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Zero Soldier Army

Fangen wir diese Rezension mal unkommentiert mit einer Äußerung von Torben Wendt, Chef von Diorama an:

„Die Songs sind in einer Zeit immer vertrackter werdender globaler Krisen bei gleichzeitigem Erstarken zunehmend fanatischer Nationalismen und anderer Wahnvorstellungen entstanden. Der Fassungslosigkeit angesichts des Fiaskos, auf das wir langsam aber sicher hinsteuern, wollten wir einen Begriff entgegensetzen, der gleichzeitig Wehrlosigkeit und Wehrhaftigkeit verkörpert – die ZERO SOLDIER ARMY“. Wir haben keine Waffen. Aber wir haben Liebe, Freiheit und Musik. Und Gin.“

Der Gin ist sicherlich das Wichtigste dabei…

…aber zumindest was das neue Album angeht, scheinen Diorama dem Alkohol wenig zugesprochen haben. Denn die Songs sind genauso vertrackt wie die von der Band angesprochenen globalen Krisen. Schon auf dem letzten Album „The Shape Of Things To Come“ haben Diorama die straighten, dem EBM nahestehenden Stücke der früheren Bandgeschichte ad acta gelegt, und im Gegensatz zu vielen Musikerkollegen scheint bei Diorama nicht der Retrozwang ausgebrochen zu sein. Gleich der Opener „Stay Undecided“ stellt klar, dass hier in den nächsten 67 Minuten absolute Kopfhörermusik vorherrschen wird.

Die Vielschichtigkeit und die Verspieltheit ist enorm, auch wenn immer in exakt richtigem Timing die klassischen, wunderschönen Diorama-Melodien hervorkommen und die Stücke plötzlich eine Geradlinigkeit an den Tag legen, die zu den vielen, vielen Klangspielereien einen wunderbaren Gegenpol bilden. Mache Songs bieten ausufernde Träumereien, die ein Neider möglicherweise als kitschig bezeichnen würde – aber genau diese intensiven, melancholischen Melodien mit dem mehrstimmigen Gesang waren schon immer Trademark von Diorama und sind es noch. Mittlerweile ziehen Torben Wendt & Co. an der Spitze der deutschen elektronischen Musik einsam ihre Kreise. Keiner vermag es derart, Melancholie und Elektronik zu verbinden – mal abgesehen vielleicht von den Königen des Genres, Covenant und VNV Nation. Manchmal, wie bei „Nebulus“, funktioniert das sogar instrumental, und manchmal, wie bei „Comfort Zone“ ist es fast deinelakaienesk sperrig und unzugänglich.

Aber auch auf „Zero Soldier Army“ dominieren die wunderschönen Tracks wie der abgekürzte Titeltrack „Zsa“ oder „Reality Show“. Der kritische Unterton der Texte versteckt sich stellenweise in dieser Melancholie wie ein Wurm im Pilz: Ungesehen, aber ekelhaft. Andere würden Texte dieser Art mit Punkshouts hinausschreien, Torben Wendt vermummt sie in elektronischen Spielereien und traurigen Melodien. Ein – mal wieder – ganz großes Werk und ganz große Kunst der absoluten Könige des nachdenklichen, verkopften (positiv gemeint!) Elektro. Darauf einen Gin.

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