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Invicta

Mal wieder Bock auf ganz uncoolen, höchst unzeitgemäßen Progmetal in bester Mittneunziger-Manier? Aus der Zeit, in der Dream Theater noch relevant waren, keiner was von Opeth gehört hatte und Tool noch als „Grunge-Mist“ abgetan wurden? Bitteschön: hier sind Hekz.

Ganz klar, die Vorbilder heißen hier Symphony X (erste drei Alben) und Dream Theater (Awake-Ära), dazu kommen ein paar hymnisch-melodische Rocker im Stile von neueren Uriah Heep oder Kansas wie das tolle ‚For Our Lives‘, alles abgeschmeckt von starken, mehrstimmigen Backing Vocals. Am Überraschendsten dürfte dabei sein, dass Hekz waschechter Londoner sind – das Material auf „Invicta“ klingt nämlich so nordamerikanisch, wie es nur kann. Lobenswert auch, dass die Jungs sich bei den Songs meist recht kurz fassen: mit zwei Ausnahmen bringen sie die Stücke in zwischen vier und sechs Minuten über die Ziellinie, was zur Folge hat, das alles nachvollziehbar bleibt und sich nirgends verzettelt wird. Nur in ‚Line In The Sand‘ und ‚The Devil’s Coin‘ geht’s neun beziehungsweise vierzehn Minuten lang in die Vollen. Gerade bei diesen beiden Songs offenbart sich dann auch die Schwachstelle der Band. Grundsätzlich verfügt Bassist und Leadsänger Matt Young über eine sehr angenehme Stimme, doch gelegentlich wagt er sich in opernhafte Gefilde und Höhen, die dann leider nicht mehr überzeugen können. Statt im – hörbar angepeilten – Bruce Dickinson-Pathos landet er dann eher im Revier von Steven Toast (googeln!) und klingt, nun ja, bisweilen unfreiwillig komisch bis etwas nervig. Aber vielleicht geht das auch nur mir so, eine Menge Proggies verehren ja auch Nad „Kermit“ Sylvan geradezu kultisch. Instrumental gesehen gibt sich die Band hingegen zu jeder Sekunde absolut kompetent. Ob verspielt-rasende Petrucci-Leads, gefühlvolle Schenker-Linien oder zweistimmige Maiden-Harmonien, die Gitarrenfraktion weiß durchweg zu begeistern, und die Rhythmusgruppe bleibt auch bei komplexesten Taktmassakern wie dem mit Thrash-Riffs angereicherten Schlusspart von ‚The Devil’s Coin‘ locker und groovig. Wie viele Prog-Alben krankt aber auch „Invicta“ ein wenig an seiner Länge. In den 65 Minuten Spielzeit finden sich leider auch ein paar Songs, die nicht so zwingend sind wie es die bärenstarken ersten drei Songs vorgeben – allen voran das belanglose ‚To The Lions‘ und die kitschigen Balladen ‚Pariah‘ und ‚Victorious‘, die einmal mehr zeigen, dass man gar nicht versuchen sollte, Songs im Stil von Queen zu schreiben, wenn man nicht May, Taylor, Deacon oder Mercury heißt.

Dennoch, eine sympathische Scheibe, die schon alleine damit punkten kann, dass niemand sonst heute mehr solche Musik spielt. Auch die Produktion ist definitiv gelungen: niemand Geringeres als John Mitchell hat das Album gemixt. Vielleicht sollte sich die Band zum nächsten Album einen außenstehenden Produzenten suchen, der ihnen hilft, ihre Stärken und Schwächen während des Aufnahmeprozesses besser auszuspielen. Das ist aber Zukunftsmusik: wer eine Zeitreise ins Jahr 1997 wünscht, sollte Hekz unbedingt antesten. Trotz der erwähnten Abstriche sind die Highlights der Scheibe wirklich absolut exzellent ausgefallen, so das unterm Strich hier auch trotzdem für die Zielgruppe eine klare Kaufempfehlung steht. Zu beziehen bei den musikalischen Goldgräbern von Just For Kicks.

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