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Radio Free America

Richie Sambora ist für eines der am innigsten verehrten Alben der Rockmusik verantwortlich. Das 1990 veröffentlichte „Stranger In This Town“ präsentierte Sambora, mit Unterstützung von King Crimson-Wunderbasser Tony Levin und seinen Bon Jovi-Kollegen Tico Torres (dr) und David Bryan (keys), nicht nur als exzellenten Gitarristen und Songschreiber, sondern auch als fantastischen Leadsänger, dessen soulige Stimme die seines Arbeitgebers sowohl technisch als auch in Sachen Gefühl, Kraft und Authentizität locker in der Pfeife rauchte. Das ruhige, bluesbeeinflußte Album stellte zwar keine Verkaufsrekorde auf, taucht aber nach wie vor gerade unter Musikern in jeder Menge Desert-Island-Disc-Listen auf. So ein wenig hat man also auch nach zwei weiteren und deutlich schwächeren Sambora-Alben die Hoffnung, daß Richie nochmal so einen Klassiker raushauen könnte. Vielleicht ja diesmal in Zusammenarbeit mit seiner Lebensgefährtin Orianthi, die ja selbst auch eine fantastische Gitarristin und Sängerin ist?

Nun, leider schließt auch „Radio Free America“ nicht an den Klassiker an – stilistisch bewegen sich Sambora und Orianthi eher in ähnlichem Fahrwasser wie die letzten Bon Jovi-Alben. Rockig arrangierte Popsongs (oder gelegentlich auch umgekehrt), gelegentlich mit Country-Anklängen und mit viel elektronischem Schnickschnack produziert. Aber, bevor man nun erschrickt: Orianthi und Richie haben auf ihrem Album die deutlich besseren Songs als Jon-Boy in den letzten Jahren. Gesanglich lässt Sambora der jüngeren Freundin oftmals den Vortritt. Jetzt, wo Taylor Swift ja ihre alte Fanbase kräftig vergrault hat, könnte das ein cleverer Schachzug sein, Orianthi hat nämlich ehedem eine hohe stimmliche Ähnlichkeit mit Tay-Tay, und der Opener ‚Making History‘ erinnert auch an deren Zusammenarbeit mit Def Leppard. Für eingefleischte Rockfans dürfte „Radio Free America“ allerdings nur wenig Reiz haben: das Album bietet sauberen und auf Massentauglichkeit gebürsteten Radio-Poprock, bei dem Samboras Anteil – auch gesangich – insgesamt aber eher gering erscheint. Führen darf er nur beim im Mark Ronson-Stil gehaltenen R’n’B-Stück ‚Take Me‘, dem sehr an neuere Bon Jovi angelehnten ‚I Don’t Wanna Have To Need You Now‘ und der klassischen Bon Jovi-Ballade ‚Forever All The Way‘. Ansonsten nimmt er auch in den Duetten wie ‚Good Times‘ und ‚We Are Magic‘ eher die zweite Reihe ein. Das ist keinesfalls ein Problem, da die jugendliche Ausstrahlung von Orianthi (die gleichwohl auch bereits 33 ist) die Songs perfekt trägt. Schade nur, dass die beiden sich gitarrentechnisch nicht ein wenig mehr austoben. Richie legt in ‚Together On The Outside‘ zwar ein klassisches Sambora-Stadion-Gänsehautsolo hin, aber ansonsten bleiben die instrumentalen Feinheiten und Highlights für ein Album zweier Ausnahmegitarristen recht dünn gesät. Über das abschließende Cover von Sonny&Chers ‚I Got You Babe‘ – letztere pikanterweise eine Ex von Sambora – decken wir allerdings besser den Mantel des Schweigens. Ja, nett gemeint, aber eben ein wenig ZU weit über die Kitschgrenze, selbst für ein Popalbum.

Und mehr als ein Popalbum bieten die beiden mit „Radio Free America“ eben auch nicht. Alles geht ins Ohr, jeder einzelne Song könnte theoretisch zum Radiohit werden, aber einen Song, der das Potenzial hat, auch noch in zehn oder mehr Jahren zu faszinieren, haben die beiden leider nicht aufgenommen. Ein gutes Album, das aber das musikalische Potenzial der beiden Künstler nur ganz sachte antippt.

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