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Hiss Spun

Chelsea Wolfe ist ein Phänomen. Manchmal gibt es Musiker, die absurde, abstruse, außergewöhnliche, ja, originelle Musik machen – davon gibt es nicht mehr viele, das stimmt. Aber manchmal greift sich das Feuilleton, die Fans, die Hipster, die selbsternannten oder tatsächlichen Kenner irgendwen heraus und kürt ihn mir nichts dir nichts zum Next Big Thing. Es gab mal Zeiten als bei SPON Black Metal-Extravaganten wie Wolves In The Throne Room oder The Ruins Of Beverast abgefeiert wurden. Chelsea Wolfe gehört auf eine Art auch dazu.

Denn die Musik von Chelsea Wolfe, die uns vom Cover Samara-style hinter ihren Haaren hervor anstarrt, ist zunächst einmal äußerst unverdaulich. Viel Geräusch, eine Ode auf schreddernden Krach, egal ob er von den Drums, den Gitarren oder elektronisch erzeugt wird. Rückkopplungen, Verzerrungen, der Sound ist stellenweise klanggewordener Schmerz. Eine apokalyptische Untermalung zu Post-Nuclear War – Stories, Chelsea Wolfe ist Endzeitstimmung inklusive viel Blut und Schmutz. Das ist beim ersten Hören durch und durch abstoßend wie Zahnschmerzen. Crustiger Doom, abartiger Gothic, Postpunk, Industrial, Drone, Noise – alles davon findet sich in diesem 45minutigen Leiden wieder. Es wäre schön sagen zu können, dass darüber oder als Kontrapunkt Wolfes Stimme thront, nur (leider?) ist der stellenweise sehr zerbrechliche, filigrane Gesang auch auf diesem Album wieder sehr in den Hintergrund gemischt. Auch die Vocals sind damit (nur) ein gleichberechtigter Teil dieses klanggewordenen Weltunterganges.

Chelsea Wolfe klingt in jeder Hinsicht so als hätte man Lana Del Rey die Haut abgezogen. Blutig, knochig, die Musik ist genauso nackt wie der Gesang und offenbart unglaublich viel von der Musikerin dahinter.

Der übermäßige Gebrauch pejorativer Adjektive soll jedoch in keiner Weise ein negatives Gesamtbild zeigen. Die Strukturen der Songs sind so wildgeworden, so anders und unvorhersehbar – Chelsea Wolfe ist eben herausragend besonders. Wenn man mal darüber nachdenkt, was Gothic mal war und was Gothic zu großen Teilen heute ist, dann kann man Chelsea Wolfe nur gratulieren. Mit dem vermengen verschiedener Elemente hat sie einen ganz und gar einzigartigen Sound kreiert der dem, wofür Gothic mal stand, von allem, was heute so auf dem Markt herumspukt, am nächsten kommt.

Natürlich ist diese Musik todernst, irgendwelche Grinsekürbisse, schwarze Katzen oder ähnlichen pseudodüsteren Popkulturkram gibt es hier nicht. Hier wird ernsthaft gelitten, und zwar übelst. Die Essenz des Abgrundes trieft literweise aus diesen Poren.

„Hiss Spun“ ist ein Antiprogramm zur Oberflächlichkeit, schwierig, sperrig, sehr fordernd und anstrengend aber in jeder Sekunde die Beschäftigung damit wert. Als Anspieltipp mag das herausragende „The Culling“ herhalten, auch wenn dieses Album eher ein Gesamtkunstwerk ist. Verstörend und gerade deshalb so großartig.

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