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Letters To Myself

Vorab eine ernstgemeinte Warnung. Wer hier ein melodisches Schwedentod-Album im „Colony“/Clayman“-Stil erwartet, bitte weitergehen, es gibt für Sie hier nichts zu sehen. Obwohl Peter Iwers und Jesper Strömblad zwei langjährige In Flames-Mitglieder vertreten sind, Sänger Jake E. Lundberg bei Amaranthe gerne auch mal so richtig fies schreien konnte und Drummer Alex Landenburg auch früher mal kurzzeitig bei Annihilator getrommelt hat, haben CyHra mit irgendwelchen extremen Formen des Metal rein gar nichts am Hut. Ja, man könnte gar argumentieren, CyHra hätten mit Metal generell nur wenig am Hut.

Metallica sind Schuld. Die haben nämlich damals beim „Black Album“ erstmals ein Mischwerk erschaffen, welches einerseits alle Genre-Anforderungen bediente, aber so sauber und glatt produziert war, daß es niemandem mehr wehtat und sogar für den Pop-Mainstream anhörbar wurde. Korn haben das später auch geschafft, und CyHra nehmen den gleichen konzeptionellen (nicht stilistischen!) Ansatz und spinnen ihn fürs Jahr 2017 weiter. Denn natürlich sind die typischen In Flames-Gitarren allgegenwärtig, ebenso aber auch die für Amaranth prägenden DJ Bobo-Sequencer, und darunter rattert auch mal ne ordentliche Double Bass durch den Halfbeat durch. Die sehnsüchtigen Metalcore-Refrains sind auch da – die, die bei allen Genrebands irgendwie immer nach Linkin Park klingen, obwohl die eigentlich doch angeblich keiner mag. Was aber fehlt, sind sämtliche Aggressionen, die kontrastierenden Screams und Growls, das Blastbeat-Gewüte und die fiesen Riffs. Somit bleibt als Endergebnis reiner Melodic Rock, oder meinetwegen, -Metal, der irgendwo zwischen Eclipse, Masterplan, den straighteren Momenten von Kamelot und, nun ja, Sunrise Avenue schwebt.

Nimmt man das Album als das, was es ist, muss man aber zugeben, daß CyHra ihre Sache natürlich extrem gut machen. Schließlich hat die Entwicklung von In Flames ja auch konsequent immer mehr zum Poprock gezeigt, und Amaranthe waren eigentlich noch nie in irgendweiner Weise aggressiv oder bodenständig. Und Drummer Landenburg hat eben auch weit länger bei Axxis gespielt als beim Analinhalator. Somit haben die Vier natürlich sämtliche Kompetenzen für ein exzellentes Album. Und, so man sich den von den Erwartungen lösen kann, das ist „Letters To Myself“ fraglos geworden. Denn Songs wie der Opener ‚Karma‘ oder das rockradiotaugliche ‚Black Wings‘ – komplett mit HIM-Piano – gehen sofort ins Ohr, ob man will oder nicht. Beeindruckend auch, das Sänger Jake sich als AOR-Sänger extrem gut macht. Selbst die ganz hohen Parts, die bei Amaranthe generell noch Elize Ryd vorbehalten waren, meistert er ohne angestrengt zu klingen, und der komplette Verzicht auf Shouts und Screams steht ihm außerordentlich gut zu Gesicht.

Also, ein gelungenes, modernes Melodic Rock-Album mit hohem Hitfaktor, eingespielt von exzellenten Musikern – eventuelle Probleme dürften hier eher von den eigenen Erwartungen als vom Dargebotenen herrühren.

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