaturgie der Gesamtshow: Bedrohliches, rotes Licht, das Innere einer Kathedrale mit gothischen Fensterbögen und ein charismatischer Frontmann.

Zum treibenden ‚Flight of the Icarus‘ war dann eine überlebensgroße Ikarus-Figur über der Bühne der nächste Eyecatcher – die zum Ende von Herrn Dickinson mit einem echten Flammenwerfer virtuell in Brand gesetzt wurde. Je mehr sich die Show dem Höhepunkt näherte, desto imposanter kam das Bühnenbild daher. Zu beinahe jedem Titel wurde ein neues, riesiges Backdrop herabgelassen, sekundiert von den passenden Farben bei der Lightshow. Beim Riesenhit ‚Fear of the Dark‘ erinnerte der Sänger in seinem Umhang beinahe an das Phantom der Oper: Nicht nur bei der Optik sondern auch bei der Theatralik machten die sechs Herren den gesamten Auftritt über keine halben Sachen, das alles bei hervorragendem Live-Sound.

Der Kopf des riesigen Beast, das zu ‚Iron Maiden‘ mit Feuer und Rauch aus dem apokalyptischen Feuersee stieg, setzte den imposanten Höhepunkt einer an Höhepunkten reichen Show in biblischen Spähren. Was die sechs ergrauten Herren ihren Fans hier boten, ist schlicht nicht mehr zu toppen. Doch ganz ohne Zugaben wollen die Metal-Titanen ihr Publikum natürlich nicht in den Abend entlassen, und so klang das Festival nach den drei Songs ‚The Evil That Men Do‘, “Hallowed Be Thy Name‘ und ‚Run To The Hills‘ unter frenetischem Jubel aus. Mit einem für ein Open-Air-Festival extrem guten Sound auf der Hauptbühne und natürlich einem atemberaubenden Metal-Spektakel von Iron Maiden war das alles in allem gelungene Premiere für das Rockavaria am Münchner Königsplatz, der vor allem wegen seiner Kulissen und der Headliner-Show in Erinnerung bleiben und im kommenden Jahr Mühe haben wird, die noch zu toppen.

 

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