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Debt Begins At 30

In der heutigen Zeit kann es bereits als Qualitätsmerkmal gelten, wenn eine Band auch nach drei Albumveröffentlichungen noch keinen Wikipedia-Eintrag hat. Da lässt sich noch unvoreingenommen, ohne vorgefilterte Informationen und abseits jeglichen Mainstreams etwas entdecken. Im Falle von The Gotobeds ist es ihr neues, besagtes drittes Album ‚Debt Begins At 30‘, von dem man sich im Idealfall Sneak Preview-mäßig überrollen lassen und dabei seiner wilden Emotionskurve hingeben sollte.

Allein, ihre Plattenfirma Sub Pop wollte uns die Band und ihren Sound vorab mit dem Label ‚Folk der Steel City Pittsburgh‘ schmackhaft machen. Dabei ist das schon wieder eine ungehörige Einschränkung! Auf ‚Debt Begins At 30‘ sind die Einflüsse derart mannigfaltig, dass Genregrenzen getrost ignoriert werden können. Das dürfte auch den zahlreichen Gastmusikern gedankt sein, von denen für jeden Song mindestens Einer hinzugezogen wurde und deren Liste bitte dem beigefügten Booklet zu entnehmen ist.

Erste musikalische Assoziationen, die in des Hörers Kopf aufpoppen, reichen von Fugazi und den Pixies über The Breeders bis hin zu New Order – und viel weiter. Anleihen von Garage-Rock, Grunge, No Wave und Noise der 80er Jahre sowie einer Prise Anti-Folk bilden ein dichtes Gebilde, mit dem The Gotobeds den Punk- und D.I.Y.-Werten in ihrer Ursprünglichkeit huldigen. Wir haben teil am Ausleben von künstlerischer Freiheit ohne Kalkül und Einordnung in beengende Strukturen. Da wird an den Songs nicht rumgedoktort, Akkorde nicht angepasst, der Gesang nicht professionalisiert, keine bekömmlichen Harmonien erdacht. Und ein Song wird auch nicht zugunsten einer leichter verträglichen, womöglich sogar radiotauglichen Kürze abgebrochen, wenn er doch gerade richtig Drive und den Charakter einer sich verselbstständigten Jam-Session bekommt (‚Bleached Midnight‘, 6:46).

Weil die Songs eben nicht um jeden Preis auf die Sympathien und das Wohlbefinden des Hörers abzielen, könnte der Sound von ‚Debt Begins At 30‘ als distanziert, stellenweise fast kühl erscheinen – aber nur Jenen, die dem Album nicht die volle Aufmerksamkeit widmen, die es verdient, ja erfordert. Im Gegenteil kann uns die Platte, wenn wir uns gänzlich auf sie einlassen, viel mehr geben als so viele hochproduzierte, empathische Alben, die womöglich professionell, aber eben keine Konventionen zu brechen bereit sind. Auch wenn The Gotobeds eine widerborstige Attitüde zu pflegen scheinen, legen sie uns ihr Herz und ihre Seele doch vollständig offen. Soviel Glaubwürdigkeit ist selten.­

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