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Howl

Es kann alles so einfach sein: das Leben, die Liebe, das Kochen, ja, mitunter sogar das Musizieren, wenn man es denn geerdet genug angeht. Ryan Lee West kann ein Lied davon singen, hat er sich doch die Einfachheit seiner musikalischen Schaffensprozesse selbst auferlegt: Wenige Spuren gleich weniger Zutaten gleich mehr Übersicht gleich mehr Raum für Magie. Mit übermütig garnierten akustischen Turmbauten prahlen sollen andere; das Etikett Rival Consoles steht weiterhin für echte Handarbeit. Ein Abstecher auf die Soundcloud-Seite des Musikers zeigt, wie ernst der Brite es meint: Dort hat er die Tracks seines neuen Albums fein säuberlich nach Spuren aufgedröselt, etikettiert und seinen Hörern separat zugänglich gemacht. Transparenz, von der sich der eine oder andere Politiker gut und gerne eine Scheibe abschneiden könnte.

Aus dieser Maxime heraus ist der Soundtüftler dann auch auf die Idee gekommen, Signale aus dem Synthesizer mit Gitarrenpedalen abzufangen und nach Belieben zu zerkneten. ‚Howl‘ heißt das Dokument dieses schlichten, aber ungemein spannenden Abenteuers; es ist Wests Full-Length-Debüt und lässt dessen zwei EPs umfassendes Vorwerk weiter hinter sich, als man sich hätte ausmalen können. Der Grund: Rival Consoles belässt es diesmal es nicht beim bloßen Ein- und Umkleiden der von ihm (meist oer Gitarre) erzeugen Klänge, sondern zieht ihnen gehörig das Fell über die Ohren. Vorwärts? Rückwärts? Pupsegal! ‚Howl‘, das seinen Titel nicht von ungefähr trägt, trumpft immer dann groß auf, wenn ein Signal aus der Fassung bricht (um nicht „gerät“ zu sagen) und zu heulen beginnt. Den Track ‚Low‘ nahm West mit Unterstützung eines Perkussionisten aus Fleisch und Blut auf: Fabian Prynn bringt passagenweise ordentlich Wallung in dieses ansonsten schlichte Stück. Es bleibt allerdings bei einem Gastauftritt, und so vollzieht sich die letzte knappe Viertelstunde des Albums wieder hinter dem Milchglas.

Doch nicht erst das Aushilfspersonal verleiht ‚Howl‘ so viele Facetten. Ryan Lee West kommt auch im Alleingang auf eine beachtliche Anzahl akustischer Ausdrucksformen, die von anschwellenden Heulattacken über Blubbern und Knacken im Duett bis hin zu verkopften Klangcollagen und dem Schlittern auf unbekannten Objekten reichen, bis schließlich ‚Looming‘ Rival Consoles künstlerischen Status Quo in aller Pracht erstrahlen lässt. ‚Howl’s große Stärke liegt in der brillanten Positionierung kontinuerlicher und abbrechender Klangzutaten und deren Abwägung und Ausspielung gegeneinander. Diese hausgebraute Dynamik lässt Rhythmus-Arbeit im eigentlichen Sinne an vielen Stellen praktisch entbehrlich werden und die Tracks eine geheimnisvoll-hypnotische Tanzbarkeit ausstrahlen.

Notiz am Rande: Rival Consoles war nicht nur das allererste Erased-Tapes-Signing, sondern inspirierte Robert Raths überhaupt erst zur Gründung des Labels. Und zu allem Großartigen, was wir ihm damit nun schon zu verdanken haben, gesellt sich nun auch diese Platte.

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